Frauenbande

Desert Hearts (1985)

Desert Hearts (1985)

Reno in Nevada, 1959. Die New Yorker Literaturprofessorin Vivian kommt ins Mekka der Spieler:innen und Scheidungswilligen, um sich nach zwölf Jahren erlebnisarmer Ehe offiziell von ihrem Mann zu trennen, und checkt in der „Divorce Ranch“ ein. Dort lernt sie die sexuell umtriebige Cay kennen, die tagsüber auf der Ranch töpfert und abends im Spielcasino arbeitet. Zwischen den ungleichen Frauen entwickelt sich eine leidenschaftliche Romanze, die für beide einen Neubeginn bedeuten könnte. Donna Deitch Liebesdrama „Desert Hearts“ war 1985 für das queere Kino bahnbrechend, weil es Lesbischsein nicht als Sensation oder gar etwas Anrüchiges, sondern nahezu als Normalität darstellte. Endlich gab es da ein weibliches Liebespaar auf der Leinwand, mit dem die Zuschauer:innen richtig mitfühlen konnten! Für Arabella Wintermayr ist die Bedeutung von „Desert Hearts“ für das lesbische Kino kaum zu überschätzen.
Chuck Chuck Baby

Chuck Chuck Baby

Helen ist Ende 30, Single und arbeitet in einer Hühnerfabrik in einem Städtchen in Wales. Ihr trister Alltag wird aufgewirbelt, als plötzlich ihr lange verschollener Jugendschwarm Joanne wieder auftaucht. Die Freundinnen von früher lernen sich noch einmal neu kennen und lassen sich auf einen Flirt ein. Und auf einen Schlag ist Helens alte Lebensfreude wieder da! Mit Witz, überwältigendem Working-Class-Charme und ganz viel Zuneigung für die Figuren erzählt Janis Pugh in „Chuck Chuck Baby“ eine Geschichte über Liebe, weibliche Selbstermächtigung und die Kraft der Gemeinschaft. Barbara Schweizerhof über ein mitreißendes Jukebox-Musical und rebellisches Arbeiter:innnen-Drama mit dem Herz am richtigen Fleck.
Paris Was a Woman (1996)

Paris Was a Woman (1996)

Greta Schiller ist eine der großen Pionierinnen des queeren Dokumentarfilms. Mit „Before Stonewall“ (1984) setzte sie dem Leben lesbischer und schwuler US-Amerikaner:innen vor den bahnbrechenden Stonewall-Riots im Jahr 1969 ein filmisches Denkmal. Mit ihrer eigenen Produktionsfirma Jezebel Productions und an der Seite ihrer künstlerischen Mitstreiterin und Partnerin Andrea Weiss folgten in den nächsten 40 Jahren zahlreiche preisgekrönte Filme zu unserer Kultur und Geschichte. In wenigen Tagen wird Schiller 70, und für die sissy ist das ein perfekter Anlass, um an einen weiteren ihrer Filmklassiker zu erinnern: das vielschichtige Orts- und Gruppenporträt „Paris Was a Woman“. Der Film fängt das Lebensgefühl von feministischen Pionierinnen wie Colette, Djuna Barnes und Gertrude Stein ein, die es zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Paris zog, weil sie dort eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten fanden und künstlerisch wie persönlich neue Wege gehen konnten. Anja Kümmel über ein Zeitdokument, das von der historischen Eroberung einer Metropole als weiblichem Entfaltungsraum erzählt.
Emilia Pérez

Emilia Pérez

Seit „Emilia Pérez“ im Mai Weltpremiere in Cannes feierte und gleich doppelt ausgezeichnet wurde, gehen die Meinungen über den Film weit auseinander. Für die einen ist Jacques Audiards Musical-Thriller-Melodram über die Führungsfigur eines mexikanischen Drogenkartells, die sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzieht, um zu ihrem wahren Selbst zu finden, aber auch um den Fahndern zu entgehen, größte Filmkunst; für andere hat der Film in Bezug auf die Darstellung der Lebensrealitäten von trans Menschen und der mexikanischen Kultur- und Sozialgeschichte massive Perspektivenprobleme. Für Arabella Wintermayr ist „Emilia Pérez“ ein schrilles Wagnis, das seine eigene Künstlichkeit stetig ausstellt und nur funktioniert, wenn man es als überzeichnete Groteske versteht, die an realistischer Repräsentation überhaupt nicht interessiert ist.
Water Lilies (2007)

Water Lilies (2007)

In einem Vorort von Paris begleitet die 15-Jährige Marie ihre beste Freundin Anne zum Synchronschwimmen und verliebt sich prompt in den Star der Gruppe, die betörende Floriane. Anne wiederum ist in den Wasserballer François verknallt, der seinerseits für Floriane schwärmt. Zwischen der prickelnden Kühle eines Schwimmbads und der lauen Schwüle langer Sommernächte entwirft Céline Sciamma („Porträt einer jungen Frau in Flammen“, „Petite Maman“) in ihrem Debütfilm ein dichtes Coming-of-Age-Drama um Freundschaft, erwachende Sexualität und die erste große Liebe, in dem die junge Adèle Haenel in der Hauptrolle glänzt. Für Anne Küper zeichnet „Water Lillies“ besonders aus, dass er Geschlechter- und Körperbilder auf der Augenhöhe seiner jugendlichen Heldinnen verhandelt, mit denen zusammen wir für die Dauer des Films kämpfen, scheitern, und schmachten dürfen – und dem nachspüren, was wir manchmal gerne sagen würden, aber uns aus Angst vor Zurückweisung nicht trauen.
Fremde Haut (2005)

Fremde Haut (2005)

In ihrem Heimatland droht der jungen iranischen Übersetzerin Fariba die Todesstrafe, weil ihr Verhältnis zu einer verheirateten Frau bekannt geworden ist. Sie flieht und schafft es bis nach Deutschland. Doch dort wird ihr Asylantrag abgelehnt. Um im fremden Land zu überleben, nimmt sie die Identität eines des jungen Iraners Siamak an, spricht wie ein Mann, gibt sich wie ein Mann. Als sie sich in ihre attraktive Arbeitskollegin Anne verliebt, riskiert Fariba ihre Tarnung. In „Fremde Haut“, den es jetzt in digital restaurierter Fassung als DVD und VoD gibt, erzählt Angelina Maccarone mit großem Feingefühl von Entwurzelung und der Sehnsucht nach Identität in einem anderen Land, einer anderen Kultur, einer neuen Liebe. Jasmin Tabatabais Darstellung einer mutigen Frau mit dem unbeugsamen Willen, ihren Platz im Leben zu finden, geht auch knapp 20 Jahre nach der Premiere tief unter die Haut. Arabella Wintermayr über einen Film, der sichtbar macht, was sonst im Verborgenen bleibt, und der das queere Kino um eine selten beleuchtete Facette bereichert.
Light Light Light

Light Light Light

Inari Niemi erzählt in „Light Light Light“ von zwei Mädchen, die sich in der finnischen Provinz des Jahres 1986 und im Schatten der Atomkatastrophe von Tschernobyl ineinander verlieben. Voller bittersüßer Melancholie und mit lichtdurchfluteten Bildern zeigt der berührende Coming-of-Age-Film das Heranwachsen in einer Zeit der abstrakten Bedrohung und sozialen Kluften. Theresa Rodewald ist vor allem von der erfrischenden Selbstverständlichkeit begeistert, mit der sich die beiden Hauptfiguren finden und füreinander da sind.
The Room Next Door

The Room Next Door

In dem ersten Langfilm, den Pedro Almodóvar nicht in seiner Heimat und nicht auf Spanisch gedreht hat, spielen Tilda Swinton und Julianne Moore zwei Jugendfreundinnen, die sich nach vielen Jahren ohne Kontakt kurz vor dem Tod der einen wiederbegegnen und zu engsten Begleiterinnen voneinander werden. Jetzt ist „The Room Next Door“, für den der Altmeister mit dem Goldenen Löwen von Venedig ausgezeichnet wurde und bereits für die Oscars gehandelt wird, im Kino zu sehen. Für Andreas Wilink ist das Melodram Almodóvars bisher leisester und innigster Film – und das virtuose Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen ein Geschenk an die Zuschauer:innen.
Tandem – In welcher Sprache träumst du?

Tandem – In welcher Sprache träumst du?

Die 17–jährige Französin Fanny reist zum ersten Mal nach Deutschland. Bei ihrer Brieffreundin Lena in Leipzig will sie die Sprache der Nachbarn lernen. Fanny ist schüchtern und noch auf der Suche nach sich selbst, Lena hingegen weiß schon ziemlich genau, wo sie hin will, und engagiert sich als Ökoaktivistin. Nach einem holprigen Start werden die beiden Teenager schnell enge Freundinnen. Fanny will Lena unbedingt gefallen – und hat auch kein Problem damit, mit ihrer eigenen Biografie kreativ umzugehen. Mit einem raffinierten Drehbuch, zwei fabelhaften Newcomerinnen und magischen Kinobildern begibt sich „Tandem – In welche Sprache träumst du?“ nicht nur auf die Suche nach einer Sprache der Wahrheit, sondern auch nach einer Sprache der Liebe. Für Barbara Schweizerhof ist Claire Burgers romantischer Freundinnenfilm zugleich ein großartiges Generationenporträt.
Mädchen in Uniform (1931)

Mädchen in Uniform (1931)

„Mädchen in Uniform“ von Leontine Sagan gilt als erster Film der Filmgeschichte, der lesbische Liebe offen thematisierte. Das Drama über die Internatsschülerin Manuela, die innige Gefühle für ihre gutherzige Lehrerin Fräulein von Bernburg entwickelt, erinnert an den repressiven Wahn des preußischen Erziehungssystems und dessen zerstörerische Folgen. Beatrice Behn über einen bahnbrechenden und komplexen Film, der am Ende jedoch zwei Dinge voneinander trennt, die besser zusammengedacht werden sollten.