Lagerfeuer

Coming Out (1989)

Coming Out (1989)

„Coming Out“ von Heiner Carow war der erste Film der DDR, der Homosexualität prominent thematisierte. Es sollte auch der letzte sein: Ihre Premiere hatte die DEFA-Produktion am 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls, im Berliner Kino International. Der Film erzählt die Geschichte des jungen Lehrers Matthias, der eigentlich mit seiner Kollegin Tanja zusammen ist, aber doch ein anderes Begehren spürt. Eines Abends landet er in einer Schwulenkneipe und lernt Matthias kennen, mit dem er eine zaghafte Beziehung beginnt. Allmählich versteht Matthias, wer er ist und wen er liebt. Mit zwölf Schlaglichtern auf die Entstehung und den besonderen Zauber von „Coming Out“ erinnert Carolin Weidner an einen im wahrsten Sinne bahnbrechenden Klassiker des queeren Kinos.
Paris Was a Woman (1996)

Paris Was a Woman (1996)

Greta Schiller ist eine der großen Pionierinnen des queeren Dokumentarfilms. Mit „Before Stonewall“ (1984) setzte sie dem Leben lesbischer und schwuler US-Amerikaner:innen vor den bahnbrechenden Stonewall-Riots im Jahr 1969 ein filmisches Denkmal. Mit ihrer eigenen Produktionsfirma Jezebel Productions und an der Seite ihrer künstlerischen Mitstreiterin und Partnerin Andrea Weiss folgten in den nächsten 40 Jahren zahlreiche preisgekrönte Filme zu unserer Kultur und Geschichte. In wenigen Tagen wird Schiller 70, und für die sissy ist das ein perfekter Anlass, um an einen weiteren ihrer Filmklassiker zu erinnern: das vielschichtige Orts- und Gruppenporträt „Paris Was a Woman“. Der Film fängt das Lebensgefühl von feministischen Pionierinnen wie Colette, Djuna Barnes und Gertrude Stein ein, die es zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Paris zog, weil sie dort eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten fanden und künstlerisch wie persönlich neue Wege gehen konnten. Anja Kümmel über ein Zeitdokument, das von der historischen Eroberung einer Metropole als weiblichem Entfaltungsraum erzählt.
Baldiga – Entsichertes Herz

Baldiga – Entsichertes Herz

West-Berlin 1979. Jürgen Baldiga, Sohn eines Essener Bergmanns, ist gerade in die Stadt gezogen und beschließt, Künstler zu werden. Mit seiner HIV-Infektion entdeckt er 1984 die Fotografie. Seine Bilder zeigen seine Freunde und Lover, wilden Sex und das Leben auf der Straße und immer wieder die lustvollen Tunten des Schwulenclubs SchwuZ, die zu seiner Wahlfamilie werden. Zwischen Verzweiflung und Begehren, Auflehnung und unbändigem Überlebenswillen wird Baldiga im Angesicht des nahen eigenen Todes zum Chronisten der West-Berliner Subkultur. Als er 1993 im Alter von 34 Jahren stirbt, hinterlässt er ein einzigartiges künstlerisches Vermächtnis. Entlang von Baldigas poetischen Tagebüchern und schonungslosen Bildern sowie über die Erinnerungen von Wegbegleiter:innen zeigt „Baldiga – Entsichertes Herz“ den Künstler nicht nur als bahnbrechenden Fotografen, sondern auch als Aids-Aktivisten und engagierten Kämpfer gegen die Stigmatisierung schwuler Lebensentwürfe. Peter Rehberg, der unter anderem vier Jahre lang das Archiv des Schwulen Museums geleitet hat, wo Baldigas Nachlass lagert, schreibt über einen Film, der Baldigas radikales Leben und seine kompromisslose Kunst in prägnante Kinobilder überträgt.
Before Stonewall (1984)

Before Stonewall (1984)

Die Pride Season ist aktuell im vollen Gange, in Berlin wird am Samstag CSD gefeiert. Wie es zu dem jährlich begangenen Fest- und Demonstrationstag kam, darum geht es in unserem queeren Filmklassiker der Woche. Greta Schiller und Robert Rosenberg erzählen in „Before Stonewall“ vom Leben und Alltag queerer US-Amerikaner:innen vor jener berühmten Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969, als sich in der New Yorker Christopher Street eine Gruppe Homosexueller und trans Personen entschlossen der Polizei widersetzte, die eigentlich die Szenebar Stonewall-Inn räumen wollte. Der Aufstand und die sich anschließenden Unruhen und Demonstrationen in den folgenden Tagen gelten als Urknall besonders eines lesbisch-schwulen Selbstbewusstseins – und als Wendepunkt im Kampf um Anerkennung und Gleichstellung. Schillers und Rosenbergs Films ist reich an seltenem Archivmaterial und enthält neben Interviews mit Allen Ginsberg und Audre Lorde vor allem Berichte und Anekdoten von Schwulen und Lesben aus der breiten Bevölkerung. Matthias Frings über die historische Bedeutung von „Before Stonewall“, den Manfred Salzgeber den „Kochbuchfilm zu unserer Geschichte“ nannte.
Unterwegs (2004)

Unterwegs (2004)

Sandra verbringt mit ihrer kleinen Tochter Jule und Freund Benni den Sommerurlaub auf einem abgelegenen Campingplatz in Brandenburg. Dort begegnen sie dem 19-jährigen Marco. Der charismatische Herumtreiber fordert die Spontaneität des Paars heraus und überredet Sandra und Benni spontan zu einer gemeinsamen Fahrt an die polnische Ostsee. In seinem Debütfilm „Unterwegs“ erzählt Jan Krüger („Rückenwind“, „Auf der Suche“, „Die Geschwister“) eine zerbrechliche Dreiecksgeschichte, die sich ganz aus den Geheimnissen ihrer Figuren entwickelt. Für sein Road Movie voller ungeahnter Sehnsüchte und Möglichkeiten wurde der Regisseur im Jahr 2004 mit dem Tiger Award des Filmfestivals Rotterdam ausgezeichnet. Andreas Wilink über einen Klassiker des jungen queeren Kinos aus Deutschland, der verführerisch vom Ausscheren aus dem Geplanten und Geregelten erzählt.
Buddies (1985)

Buddies (1985)

New York im Sommer 1985. Der 25-jährige schwule Schriftsetzer David will etwas gegen die Aids-Epidemie tun und meldet sich freiwillig bei einem Community-Programm an, das „buddies“ an Menschen vermittelt, die von HIV betroffen sind. So lernt er den 32-jährigen Aktivisten Robert kennen, der nach seiner Erkrankung von Partner und Freunden im Stich gelassen wurde. In einem kleinen Krankenhauszimmer reden die zwei jungen Männer über ihr Leben, die richtige Haltung zum Schwulsein, über leidenschaftlichen Sex und die Angst vor dem Tod. Arthur J. Bressan Jr.s „Buddies“ war 1985 der erste Spielfilm über die Aids-Epidemie. Sein Kammerspiel ist eine zutiefst berührende Studie über Leben und Sterben zu Zeiten von Aids – und ein zeitloses Dokument schwuler Solidarität. Matthias Frings über einen filmischen Meilenstein, für dessen Herausbringung einst der Verleih Salzgeber gegründet wurde.
Monika Treut: Female Misbehavior!

Monika Treut: Female Misbehavior!

Seit 40 Jahren prägt Monika Treut mir ihren lustvoll-subversiven Spiel- und Dokumentarfilmen das queere Kino in Deutschland und der ganzen Welt. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir noch einmal das umfangreiche Gespräch, das Jan Künemund mit der unerschrockenen Avantgardistin des nicht-heteronormativen Films im Jahr 2017 anlässlich der Veröffentlichung der DVD-Box „Monika Treut: Female Misbehavior!“ führte. Darin geht es unter anderem um weibliche Kino-Lust, Gender-Science-Fiction und queere Pionierinnenarbeit. Und natürlich auch um den bahnbrechenden Film, mit dem alles begann: das sadomasochistische Liebesdrama „Verführung: Die grausame Frau“, das Treut mit ihrer Freundin Elfi Mikesch 1985 drehte, und das jetzt noch einmal in der Queerfilmnacht zu sehen ist.
The Universe of Keith Haring

The Universe of Keith Haring

„Kunst ist für alle da!“ Mit diesem Verständnis revolutionierte Keith Haring (1958-1990) als Maler, Graffiti-Artist und Designer in den 1980er Jahren die Kunstwelt. Als er im Alter von nur 31 Jahren an den Folgen von Aids starb, war er ein Weltstar. Heute ist seine ikonographische, unverkennbare Pop Art allgegenwärtig – auf Postern, T-Shirts, Uhren und in unserem kollektiven Gedächtnis. „The Universe of Keith Haring“ führt in den faszinierenden Bildkosmos des Künstlers ein und erzählt dessen sagenhafte Lebensgeschichte. Andreas Wilink über Christina Clausens vielschichtigen Porträtfilm aus dem Jahr 2007, den es jetzt wieder als DVD und VoD gibt.
Blue Jean

Blue Jean

Jetzt im Kino: Georgia Oakleys preisgekröntes Regiedebüt über eine junge Sportlehrerin im England der späten 1980er Jahre. Margaret Thatcher hat mit ihrer konservativen Mehrheit im Parlament gerade Section 28 verabschiedet – ein homophobes Gesetz, das „die Förderung von Homosexualität“ verbietet. Deswegen darf in der Schule niemand wissen, dass Jean lesbisch ist, andernfalls könnte sie ihren Job verlieren. Doch als sie in einer Lesben-Bar einer ihrer Schülerinnen begegnet, muss sie eine schwerwiegende Entscheidung treffen. Packend und vielschichtig erzählt „Blue Jean“ von einer zutiefst repressiven Zeit in Groß­britannien, in der die Leben von zahllosen Lesben und Schwulen durch politische Entscheidungen maßgeblich eingeschränkt oder gar zerstört wurden. Zugleich zeugt der Film aber auch von der widerständigen Kraft einer queeren Gemeinschaft, die sich in Opposition gegen die Eiserne Lady erst richtig formierte. Merle Gronewald über ein bewegendes Figuren- und Zeitporträt.
Orlando, meine politische Biografie

Orlando, meine politische Biografie

In ihrem Roman „Orlando“ (1928) erzählte Virginia Woolf die Geschichte eines jungen Mannes, der am Ende eine Frau ist. Knapp 100 Jahre später schreibt Philosoph und trans Aktivist Paul B. Preciado einen filmischen Brief an Woolf und ruft ihr zu: Deine Figur ist wahr geworden, die Welt ist heute voller Orlandos! In „Orlando, meine politische Biografie“ zeichnet Preciado seine eigene Verwandlung nach und lässt 25 andere trans und nicht-binäre Menschen im Alter zwischen 8 und 70 Jahren zu Wort kommen. Für seinen Film wurde Preciado schon auf der Berlinale gefeiert und u.a. mit dem Teddy für den Besten Dokumentarfilm ausgezeichnet. Jetzt ist „Orlando“ auch im Kino zu sehen. Philipp Stadelmaier über einen Safe-Space-Film, der Woolfs Text mit den Waffen der Theorie und den Geschichten seiner Protagonst:innen überschreibt und so aus der Fiktion herauslöst.