New Queer Cinema

Shortbus (2006)

Shortbus (2006)

In „Shortbus“ (2006) schickt Regisseur John Cameron Mitchell eine Gruppe von New Yorker:innen auf die Suche nach Sinn, Intimität und sich selbst – in einem queeren Hipster-Club in Brooklyn. Hier soll Sexualität ein Medium für Sehnsüchte, Unsicherheiten und emotionale Bedürfnisse sein. Und vor allem: authentisch. Viel wurde einst über die expliziten Sexszenen geredet. Aus heutiger Sicht ist „Shortbus“ für unseren Autoren Peter Rehberg „vielleicht der letzte queere Film, der das Thema Subkultur in einem sexuellen und politischen Sinne verhandelt.“
Mysterious Skin (2004)

Mysterious Skin (2004)

Zwei Jungen, zwei Wege: Der eine wird zum zurückgezogenen Verschwörungstheoretiker, der andere fängt irgendwann an, sich älteren Männern gegen Geld zum Sex anzubieten. „Mysterious Skin“ von Gregg Araki erzählt die Geschichte von Brian und Neil, deren gemeinsame Kindheit ein dunkles Geheimnis birgt. Während Brian versucht, seine verdrängte Vergangenheit durch Ufo-Fantasien zu verarbeiten, begegnet Neil ihr mit verklärter Direktheit. Ein schmerzhafter, verstörender Film über junge Menschen, die den Grausamkeiten, der Ignoranz und der Schwäche der Erwachsenen mit gegenseitiger Fürsorge begegnen. Die Geschichte eines Missbrauchs wird hier ganz aus der Perspektive der Opfer erzählt „Mysterious Skin“ sei hart und erschütternd, schreibt Andreas Köhnemann. „Aber nicht ohne Hoffnung.“
Young Soul Rebels (1991)

Young Soul Rebels (1991)

London im Sommer 1977. Während sich die Stadt gerade auf die Feierlichkeiten zum Silbernen Thronjubiläum der Queen vorbereitet, basteln die schwulen Soul Boys und Piraten-DJs Chris und Caz an ihrem Radioprogramm, das sie von einer Garage heraus senden. Tagsüber müssen sie sich mit Skinheads herumschlagen, abends gehen sie in den angesagten Clubs tanzen. Doch als ein Freund beim Cruisen im Park ermordet wird, drohen die sozialen Spannungen im Viertel überzukochen. Isaac Juliens Film ist ein raffinierter Mix aus Thriller und schwulem Liebesdrama – und zeichnet ein authentisches Bild der britischen Jugendkulturen der späten 1970er Jahre. „Young Soul Rebels“ war bahnbrechend für das New Queer Cinema und das British Black Cinema der 1990er Jahre. Noemi Yoko Molitor dreht das Radio, in dem Funk als Selbstverteidigung zelebriert wird, ganz laut auf.
Monika Treut: Female Misbehavior!

Monika Treut: Female Misbehavior!

Seit 40 Jahren prägt Monika Treut mir ihren lustvoll-subversiven Spiel- und Dokumentarfilmen das queere Kino in Deutschland und der ganzen Welt. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir noch einmal das umfangreiche Gespräch, das Jan Künemund mit der unerschrockenen Avantgardistin des nicht-heteronormativen Films im Jahr 2017 anlässlich der Veröffentlichung der DVD-Box „Monika Treut: Female Misbehavior!“ führte. Darin geht es unter anderem um weibliche Kino-Lust, Gender-Science-Fiction und queere Pionierinnenarbeit. Und natürlich auch um den bahnbrechenden Film, mit dem alles begann: das sadomasochistische Liebesdrama „Verführung: Die grausame Frau“, das Treut mit ihrer Freundin Elfi Mikesch 1985 drehte, und das jetzt noch einmal in der Queerfilmnacht zu sehen ist.
North of Vortex & Caught Looking

North of Vortex & Caught Looking

Ein schwuler Dichter reist mit seinem Cabrio von New York nach Westen. Auf dem Weg nimmt er einen muskelbepackten Matrosen mit, später steigt eine Kellnerin zu. Der Dichter ist scharf auf den Matrosen, der Matrose auf die Kellnerin, die Kellnerin auf den Dichter. Constantine Giannaris’ „North of Vortex“ (1991) besticht durch traumhafte Schwarz-Weiß-Bilder und Beatnik-Romantik. Jetzt gibt es das Road Movie in digital restaurierter Fassung zusammen mit Giannaris’ Teddy-gekröntem futuristischem Kurzfilm „Caught Looking“ (1992) auf DVD und als VoD. Michael Kienzl schreibt über zwei wiederentdeckte Klassiker des queeren Kinos der 1990er Jahre, die beide mit rauer Poesie von unerfüllter Sehnsucht erzählen.
Super 8 ½

Super 8 ½

Inspiriert von Fellinis Klassiker „Achteinhalb“ (1963) reflektiert Bruce LaBruce in seinem zweiten Spielfilm „Super 8 ½“ aus dem Jahr 1994 semi-autobiographisch den tiefen Fall eines selbstdestruktiven Porno-Auteurs. Randvoll mit Verweisen auf die etablierte und weniger etablierte Filmgeschichte geht sein Film immer wieder bis dicht an die Grenze des guten Geschmacks – und darüber hinaus. Das lustvoll selbstreflexive Biopic ist aber auch eine wüste Parade von Punk- und Underground-Stars wie Vaginal Davis, Ben Weasel und Richard Kern. Jetzt gibt es „Super 8 ½“ in digital restaurierter Fassung im Salzgeber Club zu sehen. Christian Lütjens über die Frage, warum Bruce LaBruces zweiter Langfilm heute noch genauso unerschöpflich und aufregend ist wie bei seiner Premiere vor 27 Jahren.
Postcards from London

Postcards from London

Steve McLeans „Postcards from London“ mit Harris Dickinson. Die lustvolle Erweckungsgeschichte des jungen Jim aus der englischen Provinz in einem zum Neonlicht-Viertel hochstilisierten Soho der Gegenwart ist filmisch eng verwoben mit Fassbinders „Querelle“ (1982) und Van Sants „My Own Private Idaho“ (1991), mit den Bilderwelten Caravaggios und Derek Jarmans. Andreas Köhnemann hat sich auf Expedition durch McLeans Referenzen-Dschungel begeben.
Latin Boys Go to Hell

Latin Boys Go to Hell

Rund 20 Jahre nach seiner Uraufführung erscheint der queere Klassiker „Latin Boys Go to Hell“ (1997) von Ela Troyano in einer restaurierten Fassung auf DVD. Das stilistisch wilde Melodram über die Leiden junger Latinos im tiefsten Brooklyn heute zu sehen, funktioniert einwandfrei und macht sogar Sinn, findet unser Autor Dennis Vetter. Denn die Regisseurin glaubt nicht an die Abgeschlossenheit von Geschichte und Identität, sondern an kulturelle Bewegungen. Eine Wiederbegegnung.
Don’t worry, weglaufen geht nicht: Interview mit Gus Van Sant

Don’t worry, weglaufen geht nicht: Interview mit Gus Van Sant

An dem Biopic über den querschnittsgelähmten Cartoonisten John Callahan (1951-2010), der im Nordwesten der USA als politisch höchst unkorrekter Outsider Artist eine Legende ist, hat Gus Van Sant seit Mitte der 90er Jahre gearbeitet. Ursprünglich sollte Robin Williams Callahan spielen. In "Don't worry, weglaufen geht nicht" schlüpft nun Joaquin Phoenix in die Rolle des Zeichners und schweren Trinkers – und spielt ihn überragend! Van Sants neuer Film erzählt vom Meistern des eigenen Lebens mit den Kräften der Kunst und – wie alle seine anderen Filme zuvor – von einer Gemeinschaft von Außenseitern, die hier als illustre Co-Mitglieder einer Alkoholikertherapie-Gruppe auftreten. Wir haben uns im Februar zur Premiere des Films auf der Berlinale mit Van Sant getroffen und mit ihm über seinen Einstieg in die Welt des queeren Kinos vor über 30 Jahren, die deutschen Einflüsse in seinem Meisterwerk „My Own Private Idaho“, seine Wahlheimat Portland und die Frage gesprochen, warum er „Brokeback Mountain“ eigentlich nicht selbst gedreht hat.
Porträt: Gus Van Sant

Porträt: Gus Van Sant

Gus Van Sant, Jahrgang 1952, gilt als einer der wichtigsten Filmemacher seiner Generation – und war Mitte der 80er Jahre einer der ersten offen schwulen US-Regisseure überhaupt. Sein kühner Debütfilm "Mala Noche" (1985) gilt als Wegbereiter, sein dritter Film "My Own Private Idaho" (1991) als Schlüsselfilm des New Queer Cinema. Seitdem wechselt Van Sant zwischen gefeierten Studio-Produktionen wie "Good Will Hunting" (1996) und "Milk" (2008) und Arthouse-Filmen wie "Elephant" (2001) und "Paranoid Park" (2006) hin und her. So unterschiedlich seine Filme auf den ersten Blick auch sein mögen – queere Perspektiven lassen sich in ihnen allen entdecken. Anlässlich des Kinostarts von Van Sants neuem Film "Don’t Worry, weglaufen geht nicht" wagen wir einen Rückblick auf das vielschichtige und verführerisch offene Filmwerk des Regisseurs. Ein Porträt von Christian Weber aus dem Jahr 2011.