Dark Room

Hustler White (1996)

Hustler White (1996)

Inspiriert von „Sunset Boulevard“, „Tod in Venedig“ und den Sexfilmen Andy Warhols erzählt „Hustler White“ selbstreflexiv und verspielt von einem blasierten Schriftsteller, der sich auf „Recherchereise“ in die Stricherszene von Los Angeles begibt und sich on location prompt verliebt. Mit festem Blick auf Authentizität haben Bruce LaBruce und Rick Castro ihre romantisch Sex-Komödie an Originalschauplätzen auf dem Santa Monica Boulevard gedreht. Philipp Stadelmaier über einen Klassiker des schwulen Stricherkinos, dessen queerer Referenzenreigen auch knapp 30 Jahren nach seiner Uraufführung noch herrlich explizit funkelt.
Kamikaze Hearts (1986)

Kamikaze Hearts (1986)

In Juliet Bashores Filmklassiker „Kamikaze Hearts“ verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion: Jungregisseurin Tigr versucht im San Francisco der 1980er in der Pornoindustrie Fuß zu fassen. In ihrem neuen Film spielt ihre erfahrene Partnerin Mitch die Hauptrolle. Zwischen toxischen Produzenten und Drogenexzessen versuchen sie sich als Geliebte nicht zu verlieren. Tigr und Mitch waren wirklich ein Paar und arbeiteten zusammen in der Pornoindustrie; im Film wechseln sich gespielte Szenen mit dokumentarischen Beobachtungen ab. So entsteht ein schonungsloses Branchenporträt, aber auch ein erstaunlich sexpositiver Film über ein leidenschaftliches Paar, das treffsicher die umtriebige und ungezähmte Lesbenszene in San Francisco jener Jahre verkörpert. Beim Queerfilmfestival, das am Donnerstag startet, kehrt „Kamikaze Hearts“ knapp 40 Jahre nach seiner Entstehung in restaurierter Fassung auf die große Leinwand zurück. Manuela Kay über einen Film, der sich alle Freiheiten nimmt.
Blue (1993)

Blue (1993)

Keine Handlung, keine Darsteller:innen, keine bewegten Bilder – sondern nur hypnotisches, statisches, strahlendes Blau. Mit „Blue“, einer durchkomponierten Montage aus Stimmen, Klängen und Geräuschen, lieferte Jarman wenige Monate vor seinem aidsbedingten Tod 1993 eine Bilanz seiner letzten Jahre und eine intime, wütende, poetische Auseinandersetzung mit seiner Erkrankung. Es ist ein in jeder Hinsicht finales und herausforderndes Werk, das für Zuschauer:innen zu einer gleichsam aufwühlenden wie sinnlichen Erfahrung werden kann. Zur exklusiven Erstveröffentlichung des Films in Deutschland als VoD im Salzgeber Club wirft Axel Schock einen Blick zurück auf Jarmans persönlichsten Film. Und er erinnert auch an Jarmans Förderer in Deutschland, Manfred Salzgeber, der als Festivalmacher und Filmverleiher das Werk des Regisseurs in die deutschen Kinos gebracht hat – und dessen Tod sich am 12. August zum 30. Mal jährt.
Lose Your Head

Lose Your Head

Der Spanier Luis reist nach Berlin, um sich mit Partys, Drogen und schnellem Sex von der Trennung von seinem Ex abzulenken. Dort wird er mit dem griechischen Studenten Dimitri verwechselt, der seit Wochen verschwunden ist. Nach einer durchfeierten Nacht verknallt er sich in den mysteriösen Ukrainer Viktor, der irgendetwas mit Dimitris Verschwinden zu tun hat. Was wie ein ausgelassenes Abenteuer beginnt, entwickelt sich zu einer atemlosen Hetzjagd, bei der Luis droht, seinen Kopf zu verlieren. Patrick Schuckmann und Stefan Westerwelle nutzten in „Lose Your Head“ die Berliner Partyszene der 2010er Jahre als Hintergrund für einen intensiven Psychothriller, in dem die Grenzen zwischen Traum, Wirklichkeit und Paranoia immer mehr verschwimmen. Jetzt gibt es den Film im Salzgeber Club zu sehen. Jochen Werner über ein atmosphärisches Vexierspiel aus Nachtbildern und Clublichtern, in dem eine Figur beim Versuch die Stadt zu umarmen seine Souveränität als Individuum aufs Spiel setzt.
Love Is the Devil (1998)

Love Is the Devil (1998)

London 1963. George Dyer landet bei einem Einbruch versehentlich im Atelier von Francis Bacon. Der Künstler lässt den Gauner gewähren – wenn der sich zuerst zu ihm ins Bett legt. Ob sich die beiden wirklich so kennengelernt haben, ist nicht verbürgt, wohl aber die Liebesbeziehung, die der Maler und der Kriminelle über mehrere Jahre führten. Mit seinen hingebungsvoll aufspielenden Darstellern Daniel Craig und Derek Jacobi entwirft Regisseur Ray Maybury ein abgründiges Paarporträt, in dem zwar keine Gemälde von Francis Bacon auftauchen, das aber dessen düstere, fragmentierte und verspiegelte Bilderwelten filmisch kongenial übersetzt. Fritz Göttler über einen schwulen Liebesfilm von seltener Direktheit und Zärtlichkeit.
Verführung: Die grausame Frau (1985)

Verführung: Die grausame Frau (1985)

In den nächsten zwei Jahren setzt die sissy einen besonderen Schwerpunkt auf die Klassiker des queeren Kinos – also auf nicht-heteronormative Filme, die auf die eine oder andere Weise bahnbrechend waren. Den Auftakt macht der Debütfilm von Monika Treut, das sadomasochistische Liebesdrama „Verführung: Die grausame Frau“, das Monika zusammen mit ihrer Freundin Elfi Mikesch sowie mit Mechthild Grossmann und Udo Kier in den Hauptrollen drehte. „Verführung“ erzählt von der geheimnisvollen Domina und cleveren Geschäftsfrau Wanda, deren Beruf es ist, grausam zu sein. In ihrer Galerie im Hamburger Hafen inszeniert sie gewinnbringend SM-Rituale, und auch in ihrem Privatleben bestimmt sie die Spielregeln der Lust. Ihr sklavischer Bühnenpartner Gregor verliebt sich hoffnungslos in sie, während ihre Schülerin Justine irgendwann begreift, dass Wandas Verführung ein teuflisch raffiniertes Spiel ist. Anja Kümmel feiert „Verführung“ als avantgardistische Perle des queeren Indie-Kinos, deren düster-unterkühlten Camp-Ästhetik eine ganz eigene Sinnlichkeit und Sogwirkung entfaltet und en passant die Warenförmigkeit von romantischer Liebe in Verbindung mit neoliberalen Freiheitsversprechen dekonstruiert.
Didn’t Do It For Love

Didn’t Do It For Love

Zu Monika Treuts 40. Arbeitsjubiläum ist im Salzgeber Club jetzt eine umfangreiche Retrospektive mit 12 Filmen der Regisseurin zu sehen, inklusive zahlreicher VoD-Premieren, etwa des Kurzfilmprogramms „Female Misbehavior“ und der Taiwan-Filme „Den Tigerfrauen wachsen Flügel“, „Made in Taiwan“ und „Das Rohe und das Gekochte“. Monikas bahnbrechender Debütfilm „Verführung: Die grausame Frau“ (Co-Regie: Elfi Mikesch), der aktuell auch in der Queerfilmnacht läuft, sowie Klassiker wie „Die Jungfrauenmaschine“ oder „Gendernauts“ fehlen ebenso wenig wie ihr bislang jüngster Film „Genderation“. Ein besonderes Juwel ist der selten gezeigte Dokumentarfilm „Didn’t Do It for Love“ über die New Yorker Domina und S/M-Pädagogin Eva Norvind. Theresa Rodewald über ein Porträt, das seiner faszinierenden Protagonistin unglaublich nah kommt, gerade weil es Widersprüche zulässt.
Die Spur deiner Lippen

Die Spur deiner Lippen

Eine namenlose Pandemie versetzt ganz Mexiko in einen Lockdown. B-Movie-Schauspieler Román sitzt alleine in seinem Apartment fest. Auf der anderen Straßenseite wohnt Aldo. Die beiden lernen sich online kennen, sie können miteinander reden und sich über Videochats sehen, aber sie können sich nicht berühren. Doch die Sehnsucht, die Lippen des anderen zu spüren, wird immer größer. In seinem neuen Spielfilm zeigt der zweifache Teddy-Preisträger Julián Hernández („Mil Nubes – Liebessehnsucht“, „Raging Sun, Raging Sky“), wie Begehren und Lust gerade im Moment von Einsamkeit und Isolation ins Unermessliche wachsen können. „Die Spur deiner Lippen“ spiegelt dabei nicht nur die sexuellen Erfahrungen von alleinlebenden Menschen während der Covid-Pandemie, sondern auch die Tabuisierung von schwuler Lust während der Aids-Epidemie. Christian Lütjens über eine vielschichtige, erotische Parabel, die die Eigendynamik von Fantasien und Sehnsüchten im Angesicht einer unberechenbaren Weltlage mit ganz eigenen Stilmitteln verhandelt.
Punch

Punch

Ein Küstenstädtchen in Neuseeland. Der 17-jährige Jim ist ein großes Boxtalent. Sein Vater trainiert ihn streng, hat selbst aber ein Alkoholproblem. Jim ist sich nicht sicher, wo er eigentlich hin will. Nach der Begegnung mit dem jungen schwulen Māori Whetu lichtet sich der Horizont: Zusammen mit ihm gibt es auf einmal Dinge, für die es sich wirklich zu kämpfen lohnt. Neben Hollywood-Star Tim Roth glänzen die Nachwuchstalente Jordan Oosterhof und Conan Hayes, der selbst Māori-Wurzeln hat, als zwei junge Männer, die sich gegen die auch in Neuseeland noch durchaus gegenwärtige Homophobie behaupten müssen. Christian Horn über einen rauen Film mit gefühlsbetontem Fundament, der aktuell in der Queerfilmnacht zu sehen ist.
Die Höhle

Die Höhle

Abiturient Daniel liest Oscar Wilde und lackiert sich die Fingernägel, was in seiner Schule schon reicht, um als Außenseiter zu gelten. Beim Klassenausflug kommt es zu seinem folgenschweren Zwischenfall: Während einer Nachtwanderung rutschen er und sein schwuler Sportlehrer Adam in eine Felsspalte und finden sich in einer dunklen Höhle wieder. Zusammen müssen sie einen Weg zurück finden. Christian Horn über Roman Němecs „Die Höhle“, der wie ein klassischer Coming-of-Age-Film beginnt und sich bald zu einem emotionalen Survival-Drama wandelt.