Film

Knochen und Namen

Knochen und Namen

Im Dezember in der Queerfilmnacht: Boris und Jonathan sind seit vielen Jahren ein Paar, haben sich aber nicht mehr viel zu sagen. Schauspieler Boris vergräbt sich immer tiefer in die Proben zu einem neuen Film mit der ambitionierten Regisseurin Jeanne und vermischt dabei reale und fiktive Charaktere. Jonathan versucht seine Stimme als Schriftsteller neu zu definieren. Durch die Tage des Ringens um Distanz, Nähe, Vertrauen, Verlangen und Verlustangst geistert Jonathans’ kleine Nichte Josie. Fabian Stumm erzählt in seinem fein gewebtem Langfilmdebüt von der tatsächlichen und möglichen Abwesenheit der Anderen. Cosima Lutz über einen zugleich herzzerreißend traurigen und wahnsinnig komischen Film, bei dem immer, wenn Wahrheit offenbar werden könnte oder tatsächlich offenbar wird, Kaffee ins Spiel kommt.
Punch

Punch

Ein Küstenstädtchen in Neuseeland. Der 17-jährige Jim ist ein großes Boxtalent. Sein Vater trainiert ihn streng, hat selbst aber ein Alkoholproblem. Jim ist sich nicht sicher, wo er eigentlich hin will. Nach der Begegnung mit dem jungen schwulen Māori Whetu lichtet sich der Horizont: Zusammen mit ihm gibt es auf einmal Dinge, für die es sich wirklich zu kämpfen lohnt. Neben Hollywood-Star Tim Roth glänzen die Nachwuchstalente Jordan Oosterhof und Conan Hayes, der selbst Māori-Wurzeln hat, als zwei junge Männer, die sich gegen die auch in Neuseeland noch durchaus gegenwärtige Homophobie behaupten müssen. Christian Horn über einen rauen Film mit gefühlsbetontem Fundament, der aktuell in der Queerfilmnacht zu sehen ist.
Hör auf zu lügen

Hör auf zu lügen

Der erfolgreiche Romanautor Stéphane Belcourt kehrt zum ersten Mal seit Jahrzehnten in seinen Heimatort zurück. Der von allen Seiten hofierte Gast soll eine Rede zum Jubiläum einer lokalen Cognac-Marke halten. Doch nachdem Stéphane den Unternehmensvertreter Lucas als Sohn seiner Jugendliebe Thomas erkannt hat, kann er sich nur noch mühsam auf sein Manuskript konzentrieren. Für Andreas Wilink ist Regisseur Olivier Peyon mit „Hör auf zu lügen“, der Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Philippe Besson, ein tief bewegendes Drama über die erste Liebe und die unaufhebbare Trauer um ein nicht gelebtes Leben gelungen.
Die Höhle

Die Höhle

Abiturient Daniel liest Oscar Wilde und lackiert sich die Fingernägel, was in seiner Schule schon reicht, um als Außenseiter zu gelten. Beim Klassenausflug kommt es zu seinem folgenschweren Zwischenfall: Während einer Nachtwanderung rutschen er und sein schwuler Sportlehrer Adam in eine Felsspalte und finden sich in einer dunklen Höhle wieder. Zusammen müssen sie einen Weg zurück finden. Christian Horn über Roman Němecs „Die Höhle“, der wie ein klassischer Coming-of-Age-Film beginnt und sich bald zu einem emotionalen Survival-Drama wandelt.
Joyland

Joyland

Haider ist der jüngste Sohn in einer pakistanischen Großfamilie. Während seine Frau Mumtaz als Kosmetikerin arbeitet, kümmert er sich um die Nichten und pflegt seinen Vater. Doch ohne Einkommen und Nachwuchs entspricht er nicht den konservativen Vorstellungen seiner Familie. Er fängt als Tänzer in der Show von trans Frau Biba an – vordergründig um selbst Geld zu verdienen, eigentlich aber aus Faszination für die selbstbewusste Künstlerin. Haider verliebt sich in Biba und gerät in ein moralisches Dilemma. Saim Sadiqs Spielfilmdebüt war der erste pakistanische Film, der bei den Filmfestspielen in Cannes gezeigt wurde. Jetzt ist „Joyland“ im Kino zu sehen. Barbara Schweizerhof über einen Liebesfilm, der psychologisch komplex vom Leid erzählt, das die Zwänge und starren Geschlechterrollen einer streng patriarchal organisierten Gesellschaft erzeugen.
Drifter

Drifter

Jetzt im Kino: Moritz ist 22 und gerade von seinem Freund verlassen worden, für den er eigentlich nach Berlin gezogen war. Jetzt probiert er verschiedene Lebensmodelle aus. Er verändert sein Aussehen, taucht ein in die Berliner Partyszene, lebt seine Sehnsüchte und sexuellen Fetische aus, verliert sich aber auch zunehmend in Drogenkonsum und emotionaler Entfremdung. Erst mit Hilfe seiner queeren Freunde findet Moritz heraus, wer er wirklich sein möchte. „Drifter“ ist eine Reise entlang von Einsamkeit, Exzessen und Kinks, stellt Fragen nach schwulen Körperbildern und nicht-heteronormativen (Wahl-)Verwandtschaften. Für sein vielschichtiges Figuren- und Szeneporträt wurde Hannes Hirsch gerade mit dem Nachwuchspreis First Steps ausgezeichnet. Sebastian Markt über einen kühnen Verwandlungsfilm, der sich in leuchtenden Bildern der etablierten Wesensformel der Selbstwerdung verweigert und damit eine dezidiert queere Coming-of-Age-Geschichte erzählt.
Horseplay

Horseplay

Eine Gruppe von Kumpels trifft sich in einer Villa, um für ein paar Tage das Nichtstun zu genießen. Die jungen Männer liegen in der Sonne, kühlen sich im Pool ab, trinken Bier, albern herum. Und sie machen Videos von sich – nackt und in sexuellen Situationen. Doch die offensichtlich homoerotische Anordnung bringt nach und nach immer mehr Abwehr, Homophobie und Gewalt zum Vorschein. Berger ist Spezialist für die filmische Darstellung südamerikanischer Männlichkeit. In „Horseplay“ treibt er seine erotische Formsprache auf die Spitze: Sinnlich fängt die Kamera die Beine, Arme und Torsi der athletischen Figuren ein – bis die Stimmung gefährlich zu kippen beginnt. Christian Horn über ein abgründiges Kammerspiel mit Adonissen, das es jetzt als DVD und VoD gibt.
Hawaii

Hawaii

Ein heißer Sommer, irgendwo in der argentinischen Provinz. Der mittellose Martín, der eben aus Buenos Aires in die Heimat zurückgekehrt ist, begegnet zufällig seinem Sandkastenfreund Eugenio wieder. Der angehende Autor wohnt in einem großzügigen Anwesen mit weitläufigem Garten und bietet Martín einen Job als Assistent an. Schnell beginnt ein Spiel um Zuneigung, Nähe und Körperlichkeit zwischen den beiden jungen Männern. Einseitigkeiten, Ungleichheiten, Schieflagen lädt Marco Berger in seinem dritten Spielfilm „Hawaii“ zu einem komplexen Spiel des Begehrens auf. Sebastian Markt über ein sinnliches Beziehungsdrama, das es jetzt wieder auf DVD und VoD gibt.
Plan B

Plan B

Jetzt neu als DVD und VoD: Bruno wurde vor einiger Zeit von seiner Freundin verlassen, die jetzt mit einem neuen Mann zusammen ist. Alle Versuche, seine Ex zurückzuerobern, scheiterten bisher, doch Bruno lässt nicht locker. Als er herausfindet, dass ihr neuer Freund Pablo bisexuell ist, will er ihn verführen, um ihn dafür später an den Pranger zu stellen. Doch alles kommt anders: Aus der Annäherung aus Kalkül entwickeln sich langsam aber sicher echte Gefühle und eine starke erotische Energie. In seinem ersten Spielfilm erzählt der argentinische Regisseur Marco Berger in sinnlich aufgeladenen Bildern und ohne Kitsch eine moderne Lovestory. Andreas Köhnemann über einen Klassiker des queeren Kinos aus Südamerika, in dem Bergers künstlerisches Markenzeichen, einen homoerotischen Subtext filmisch nach und nach offen zum Vorschein zu bringen, bereits voll ausgeprägt ist.
Nighthawks & Strip Jack Naked

Nighthawks & Strip Jack Naked

Mit „Nighthawks“ haben Ron Peck und Paul Hallam 1978 schwule Filmgeschichte geschrieben: Das Porträt eines ungeouteten Lehrers, der nach Einbruch der Dunkelheit durch die Londoner Gay Clubs cruist, gilt als erster offen schwuler britischer Film überhaupt. In der dokumentarischen Fortsetzung „Strip Jack Naked“ aus dem Jahr 1991 setzte Peck seinem Klassiker in einen persönlichen Kontext: Als junger Mann musste er sich aus einem repressiven familiären Umfeld befreien und von einem tristen Vorort in die aufregende Großstadt London ziehen, um sein Schwulsein leben zu können und als Filmemacher seine politische Stimme zu finden. Beide in Deutschland bisher weitgehend unbekannte Filme gibt es jetzt auf DVD und als VoD. Andreas Wilink über ein faszinierendes Doppel, das nicht nur ein Schlaglicht auf die homophobe britische Gesellschaft der vergangenen Jahrzehnte wirft, sondern auch eine beeindruckende Emanzipationsgeschichte erzählt.