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Anders als die Andern (1919)

Anders als die Andern (1919)

Im Jahr 2019 tat sich der Sexualforscher Magnus Hirschfeld mit dem Regisseur und Produzenten Richard Oswald zusammen, um einen Stummfilm zu konzipieren, der sich mit dem Homosexuellenparagrafen §175 beschäftigen sollte. Heraus kam mit „Anders als die Andern“ der erste schwule Kinofilm überhaupt, er wurde zu einem riesigen Erfolg. Doch schon bald fiel die tragische Liebes- und Erpressungsgeschichte um zwei Geigenspieler der Zensur zum Opfer, die meisten Filmkopien wurden vernichtet. Mittlerweile existiert wieder eine mühsam rekonstruierte Fassung. Matthias Frings über die „Mutter aller schwulen Filme“.
Blindgänger

Blindgänger

In Hamburg führt der Fund eines Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg auch zum zwischenmenschlichen Ausnahmezustand. Während Anwohner:innen und das Team des Räumkommandos mit Ängsten und Traumata hadern, entwickeln sich im Chaos zarte Momente der Nähe. „Blindgänger“ von Kerstin Polte ist eine gesellschaftliche Momentaufnahme, die sanft von der Sehnsucht nach Zugehörigkeit erzählt. Ein Film über Menschen, die straucheln und stürzen; die sich verletzen und sich dennoch gegenseitig helfen. Unsere Autorin Barbara Schweizerhof ist beeindruckt: Polte gelinge es, „ihren Plot wunderbar organisch erscheinen zu lassen.“ Im Mai ist der Film in der Queerfilmnacht zu sehen.
Klandestin

Klandestin

Für ihren schwulen britischen Künstlerfreund versteckt eine rechtskonservative Politikerin in Frankfurt einen Geflüchteten aus Marokko in ihrer Wohnung, ihre Assistentin soll kulturell vermitteln. Angelina Maccarone nähert sich dem großen Thema Migration in ihrem neuen Thriller „Klandestin“ aus vier Perspektiven und lässt die Sehnsucht nach persönlichem Glück kühl mit politischen Realitäten kollidieren. Christian Horn über ein filmisches Gedankenkonstrukt, das vor allem im Finale große Kraft findet.
Die Konsequenz (1977)

Die Konsequenz (1977)

Wolfgang Petersens kontroverse Verfilmung des autobiografischen Romans von Alexander Ziegler mit Jürgen Prochnow und Ernst Hannawald in den Hauptrollen wurde 1978 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Im Jahr zuvor hatte der Bayerische Rundfunk die Ausstrahlung in der ARD noch boykottiert. „Die Konsequenz“ erzählt die Geschichte des Schauspielers Martin, der sich im Gefängnis in Thomas, den Sohn eines Aufsehers verliebt. Nach Martins Entlassung ziehen die beiden zusammen, Thomas Eltern erzwingen daraufhin dessen Einweisung in eine Erziehungsanstalt. Martin muss miterleben, wie der sensible junge Mann dort mehr und mehr zerbricht. Andreas Wilink über einen Film, der die düstere gesellschaftliche Realität für schwule Männer Ende der 70er nachbildet – und teilweise noch immer aktuell ist.
Gotteskinder

Gotteskinder

Hannah und ihr Bruder Timotheus leben mit ihren streng gläubigen Eltern in einer hessischen Vorstadtsiedlung und sind Mitglieder einer evangelikalen Freikirche. Hannah hat ein Keuschheitsgelübde abgelegt, doch als sie sich in den neuen, coolen Nachbarsjungen Max verliebt, geraten ihre Überzeugungen ins Wanken. Derweil ringt Timotheus mit seiner sexuellen Identität: Nachdem er sich in seinen besten Freund Jonas verliebt hat, sucht er verzweifelt nach „Heilung“, weil er glaubt, dass Homosexualität Sünde sei. Regisseurin Frauke Lodders hat für ihren Film „Gotteskinder“ intensiv auf Jesus-Feiern und zum Thema „Konversionstherapien“ recherchiert. Fabian Schäfer über ein schockierenden (Not-)Coming-of-Age-Drama, das die verherenden Folgen von religiösem Fundamentalismus in Deutschland beleuchtet.
Coming Out (1989)

Coming Out (1989)

„Coming Out“ von Heiner Carow war der erste Film der DDR, der Homosexualität prominent thematisierte. Es sollte auch der letzte sein: Ihre Premiere hatte die DEFA-Produktion am 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls, im Berliner Kino International. Der Film erzählt die Geschichte des jungen Lehrers Matthias, der eigentlich mit seiner Kollegin Tanja zusammen ist, aber doch ein anderes Begehren spürt. Eines Abends landet er in einer Schwulenkneipe und lernt Matthias kennen, mit dem er eine zaghafte Beziehung beginnt. Allmählich versteht Matthias, wer er ist und wen er liebt. Mit zwölf Schlaglichtern auf die Entstehung und den besonderen Zauber von „Coming Out“ erinnert Carolin Weidner an einen im wahrsten Sinne bahnbrechenden Klassiker des queeren Kinos.
Die feige Schönheit

Die feige Schönheit

Kesse (they/them) und May (she/her) sind frisch verliebt und verbringen jede freie Minute mit ihrer queeren Skatercrew auf den Boards. Doch dann passiert etwas Schreckliches, das alles verändert. Ausgeschlossen von der Gemeinschaft, sucht Kesse nach einem Umgang mit their Schuld und einen Weg zurück in den Alltag. DFFB-Absolvent Moritz Krämer drehte seinen zweiten Spielfilm an Originalschauplätzen und mit zahlreichen Laien aus der Berliner queer femme Skatercrew VUM; und er verwendete sogar einige selbstgedrehte Videos von VUM. „Die feige Schönheit“ wird so zu einem authentischen Community-Porträt, ist zugleich aber auch eine freie Reflektion von Verlust, Trauer und Vergebung. Für Melanie Waelde, selbst Regisseurin („Nackte Tiere“, 2020), ist es gerade diese Offenheit, die die Figuren bei aller Schwere aus ihren festen Hüllen befreien.
Fremde Haut (2005)

Fremde Haut (2005)

In ihrem Heimatland droht der jungen iranischen Übersetzerin Fariba die Todesstrafe, weil ihr Verhältnis zu einer verheirateten Frau bekannt geworden ist. Sie flieht und schafft es bis nach Deutschland. Doch dort wird ihr Asylantrag abgelehnt. Um im fremden Land zu überleben, nimmt sie die Identität eines des jungen Iraners Siamak an, spricht wie ein Mann, gibt sich wie ein Mann. Als sie sich in ihre attraktive Arbeitskollegin Anne verliebt, riskiert Fariba ihre Tarnung. In „Fremde Haut“, den es jetzt in digital restaurierter Fassung als DVD und VoD gibt, erzählt Angelina Maccarone mit großem Feingefühl von Entwurzelung und der Sehnsucht nach Identität in einem anderen Land, einer anderen Kultur, einer neuen Liebe. Jasmin Tabatabais Darstellung einer mutigen Frau mit dem unbeugsamen Willen, ihren Platz im Leben zu finden, geht auch knapp 20 Jahre nach der Premiere tief unter die Haut. Arabella Wintermayr über einen Film, der sichtbar macht, was sonst im Verborgenen bleibt, und der das queere Kino um eine selten beleuchtete Facette bereichert.
Tandem – In welcher Sprache träumst du?

Tandem – In welcher Sprache träumst du?

Die 17–jährige Französin Fanny reist zum ersten Mal nach Deutschland. Bei ihrer Brieffreundin Lena in Leipzig will sie die Sprache der Nachbarn lernen. Fanny ist schüchtern und noch auf der Suche nach sich selbst, Lena hingegen weiß schon ziemlich genau, wo sie hin will, und engagiert sich als Ökoaktivistin. Nach einem holprigen Start werden die beiden Teenager schnell enge Freundinnen. Fanny will Lena unbedingt gefallen – und hat auch kein Problem damit, mit ihrer eigenen Biografie kreativ umzugehen. Mit einem raffinierten Drehbuch, zwei fabelhaften Newcomerinnen und magischen Kinobildern begibt sich „Tandem – In welche Sprache träumst du?“ nicht nur auf die Suche nach einer Sprache der Wahrheit, sondern auch nach einer Sprache der Liebe. Für Barbara Schweizerhof ist Claire Burgers romantischer Freundinnenfilm zugleich ein großartiges Generationenporträt.
Sad Jokes

Sad Jokes

Auch in seinem zweiten Spielfilm vermischt Autor und Regisseur Fabian Stumm („Knochen und Namen“) unterschiedlichste Gefühlstonarten zu einer tragikomischen Reflexion der Wirklichkeit: Joseph und Sonya sind durch eine enge Freundschaft und ihren kleinen Sohn Pino verbunden, den sie gemeinsam aufziehen. Während sich Regisseur Joseph an einer neuen Filmidee und der Trennung von seinem Ex-Freund Marc abarbeitet, leidet Sonya unter einer Depression, die sie zusehends aus ihrem Leben herausreißt. „Sad Jokes“ ist absurd und banal, hoffnungsvoll und anrührend oder – wie im wirklichen Leben – alles auf einmal. Für diese Jonglage wurde Fabian Stumm auf dem Filmfest München mit gleich zwei Preisen ausgezeichnet und von der Presse bereits als queerer Nachfolger von Loriot bezeichnet. Jetzt ist „Sad Jokes“ im Kino zu sehen. Andreas Wilink über einen Film, der mit feinstem Pointilismus ein großes Bild vom Wesentlichen und Bleibenden, vom Traurigen und Beglückenden malt.