Frauenbande

Before Stonewall (1984)

Before Stonewall (1984)

Die Pride Season ist aktuell im vollen Gange, in Berlin wird am Samstag CSD gefeiert. Wie es zu dem jährlich begangenen Fest- und Demonstrationstag kam, darum geht es in unserem queeren Filmklassiker der Woche. Greta Schiller und Robert Rosenberg erzählen in „Before Stonewall“ vom Leben und Alltag queerer US-Amerikaner:innen vor jener berühmten Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969, als sich in der New Yorker Christopher Street eine Gruppe Homosexueller und trans Personen entschlossen der Polizei widersetzte, die eigentlich die Szenebar Stonewall-Inn räumen wollte. Der Aufstand und die sich anschließenden Unruhen und Demonstrationen in den folgenden Tagen gelten als Urknall besonders eines lesbisch-schwulen Selbstbewusstseins – und als Wendepunkt im Kampf um Anerkennung und Gleichstellung. Schillers und Rosenbergs Films ist reich an seltenem Archivmaterial und enthält neben Interviews mit Allen Ginsberg und Audre Lorde vor allem Berichte und Anekdoten von Schwulen und Lesben aus der breiten Bevölkerung. Matthias Frings über die historische Bedeutung von „Before Stonewall“, den Manfred Salzgeber den „Kochbuchfilm zu unserer Geschichte“ nannte.
Love Lies Bleeding

Love Lies Bleeding

Lou lebt in einem Kaff in New Mexico, managt ein Fitnessstudio und leidet an ihrer dsyfunktionalen Familie. Als die ehrgeizige Bodybuilderin Jackie auf dem Weg nach Las Vegas durch den Ort kommt, ist sie sofort entflammt. Doch die Amour fou zwischen den beiden Frauen wird in der Kleinstadt zur Projektionsfläche für Hass und Gewalt. In ihrem zweiten Film dekonstruiert die britischen Regisseurin Rose Glass gängige Geschlechter- und Genreklischees mit viel Lust auf schwarzen Humor und Sinn für Sleaze. „Love Lies Bleeding“ ist eine queer-feministische Thriller-Romanze und Tomboy-Kino erster Güte. Andreas Köhnemann nutzt seine Besprechung für einen Liebesbrief an Hauptdarstellerin Kristen Stewart, die spätestens jetzt als queere Filmikone gelten darf.
Priscilla – Königin der Wüste (1994)

Priscilla – Königin der Wüste (1994)

Auf dem Weg zu einem vielversprechenden Job reisen drei Dagqueens in einem aussortierten Reisebus durch halb Australien, von Sydney nach Alice Springs, und haben dabei trotz diverser Anfeindungen die Zeit ihres Lebens. Stephan Elliotts Roadmovie „Priscilla – Königin der Wüste“ avancierte 1994 zu einem der erfolgreichsten Filme der australischen Filmgeschichte und gilt längst als Kult. Axel Schock über ein bahnbrechendes Wüstenabenteuer, das sehr viel Staub aufwirbelt, aber auch nach 30 Jahren keineswegs verstaubt ist.
Gesang der Meerjungfrauen (1987)

Gesang der Meerjungfrauen (1987)

Bei seiner Premiere in Cannes im Jahr 1987 wurde „Gesang der Meerjungfrauen“ als Entdeckung gefeiert. Heute gilt Patricia Rozemas bittersüße Komödie als einer der zentralen kanadischen Filme der 1980er Jahre – und als Klassiker des lesbischen Kinos. Die skurrile und höchst liebenswürdige Hauptfigur Polly träumt sich in Toronto durch die Tage und verliebt sich auf ganze eigene Weise in ihre neue Chefin, die Galeriebesitzerin und Kuratorin Gabrielle. Anja Kümmel ist vor allem von der modernen Selbstverständlichkeit beeindruckt, mit der lesbische Liebe und queere Lebensentwürfe in den Plot eingeflochten werden und die Identitätsfrage gar nicht erst gestellt wird.
Die Geierwally (1987)

Die Geierwally (1987)

Walter „Wally“ Bockmayer (1948-2014) war Regisseur, Theatermacher und Zeremonienmeister eines queeren Künstler:innen-Hofstaat in Köln, mit dem er eine Sternestunde des guten schlechten Geschmacks nach der nächsten zündete. Sein zügellosestes Werk ist die Parodie auf Wilhelmine von Hillerns Heimatroman „Die Geier-Wally“ (1873) und dessen traditionelle Verfilmungen aus den Jahren 1921, 1940, 1956 und 1967: Geierwally, durch den erbitterten Kampf mit einem Greifvogel zu ihrem Namen gekommen, weigert sich, den ihr vom Vater zugeteilten Erbschleicher Vinzenz zu heiraten und lebt zurückgezogen in einer Berghütte. Ihre Liebe zum Bärenjosef erscheint aussichtslos, zumal dieser von Wally Liebe nichts weiß. Um sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien, greift Wally zu drastischen Mitteln. Andreas Wilink erinnert sich an Walter Bockmayer als einen übermütig juchzenden und durchgedrehten Revoluzzer gegen Normen und Restriktionen – und stattet der Geierwally auf ihrer Alm einen ehrerbietungsvollen Besuch ab.
Die Freundin meiner Freundin

Die Freundin meiner Freundin

Zaida ist Mitte 30, lebt aber so, als wäre sie noch Anfang 20. Die Nachwuchsregisseurin und Content Creatorin träumt sich durch den Tag, ist verliebt in die Liebe und ständig auf der Suche, ohne genau zu wissen wonach. Als sie frisch getrennt zurück nach Barcelona kommt, steigt sie etwas ratlos, aber voller Leidenschaft in das Liebeskarussell ihrer Freundinnen-Clique ein. Für ihren eloquenten Debütfilm „Die Freundin meiner Freundin“, der im Mai in der Queerfilmnacht zu sehen ist, schöpft Regisseurin und Hauptdarstellerin Zaida Carmona aus ihrem eigenen Bohemien-Leben. Ihr lesbisches Figurenensemble setzt sie in knallbunten Interieurs, mit verspielten Dialogen und französischen Chansons zu einer smarten Rom-Com zusammen, die unmissverständlich vom Beziehungskino Éric Rohmers inspiriert ist. Anne Küper über eine hinreißende lesbische Überschreibung der Filmgeschichte.
Teaches of Peaches

Teaches of Peaches

„Suckin’ on my titties like you wanted me!“ Seit über zwei Jahrzehnten singt und performt die kanadische Musikerin, Produzentin und Regisseurin Peaches gegen Genderstereotypen an, stellt soziale Normen infrage und dekonstruiert patriarchale Machtstrukturen. Philipp Fussenegger und Judy Landkammer haben der nicht-heteronormativen Künstlerin par excellence nun einen Dokumentarfilm gewidmet. Mit Hilfe von noch nie veröffentlichtem Archivmaterial und neuen Interviews mit ihr und früheren Weggefährt:innen wie Chilly Gonzales und Leslie Feist zeichnen sie Peaches’ künstlerische Entwicklung von der Nachwuchsmusikerin in Toronto bis zu vor allem in queer-feministischen Kreisen gefeierten Electroclash-Ikone in Berlin nach. Der Film gibt zudem intime Einblicke in Peaches’ „The Teaches of Peaches Anniversary Tour“ – von der Ideenfindung für die Bühnenshow über die Proben bis hin zu den intensiven Live-Shows. Noemi Yoko Molitor geht bei Peaches gerne zur Schule.
Ghosted

Ghosted

Seit ihrer Arbeit an „Den Tigerfrauen wachsen Flügel“ (2005) verbindet Monika Treut eine enge Beziehung zu Taiwan. Angeregt von der rasanten gesellschaftlichen Entwicklung des Landes und der Mischung aus hochtechnologischer Gesellschaft und alter chinesischer Kultur entstand ihre Idee für „Ghosted“ (2009). Ihre Geschichte über Liebe, Verlust und kulturelle Differenzen erzählt sie über eine Struktur, die zwischen Vergangenheit und Gegenwart fließt. Besonders inspiriert haben sie dabei die chinesischen Geistermythen, die vor allem den traditionell unterdrückten Frauen ungeahnte Freiheiten gewähren. In dieser Zwischenwelt werden sie zu erotischen, wagemutigen und zielstrebigen Wesen, die endlich ihren eigenen Wünschen folgen und so auch einen Weg finden, sich zu rächen. Anlässlich der Monika-Treut-Retro im Salzgeber Club, in der auch Monikas dritter Taiwan-Film „Made in Taiwan“ (2005) zu sehen ist, hat sich Angelika Nguyen mit „Ghosted“ auf Entdeckungsreise begeben.
Verführung: Die grausame Frau (1985)

Verführung: Die grausame Frau (1985)

In den nächsten zwei Jahren setzt die sissy einen besonderen Schwerpunkt auf die Klassiker des queeren Kinos – also auf nicht-heteronormative Filme, die auf die eine oder andere Weise bahnbrechend waren. Den Auftakt macht der Debütfilm von Monika Treut, das sadomasochistische Liebesdrama „Verführung: Die grausame Frau“, das Monika zusammen mit ihrer Freundin Elfi Mikesch sowie mit Mechthild Grossmann und Udo Kier in den Hauptrollen drehte. „Verführung“ erzählt von der geheimnisvollen Domina und cleveren Geschäftsfrau Wanda, deren Beruf es ist, grausam zu sein. In ihrer Galerie im Hamburger Hafen inszeniert sie gewinnbringend SM-Rituale, und auch in ihrem Privatleben bestimmt sie die Spielregeln der Lust. Ihr sklavischer Bühnenpartner Gregor verliebt sich hoffnungslos in sie, während ihre Schülerin Justine irgendwann begreift, dass Wandas Verführung ein teuflisch raffiniertes Spiel ist. Anja Kümmel feiert „Verführung“ als avantgardistische Perle des queeren Indie-Kinos, deren düster-unterkühlten Camp-Ästhetik eine ganz eigene Sinnlichkeit und Sogwirkung entfaltet und en passant die Warenförmigkeit von romantischer Liebe in Verbindung mit neoliberalen Freiheitsversprechen dekonstruiert.
Didn’t Do It For Love

Didn’t Do It For Love

Zu Monika Treuts 40. Arbeitsjubiläum ist im Salzgeber Club jetzt eine umfangreiche Retrospektive mit 12 Filmen der Regisseurin zu sehen, inklusive zahlreicher VoD-Premieren, etwa des Kurzfilmprogramms „Female Misbehavior“ und der Taiwan-Filme „Den Tigerfrauen wachsen Flügel“, „Made in Taiwan“ und „Das Rohe und das Gekochte“. Monikas bahnbrechender Debütfilm „Verführung: Die grausame Frau“ (Co-Regie: Elfi Mikesch), der aktuell auch in der Queerfilmnacht läuft, sowie Klassiker wie „Die Jungfrauenmaschine“ oder „Gendernauts“ fehlen ebenso wenig wie ihr bislang jüngster Film „Genderation“. Ein besonderes Juwel ist der selten gezeigte Dokumentarfilm „Didn’t Do It for Love“ über die New Yorker Domina und S/M-Pädagogin Eva Norvind. Theresa Rodewald über ein Porträt, das seiner faszinierenden Protagonistin unglaublich nah kommt, gerade weil es Widersprüche zulässt.