Buddies

TrailerDVD / VoD

New York im Sommer 1985. Der 25-jährige schwule Schriftsetzer David will etwas gegen die Aids-Epidemie tun und meldet sich freiwillig bei einem Community-Programm an, das „buddies“ an Menschen vermittelt, die von HIV betroffen sind. So lernt er den 32-jährigen Aktivisten Robert kennen, der nach seiner Erkrankung von Partner und Freunden im Stich gelassen wurde. In einem kleinen Krankenhauszimmer reden die zwei jungen Männer über ihr Leben, die richtige Haltung zum Schwulsein, über leidenschaftlichen Sex und die Angst vor dem Tod. Dann verschlechtert sich Roberts Zustand rapide… Arthur J. Bressan Jr.s „Buddies“ war 1985 der erste Spielfilm über die Aids-Epidemie. Sein Kammerspiel ist eine zutiefst berührende Studie über Leben und Sterben zu Zeiten von Aids – und ein zeitloses Dokument schwuler Solidarität. Matthias Frings über einen Meilenstein des schwulen Kinos, den es jetzt in digital restaurierter Fassung als DVD und VoD gibt.

Foto: Edition Salzgeber

Wut und Widerstand

von Matthias Frings

Unterschiedlich wie Schneeweißchen und Rosenrot sind sie, dunkelgelockt mit prallrotem Mund der eine, blauäugig und Haare wie ein Weizenfeld der andere. Der Lockenkopf trägt ein himmelblaues Kleid mit einer Art Flügelchen. In der Hand schwenkt er ein glitzernd verpacktes Geschenk mit rotem Staniolstern. Die Musik dazu: Streichquartett.

Es braucht eine Weile, bis man sich in der Wirklichkeit dieses Films einfindet. Die ist entschieden weniger märchenhaft: Das himmelblaue Gewand entpuppt sich als Infektionsschutz, ein Plastikkittel auf einer New Yorker Aids-Station des Jahres 1985. Im hübsch verpackten Mitbringsel befinden sich banale Schokoriegel mit Erdnussbutterfüllung, die jedoch vom Patienten Robert gierig verschlungen werden.

David, Typ braver Junghomo von nebenan, hat sich als Buddy gemeldet, für ein Hilfsprojekt der Community, wo Freiwillige sich als Ansprechperson, als Freund, als „Buddy“ eben, für Patienten zur Verfügung stellen, um die sich sonst niemand kümmert. Kann ja nicht so schwer sein, einfach da sein, zuhören, ein wenig Gesellschaft leisten. Ist es aber, denn Robert, den auch im hässlichen Krankenhausleibchen und mit dunklen Flecken im Gesicht immer noch dieser blonde kalifornische Freiheitswille umweht, fordert seinen wohlerzogenen Buddy sofort heraus. Er ist kein dankbar ergebener Patient, sondern hält den Löffel, den er in absehbarer Zeit  wird abgeben müssen, noch ziemlich renitent in der Hand. Er will seinen Buddy besser kennenlernen, fragt ihn ohne Umschweife aus nach Coming-out und Sex, Liebe und Fremdgehen, und schnell wird klar, dass hier nicht nur New York und Kalifornien aufeinanderprallen, sondern zwei sehr unterschiedliche schwule Männer: einer, der sich keinesfalls entschuldigen will für seine Existenz und seine Lust, der wütend ist auf die Untätigkeit der Politik und die Panikmache der Medien. Und auf der anderen Seite dieser liebe Junge mit fester Beziehung, der sich durch seine sexuelle Ausrichtung nicht zum gesellschaftlichen Exoten abstempeln lassen will. Der eine schwul, der andere gay.

So hatte David sich die Patientenbetüddelung nicht vorgestellt und er überlegt, das Experiment abzubrechen. Es folgt ein Kennenlernen, eine Konfrontation, ein Kampf sogar, denn wenn man sich mag – und nach einigen Anlaufschwierigkeiten mögen sie sich sehr –, wird Klartext geredet, und das kann unter Umständen wehtun.

Ein viertes K liegt über allem, konstituiert Form wie Atmosphäre dieses aus vielerlei Gründen ungewöhnlichen Films: Kammerspiel. Nur die beiden Hauptfiguren sind nämlich im Bild zu sehen, vielleicht hören wir mal Davids Lebenspartner aus dem Off oder eine Krankenschwester oder eine Journalistin, was die dramaturgisch etwas durchsichtige Möglichkeit schafft, Zahlen, Daten, Fakten an den geneigten Zuschauer weiterzugeben. Ansonsten aber volle Konzentration wie beim klassischen Drama: Einheit von Ort, Zeit, Handlung. Und ein Drama ist diese weltweit wütende Immunschwächekrankheit in der Tat, ein persönliches, soziales, politisches, medizinisches, das Form wie Inhalt dieses Films komplett durchformt und bestimmt.

„Buddies“ von Arthur J. Bressan Jr. ist ein Meilenstein des schwulen Films, der erste Spielfilm über die Aids-Epidemie überhaupt. Bezeichnenderweise ist es nicht ein Edelregisseur aus der ersten Reihe, der sich dieser Herausforderung stellt, sondern jemand, der als Regisseur und Produzent von Pornofilmen begonnen hat, daher auch sein Bestehen auf homosexueller Lust trotz sämtlicher Moralpredigten jener Zeit, trotz der damals selbst unter verängstigten Schwulen beliebten Forderung nach Abstinenz. Brennan aber ist, wie wir heute sagen würden, „sexpositiv“ eingestellt. Er ist Drehbuchautor, Regisseur, Produzent und Editor in einer Person. Im direkten wie übertragenen Sinn ist er es gewohnt zuzupacken und es gelingt ihm im Jahr 1985 diesen Film innerhalb von fünf Tagen mit einem Budget von nur 27 000 Dollar herzustellen. Was für eine Leistung das ist, erschließt sich beim Blick auf andere Filme zum Thema: „Longtime Companion“ etwa kommt erst 1989 in die Kinos, „Philadelphia“ sogar erst 1993. Bressan aber hat viel Druck und wenig Zeit, und fehlendes Geld hält ihn nicht von seinem Vorhaben ab. Sowieso, sagt er, hätte er nicht Hunderttausende einsammeln können in einer Zeit, wo viele nicht einmal das Geld für Medizin und Miete zusammenkratzen können. Also wird nicht lange gefackelt, sondern geschrieben, gedreht, geschnitten und ab in die Kinos. Zum Beispiel auf die nächste Berlinale, wohin der Film eingeladen wird.

Foto: Edition Salzgeber

Die Dringlichkeit, mit der in „Buddies“ nicht nur Klerus und Politik, sondern auch den Schwulen ein Spiegel vorgehalten wird, verdankt sich unter anderem einem Erlebnis in einer Frankfurter Schwulendisco. Nach der Vorstellung seines vorhergehenden Films „Abuse“ geht Artie Bressan abends aus, tanzt und flirtet mit einem jungen Mann, küsst ihn, nur um von anderen Schwulen angeherrscht zu werden: „Du bist hier nicht in New York, sondern in Frankfurt, behalte dein Aids und bring es nicht hierher.“ Angst, Hysterie, Selbstbestrafungsphantasien – Bressan weiß, dass er diesen Film schnell und mit durchgedrücktem Rückgrat machen muss. Ergo wird nicht nur mit dem Finger auf andere gezeigt – das zwar auch, aber dann handelt es sich gleich um eine ganze Faust –, sondern es wird auch verhandelt, wie laut und wütend man als schwuler Mann sein darf und soll und muss. Ein Film über Wut und Widerstand, der jedoch keineswegs die persönlichen, individuellen Geschichten seiner Protagonisten vergisst. Berührend etwa, wenn der etwas verklemmte David dem kalifornischen Sonnyboy eine dieser neuen Gerätschaften namens Videorecorder vorbeibringt und sie gemeinsam einen Porno anschauen.

Es wäre völlig unangemessen, „Buddies“ den Kriterien eines x-beliebigen Spielfilms zu unterwerfen. Natürlich merkt man ihm Eile wie Dringlichkeit an, das kleine Budget. Das holpert und stolpert manchmal ganz schön, so einige Dialoge sind Papier und Parole, andere Szenen gewöhnungsbedürftig sentimental. Filmästhetik wie Schauspielleistung schreien ebenfalls nicht gerade nach einem Oscar. Aber was besagt das schon in solcher Ausnahmesituation? Die wird besonders durch die ersten und letzten Bilder sinnfällig: Ein ratternder Nachrichtenticker der unablässig die Namen von an Aids verstorbenen Patienten ausspuckt, vorzugsweise Männer, vorzugsweise blutjung, und noch einer und noch einer und noch einer und noch einer und… Schon damals hat die Wirklichkeit das Filmthema längst überholt: Drei Jahre nach Fertigstellung des Films stirbt sein Regisseur, kurz darauf einer seiner Hauptdarsteller an Aids. Das Beste an diesem Film ist die Tatsache seiner Existenz.

Foto: Edition Salzgeber

„Buddies“ ist in doppelter Hinsicht eine Ikone schwuler Filmgeschichte: Nicht nur ist er der erste Spielfilm zum Thema Aids, er war auch Anlass für die Gründung der „Edition Salzgeber“, die Urzelle des Verleihs, der das Werk nun erneut in einer digitalen 2-K-Restaurierung auf DVD herausbringt. Manfred Salzgeber, damals Leiter der Sektion „Panorama“ der Berlinale und legendärer Förderer queeren Filmschaffens, ertrug es nicht, dass „Buddies“ keinen Verleih fand und gründete kurzerhand selbst einen, auch dies ein Meilenstein schwuler (Film-)Geschichtsschreibung.

Aus seinen Zeitumständen und Produktionsbedingungen heraus betrachtet, ist „Buddies“ ein historisches Dokument erster Güte. Und wenn der Hauptdarsteller in seinem Krankenbett fast erstickt, weil er sich so sehr über sogenannte Christen aufregt, die Aids für eine verdiente Geißel Gottes halten, wird selbst heute noch der Furor geradezu körperlich spürbar, der so manchen Schwulen ergriff, als Präsident Ronald Reagan es 1985 nach jahrelangem Schweigen zum ersten Mal schaffte, das Wort Aids überhaupt über die Lippen zu bringen.




Buddies
von Arthur J. Bressan Jr.
US 1985, 81 Minuten, FSK 12,
englische OF mit deutschen UT,

Edition Salzgeber

Hier auf DVD.

vimeo on demand

VoD (englische OF mit deutschen UT): € 4,90 (Ausleihen) / € 9,90 (Kaufen)

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