Monika Treut: Female Misbehavior!

Trailer 1 („Verführung: Die grausame Frau“)Trailer 2 („Die Jungfrauenmaschine“)Trailer 3 („My Father Is Coming“)Trailer 4 („Gendernauts“)DVD/VoD

Seit 40 Jahren prägt Monika Treut mir ihren lustvoll-subversiven Spiel- und Dokumentarfilmen das queere Kino in Deutschland und der ganzen Welt. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir noch einmal das umfangreiche Gespräch, das Jan Künemund mit der unerschrockenen Avantgardistin des nicht-heteronormativen Films im Jahr 2017 anlässlich der Veröffentlichung der DVD-Box „Monika Treut: Female Misbehavior!“ führte. Darin geht es unter anderem um weibliche Kino-Lust, Gender-Science-Fiction und queere Pionierinnenarbeit. Und natürlich auch um den bahnbrechenden Film, mit dem alles begann: das sadomasochistische Liebesdrama „Verführung: Die grausame Frau“, das Treut mit ihrer Freundin Elfi Mikesch 1985 drehte, und das jetzt noch einmal in der Queerfilmnacht zu sehen ist.

Monika Treut über den Dächern von Taipeh – Foto: Edition Salzgeber

„Schätzchen, es ist nicht der männliche Blick, wenn ich ihn verwende!“

Interview: Jan Künemund

Ich bin jetzt das 41. Mal auf der Berlinale …

Wie bitte?

Ich bin schon als Studentin hierhergekommen, das war noch vor Panorama-Zeiten und bevor du auf die Welt kamst.

Und deinen allerersten Film, mit Elfi Mikesch zusammen gedreht, hast du 1985 auch hier uraufgeführt.

Ja, „Verführung: Die grausame Frau“, den hatte man im Rohschnitt für interessant befunden und eingeladen, dann sind wir kurz vor der Premiere mit der noch feuchten Filmkopie im Delphi-Kino aufgeschlagen. Die Berlinale war noch überschaubar, es gab nur den Wettbewerb und das Forum, da hatte auch ein Forumsfilm noch eine ganz andere Aufmerksamkeit als heute. Was bei uns hieß: Es gab einen regelrechten Skandal. Das Delphi-Kino war voll, und nach dem Film fing sofort eine Beschimpfung an, richtig aggressiv, vor allem von Männern. Das ging von „Werbeästhetik – was soll das?“ bis hin zu „Das hat nichts mit Sacher-Masoch zu tun“. Nun hatte ich zu letzterem aber meine Doktorarbeit geschrieben und war in der Lage zu kontern. Irgendwann zupfte mich der damalige Forumsleiter am Arm und bat mich, doch bitte nicht das Publikum zu attackieren. Die Leute, die den Film mochten, haben nichts gesagt.

Es wurde von niemandem außer euch verteidigt?

Nein, zero. Nur hinterher gab es eine schöne Kritik in der FAZ, ausgerechnet. Aber nach der Berlinale wurden wir zu vielen internationalen Festivals eingeladen, von Edinburgh bis New York, nicht nur zu den schwullesbischen.

Wie erklärst du dir die spezifisch deutsche Ablehnung?

Ich denke, wir haben ein Frauenbild gezeigt, das bis dahin im deutschen Film noch unbekannt war. Es gab zwar schwule Filme, z.B. von Fassbinder, der ja auch aggressiv an Tabuthemen rangegangen war. Aber es gab bis dahin kaum Filme, in denen Frauen selbstbewusst aufgetreten sind, kaum Frauenfiguren, die eine Form von dominanter weiblicher Sexualität gezeigt haben. Das war neu. Da war die westdeutsche Gesellschaft doch noch recht konservativ. Damals wurde der Feminismus vor allem von Alice Schwarzer vertreten, die im Grunde kein Konzept von selbstbestimmter weiblicher Sexualität hatte. Ihre Arbeit bezog sich auf Vergewaltigung, Zwangs-Prostitution und die PorNo-Kampagne. Wir zeigten in „Verführung: Die grausame Frau“ eine Domina, die selbstbewusst ihre eigenen sexuellen Phantasien umsetzte, das war 1985 wohl zu früh. Die Männer haben das kritisiert, die Frauen haben nichts gesagt. Kurz darauf hat Agnès Varda „Kung-Fu Master“ (dt. „Die Zeit mit Julien“, 1987) gezeigt. Da ging es auch um ein Tabuthema, und da hat das Publikum ebenfalls sehr aggressiv reagiert und Varda fast zum Weinen gebracht. Sie hat anschließend gesagt: „Ich zeige nie wieder einen Film auf der Berlinale.“

Ästhetisch ging es euch ja offensichtlich um „neue“ Bilder für weibliche Sexualität, fernab von romantischen Klischees und einer männlichen Perspektive auf z.B. lesbische Lust. Elfi Mikeschs Thema ist ja bis heute, wie man mit den Bildern, die überall zirkulieren, überhaupt umgeht. Wie habt ihr zusammen eure Alternative dazu entwickelt?

Wir haben uns von Sacher-Masochs Roman „Venus im Pelz“ inspirieren lassen. Unser Hauptthema war: Wie sind eigentlich masochistische Phantasien in Bilder umzusetzen? Wir wollten erst über de Sade arbeiten, aber dem ging es mehr um Logik, nicht um Phantasien, er hat keine obsessive Ikonografie geschaffen. Sacher-Masoch hat dagegen auch mit Farben, Dekor und Ausstattung gearbeitet, das hat eine direkte theatralische Übersetzung in Theater oder Film nahegelegt. Wir haben damals mit kleinem Budget aus einem schlichten Verwaltungsschuppen im Hamburger Hafen eine Galerie der masochistischen Lust gestaltet. Also: masochistische Phantasien, und die ausgeführt von einer Frau, einer Domina, die – anders als bei Sacher-Masoch –, selbstbestimmt arbeitet. Bei ihm gibt eigentlich der masochistische Mann die Phantasie vor und die Domina führt sie aus. Sie erscheint zwar vordergründig als grausam, aber der Mann ist der Regisseur der Phantasie. Und das haben wir gekippt. Elfis Kameraposition war die des Masochisten, und so kommen die Zuschauer unbewusst in diese Position hinein. Das hat vielleicht das Unbehagen erzeugt. Ein unbewusstes Protestieren gegen die Situation, das Geschehen aus der Position des Masochisten wahrzunehmen.

„Verführung: Die grausame Frau“ (1985) – Foto: Edition Salzgeber

Hat man damals auch Laura Mulvey und ihre Theorie des männlichen Blicks beim Filme-machen reflektiert, also die Idee, dass das Mainstreamkino unkritisch an eine männliche Perspektive gebunden ist, was ja eigentlich immer noch zutrifft? Dagegen arbeitet ja die Blickregie in der „Verführung“.

Camille Paglia hat ja mal gesagt: „Schätzchen, es ist nicht der männliche Blick, wenn ich ihn verwende!“ Wir haben ikonografisierte Frauen, die aus der Männerperspektive inszeniert waren, mit eigener Lust besetzt. Ich kann verstehen, was Mulvey meinte. Aber ich habe schon als Kind den sogenannten männlichen Blick für mich subversiv umgedeutet. In „Verführung“ haben wir die wunderbare Mechthild Großmann als androgyne Herrscherin inszeniert, jenseits der patriarchalisch-heterosexuellen Vereinnahmung der Figur der Domina.

Studiert hast du in Marburg …

Ja, Literatur- und Kunstwissenschaften. Es gab damals noch keinen Magister, man ist automatisch auf ein Staatsexamen zugelaufen, das wollte ich gar nicht. Ich musste auch ein Schulpraktikum machen und drehte mit den Kids einen Western im Wald. Dass die Schülerinnen und Schüler nachmittags und außerhalb des Schulgeländes nicht versichert waren, war mir egal, also gab es handfesten Ärger mit der Schulleitung. Damit war klar, dass ich nicht in einer regelhaften Institution arbeiten konnte. Nach dem Studium habe ich ein Doktorandenstipendium bekommen und habe parallel in Berlin und Hamburg in Medienzentren gearbeitet.

„Verführung: Die grausame Frau“ (1985) – Foto: Edition Salzgeber

Du bist Frau Doktor Treut, oder?

Ja, auch das noch. Wenigstens ein Studienabschluss.

Und deine Berührung mit Film?

Mein frühes Interesse kam durch meinen Vater. Seitdem ich ungefähr vier Jahre alt war, nahm er mich in Mönchengladbach jeden Samstag mit ins Kino. Eine ziemlich konservative Stadt, damals eine Hochburg der CDU in NRW. Mit sechzehn habe ich dann im Programmkino Polanskis „Repulsion“ (dt. „Ekel“, 1965) gesehen, der hat mich ungeheuer beeindruckt. Ich hatte aber nie vor, selbst Filmemacherin zu werden, das war völlig außerhalb meiner Vorstellung. Später in Marburg hatten wir Literaturwissenschaftsstudenten das Gefühl, dass wir visuelle Analphabeten waren. Deshalb haben wir angefangen, Filme ins Studium zu integrieren. Wir besuchten Seminare von Alexander Kluge in Frankfurt, drehten mit Erstsemestern Super8-Filme. Und gleichzeitig bauten wir ein Kommunikationszentrum auf, in dem wir Filmreihen zeigten, auch seltene Filme, wie z.B „Vent d’Est“ (dt. „Ostwind“, 1970) von Godard aus seiner maoistischen Phase. Den gab es damals weltweit nur in zwei Kopien, ohne Untertitel oder Dialoglisten. Wir haben ihn mit französischen Freunden in der Nacht vor der Vorführung in meiner WG an die Wand projiziert, die deutsche Übersetzung gemacht und am nächsten Tag eingesprochen.

Wie funktionierten Medienzentren damals?

Das war eine Bewegung in den 1970ern, die hatte sich mit den ersten erschwinglichen Sony-Videogeräten entwickelt, Halbzoll, schwarzweiß, sehr primitiv. Man machte Reportagen über Ereignisse, die nicht in den Mainstream-Medien vorkamen und zeigte sie in Kneipen und an alternativen Orten.

„Gegenöffentlichkeit“ …

Genau, und dann hat man auch Kurse gegeben und das Wissen weiter vermittelt. Die Bewegung kam ursprünglich aus England und hat sich in Deutschland vor allem in Hamburg, Frankfurt und Berlin konkretisiert. Ich arbeitete zuerst in einem Medienzentrum in Berlin, da hat es mir nicht so gut gefallen, weil es ein reiner Männerladen war. In Hamburg gab es damals einen Medienladen, aus dem sich eine Frauengruppe entwickelt hatte. Der habe ich mich dann angeschlossen und wir gründeten 1979 das feministische Medienzentrum „Bildwechsel“, das noch heute existiert.

Monika Treut, 1988

Gab es ein Bedürfnis, auch Filme über lesbisches Begehren zu sehen, zu programmieren?

In den 1970er Jahren gab es ja nur wenige lesbische Filme. Wir haben eigene Videos produziert, z.B. habe ich damals ein Video über eine befreundete lesbische Punkgruppe, „Bitch-Band No1“, gedreht. Dazu haben wir einmal die Woche Frauenkino veranstaltet und Regisseurinnen dazu eingeladen, u.a. Ulrike Rosenbach und Ulrike Ottinger. Und Elfi Mikesch natürlich.

So hast du Elfi kennen gelernt?

Ich hatte auf der Berlinale Elfis frühe Filme gesehen, die ich sehr mochte, und sie nach Hamburg eingeladen. Über „Macumba“ (1982) hatte ich einen Text geschrieben und sie deshalb auch in Berlin besucht. Elfi interessierte sich für meine Dissertation, sie wollte ursprünglich einen Film über de Sade machen. Dann kamen wir auf die Idee, ein Drehbuch nach Masochs Roman „Venus im Pelz“ zu entwickeln. Nach der Arbeit an der Diss bin ich im Frühjahr 1983 nach New York gegangen. Mit einer Unterstützung des Hamburger Filmbüros wollte ich einen Kurzfilm, „Bondage“ [wurde später in „Female Misbehavior“, 1992, integriert –Red.], über lesbische Sadomasochistinnen machen. Nach zwei Monaten in New York hat mich plötzlich Elfi dort besucht, wir verliebten uns und fingen an, am Drehbuch von „Verführung“ zu schreiben.

War New York für dich bzw. für euch auch eine erotische Befreiung?

Auf jeden Fall. Es war eine aufregende Zeit. Ich lernte die „Lesbian Sex Mafia“ kennen, interviewte Betty Dodson, eine Pionierin der pro-sex-feministischen Bewegung, ging ins legendäre Wow-Café, wo schon Diane Torr auftrat, ebenso wie Peggy Shaw und Lois Weaver von Split Britches. Damals tobten gerade die harten Kämpfe zwischen dem Mainstream-Feminismus, vertreten durch Andrea Dworkin und Catharine MacKinnon, den US-Pendants zu Alice Schwarzer, und der neuen sex-positiven, kreativen und humorvollen Frauenbewegung. 1983 durfte die „Lesbian Sex Mafia“ zum ersten Mal bei der Gay Parade offiziell dabei sein. Der aufregende Sommer 1983 war auch ein Wendepunkt in meinem Leben. Im Herbst zog Elfi von Berlin nach Hamburg, und wir lebten und arbeiteten zusammen, bis ich 1989 für vier Jahre nach New York zog und Elfi mit Werner Schroeter nach Wien ging, um „Malina“ (1991) zu drehen. Eine Zeitlang versuchten wir eine Fernbeziehung aufrechtzuerhalten, das hat leider überhaupt nicht funktioniert, ohne Facebook, Messenger, WhatsApp. Es gab damals obszön teure Long-Distance-Gespräche, da hörte man die Kohle nur so durchrauschen. Aber wir sind bis heute gut befreundet und haben bei etlichen weiteren Filmen wunderbar zusammenarbeiten können.

Monika Treut (l.) und Elfi Mikesch, 1990

Es gibt eine Theorie von Alice Kuzniar, dass es zwischen dem Neuen Deutschen Film und der Berliner Schule noch eine andere vernetzte Filmemacher_innen-Szene gab, die eben queer war und in der Filmgeschichtsschreibung vernachlässigt wurde. Sie meinte dich, Elfi, Ulrike Ottinger, Werner Schroeter, Rosa von Praunheim, Peter Kern, Frank Ripploh usw. Ihr habt miteinander gearbeitet, die gleichen Darsteller_innen besetzt, die Technik ausgeliehen …

Das war ein informelles Netzwerk, wir waren Freunde. Schroeter hat immer bei mir gewohnt, wenn er in Hamburg war. Elfi und Rosa sind seit ewigen Zeiten eng befreundet und arbeiten ja bis heute zusammen. Rosa hatte eine 16mm-Kamera, die Elfi immer benutzen konnte. Werner Schroeter hat uns sehr beim Casting von „Verführung“ geholfen, Kontakte gemacht, sehr kollegial, freundschaftlich. Ein Netzwerk. Peter Kern war ein inspirierender Freund über viele Jahre.

Und Ulrike Ottinger?

Sie hat mich immer sehr fasziniert, ihre Filme habe ich auf der Berlinale gesehen. Ich habe mal einen längeren, sehr enthusiastischen Text über „Madame X“ (1978) für „Frauen und Film“ geschrieben. Kennengelernt habe ich Ulrike erst Anfang 1980, da habe ich sie besucht und interviewt. Sie war ein Vorbild, weil sie sehr unerschrocken in der männlich dominierten Filmszene gearbeitet hat, sich von nichts hat abbringen lassen, bis heute. Ulrike, Tabea Blumenschein, Rosa, Elfi, Frank Ripploh, und andere, das war eine mehr oder weniger enge, aber über lange Zeit bestehende Künstlergruppe. Ich bin ja etwas jünger und weniger Berlin-affin und auch erst später über Elfi vermittelt dazu gekommen. Aber als queeres Netzwerk haben wir uns nicht dargestellt, sowas wie „Dogma 95“ kam erst später, dazu waren wir zu individualistisch, und es war noch nicht die Zeit.

Du hast immerhin mit Elfi Hyena Films gegründet, als niemand „Verführung“ produzieren wollte. Es gab eine Förderzusage, die wieder zurückgezogen wurde …

Ja , vom Bundesinnenminister. Sowas kann man sich heute nicht mehr vorstellen, dass die Filmförderung einmal im Bundesinnenministerium angesiedelt war – der Herr Zimmermann hat sich also damals gleichzeitig um die Polizei, die innere Sicherheit und die Filmkultur gekümmert … Er war ein Rechtsaußen, CSU-Mann, klar, dass ihm unser Drehbuch nicht gefallen hat. Es kam keine direkte Ablehnung, es fiel auf bürokratische Weise durch. Es gab ein unabhängiges Gremium, das sich für eine Förderung ausgesprochen hatte, wir bekamen aber dann Nachfragen aus dem Ministerium: „Wie wollen Sie die Szene ,Ich möchte Ihre Toilette sein‘ denn umsetzen?“ Es war klar, wenn wir das beantworten, kommt in anderthalb Jahren vielleicht mal ein Ja oder ein Nein. Und so haben wir mit dem Geld der Länderförderung gearbeitet – ein Politikum, weil die SPD-geführten Länder das ein Unding fanden, dass so ein rechter CSU-Minister über die Filmförderung entscheidet.

Mit deinem zweiten Film, „Die Jungfrauenmaschine“ (1988), lief es in Deutschland ähnlich problematisch, und wieder kam er im Ausland super an. Da hat es dir dann hier gereicht, oder?

Ja, der Film hatte in den USA den Zeitgeist getroffen, da gab es ja schon einen kleinen Boom von Filmen über Frauen, auch über Lesben, die Filme von Lizzie Borden z.B., „Born in Flames“ (1983) und „Working Girls“ (1986). Nicht zu vergessen Donna Deitchs „Desert Hearts“ (1985). Da hat man sich über die „Jungfrauenmaschine“ nicht so erschrocken wie hier in Hof. „Oh, ein interessanter Film aus Deutschland, lustig ist er auch, und da geht es um Lesben, das ist frisch, her damit!“ Er lief auf dem Filmfestival in Toronto als Eröffnungsfilm des internationalen Programms, es waren mehrere US-Verleiher interessiert, ich konnte mir einen aussuchen. In Deutschland ist der Verleih nach schlechter Premieren-Presse abgesprungen. Ich habe versucht, den Film selbst zu verleihen, da hieß es: „Was, dieser schreckliche Film aus Hof? Auf keinen Fall!“ So bin ich dann nach New York geflohen.

Es gibt dieses berühmte Zitat aus der „Zeit“-Besprechung der „Jungfrauenmaschine“: „Filme wie dieser vernichten das Kino!“

Tja, das hing wohl damit zusammen, dass der deutsche Film damals im Ausland nicht so beliebt war. Man überlegte sich, was ja zyklisch ist, wie der deutsche Film international Fuß fassen kann. Heinz Badewitz, der damalige Leiter der Hofer Filmtage, hatte die „Jungfrauenmaschine“, die er sehr mochte, auf den prominentesten Termin gesetzt. Ich hatte Bedenken und dachte: lieber eine Spätvorstellung! Es war ein Desaster. Es waren überwiegend Kinobesitzer dort, und was sie sahen, wollten sie nicht wahr haben: Schwarzweiß, 16mm, experimentelle Bilder, der dicke Peter Kern und dann noch eine Lesbengeschichte! So kann aus dem deutschen Film nichts werden! Dann hat Manfred Salzgeber den Film übernommen, ein Jahr lang im Kant-Kino gezeigt und nach einem Jahr sah es besser aus.

„Die Jungfrauenmaschine“ (1988) – Foto: Edition Salzgeber

Über den deutschen Tellerrand hinaus warst du wahrscheinlich schon bestens vernetzt, Sheila McLaughlin spielt ja in der „Jungfrauenmaschine“ mit, Susie Bright kanntest du wahrscheinlich auch schon …

Ja, das hatte sich über die schwullesbischen Festivals entwickelt, Susie Bright habe ich bei Frameline, dem ältesten queeren Filmfestival, kennengelernt. Annie Sprinkle hatte ich zufällig in San Francisco getroffen, ich war gerade auf Location-Suche, bin in eine Kellerbar reingestolpert und da war sie auf der Bühne und hat ihr Tittenballett geprobt. Sie gab mir ihre Karte und hat mich nach New York eingeladen. Das war alles sehr einfach.

Apropos deine Filme im Ausland – wie kam es eigentlich dazu, dass Baudrillard über „Verführung“ geschrieben hat?

Ich hatte seine Bücher damals gelesen. Und als mein französischer Verleiher eine Pressevorführung in Paris gemacht hat, meinte ich, ladet doch den Baudrillard ein. Und er ist dann auch gekommen und hat ins Gästebuch geschrieben.

Was hat ihn an dem Film interessiert?

Er hat ja auch über „Verführung“ geschrieben, über die erotische Aufladung von Objekten, wie sie durch Sehnsüchte und Obsessionen lebendig werden.

Deine Filme zu dieser Zeit beschäftigen sich ja auch ziemlich theoretisch mit Sexualität. Darin gibt es eine intellektuelle Lust auf neue Perspektiven, von der Sex-Positive-Bewegung angefangen bis später zum Cyberfeminismus.

Bei „Verführung“ war auf jeden Fall ein theoretischer Unterbau da. Dann hatte ich aber eigentlich von der Theorie die Nase voll, und die „Jungfrauenmaschine“ war deshalb auch viel spielerischer. Da stand zwar auch eine Auseinandersetzung mit Konzepten wie der romantischen Liebe im Mittelalter am Anfang, aber das habe ich dann auch aufgegeben, vor allem im amerikanischen Teil, wo ich vieles einfach eingebaut habe von dem, was ich dort vorfand. Natürlich auch, weil das Budget klein war und man keine Drehorte bauen konnte, aber auch, um das frische Leben reinzulassen. Da gab es zum Beispiel eine Bar nur für philippinische Lesben, da konnten wir drehen, die kamen da wahnsinnig aufgebrezelt hin, streng aufgeteilt in Femmes und KVs, das war sehr interessant. Es gab dort einfach für jede sexuelle Orientierung eigene Orte, die sind heute alle weggentrifiziert. Es gab Stripshows für Frauen, die wunderbare Zeitschrift „On our backs“ … Ich habe das aufgesogen und umgesetzt.

„Die Jungfrauenmaschine“ (1988) – Foto: Edition Salzgeber

Das war ja auch deine Methode in den Dokumentarfilmen: dir von anderen zeigen lassen, was es für neue Ideen über Sexualität und Geschlecht gibt, und das dann ein wenig anzumoderieren und Platz für deren Selbstdarstellung zu lassen. Aber einfach mal eine lesbische Liebesgeschichte zu erzählen, darauf hattest du eher keine Lust oder?

Eher nicht. Da gibt’s ja auch massenhaft Material.

Damals vielleicht noch nicht …?

Damals noch nicht so, das stimmt. Aber so normale Geschichten haben mich nie interessiert. Vielleicht war das auch der Reibungspunkt mit dem lesbischen Publikum, die waren hungrig danach. Und das haben die mir übel genommen, „warum erzählst du denn nicht mal eine schöne Liebesgeschichte?“

Ja, warum denn nicht …?

Ich fand das langweilig. Ich war eher mit experimentellen Filmen vertraut, es gab so viele spannende Themen. Später gab es ja eine Lawine von Filmen über lesbische Beziehungen,  die waren ja schön gemacht, aber ich habe auf so ein Genre nicht hingearbeitet. Das Lesbischsein war in dem Sinne für mich nie ein Problem, das musste ich nie im Film darstellen. Es war für mich irgendwie kein Thema.

Muss man nicht überhaupt erstmal die Filmsprache verändern, um weibliches Begehren zu erzählen?

Das ist eine schwierige Frage. Ich habe ja sehr viel Pornografie studiert, also von Heteros gemachte Lesbenpornos. „On our backs“ haben auch Pornos für Lesben hergestellt, aber das hat mir nicht gefallen, weil das nach dem gleichen Schema wie Heteropornos funktionierte: Hier ist die Geschäftsfrau und da kommt jetzt die Fahrradkurierin und bringt jetzt was, so richtig butch. Und die Frau ist zurecht gemacht und hat die Macht, und es macht zack und dann fallen sie übereinander her. Ich habe immer Angebote abgelehnt, sowas zu drehen. Mir ist dazu nichts eingefallen.

Wie würdest du in ein paar Sätzen deine Zeit in New York beschreiben?

Ich hab da noch die spannende Zeit miterlebt, bevor Bürgermeister Giuliani die 42nd Street zu Disneyland gemacht hat. Es gab alternative Orte, Undergroundlokale wie „L’Esqualitas“ in Midtown, 39. Straße, Hell’s Kitchen, da wurde man am Eingang nach Waffen durchsucht. Ein LatinX-Club mit wahnsinnig schönen, politisch engagierten und witzigen Drag Queens aus Puerto Rico, Kolumbien und anderen lateinamerikanischen Ländern, und ein spannendes, sehr gemischtes Publikum. Und das war damals noch total friedlich, eine Mischung aus Künstlern, Bohème, Lesben, Schwulen, Heteros, tatsächlich ein Melting Pot von queerem künstlerischen Leben. Oder den legendären „Pyramid Club“ im East Village, da konntest du für ein Bierchen den Abend verbringen und spontane Tresenshows sehen. Anfang der 1990er hat sich das sehr schnell verändert, die ärmeren Künstler_innen sind immer weiter verdrängt worden. Ich fahre nur noch selten hin, meine Freundinnen leben fast alle nicht mehr dort.

Wie hast du denn in den USA arbeiten können?

Ich habe in der Zeit „My Father Is Coming“ (1991) und zwei Teile von „Female Misbehavior“ (1992) gemacht – unterstützt von der Hamburger Filmförderung. Das funktionierte damals, weil ich die Postproduktion der Filme z.T. in Hamburg gemacht habe. Außerdem hatte ich ja als Produzentin die Rechte an den Filmen, und ich bekam noch Garantien für die Filmrechte von Festivals und Verleihern, auch von Auslands-TV-Verkäufen. Alles andere hat sich in der vielfältigen Indie-Szene der Stadt überwiegend sehr unproblematisch ergeben. Über meinen amerikanischen Verleih, First Run Features, hatte ich ein internationales Künstlervisum bekommen, mit dem ich unproblematisch ein- und ausreisen konnte und einen legalen Status in den USA hatte. Sowas gibt es leider nach 9/11 nicht mehr.

„My Father Is Coming“ (1991) – Foto: Edition Salzgeber

Warum bist du dann wieder nach Deutschland gegangen, als es mit dem New Queer Cinema in den USA gerade spannend wurde?

Naja, für mich war das „New Queer Cinema“ der USA nicht so spannend. Dagegen: Deutschland veränderte sich, die Mauer war gefallen. Ich war neugierig. Auf der Berlinale 1990 sprachen mich etliche Filmarbeiterinnen aus dem Osten an und wollten mich in New York besuchen. Da war ich plötzlich Miss Popular. Und in New York schliefen sie auf meiner Luftmatratze und knüpften von da aus weiter Kontakte. Ich war also eine Zeit lang eine Anlaufstelle für ostdeutsche Filmemacher_innen. Sie wollten mit Macht in den Westen, diese Energie fand ich beeindruckend.

Hast du andere junge Filmemacherinnen gefördert? Du hast ja in den USA auch unterrichtet.

Bestimmt, ich hatte ja viele junge Studentinnen, die schon durch mein unerschrockenes europäisches Vorbild inspiriert wurden. Die Regeln an den US-amerikanischen Lehranstalten sind ja teilweise sehr einengend. Die talentierte Laura Nix, die etliche Filme, z.B. über die Yes Men, im Panorama und beim Sundance-Festival gezeigt hat, war eine Studentin von mir in San Diego. Laura drehte als ihren Abschlussfilm „The Politics of Fur“, eine Hommage an „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ von Fassbinder und brauchte ein Gegengewicht zu ihren konservativen Professoren in San Diego. Jean-Pierre Gorin z.B., ein alter Kampfgefährte von Godard, war so ein verbitterter Macho, der gerne Studentinnen kleinmachte, da habe ich Laura unterstützt.

„My Father Is Coming“ (1991) – Foto: Edition Salzgeber

Und Angelina Maccarone?

Angelina habe ich erst später kennengelernt. Sie war in Hamburg aktiv, als ich gerade in den USA war. Und als ich wieder in Hamburg war, ist sie nach Berlin gegangen. Aber wir hatten immer guten Kontakt, tauschen uns auch aus, sowas ist ja sehr wichtig unter Filmemacher_innen.

Hast du in deiner Karriere mal richtig Gegenwind erlebt, strukturelle Diskriminierungen oder Zensur?

Ich habe mal in Roanoke, Virginia, an einem College unterrichtet. Da gab es in der lokalen Presse einen Artikel mit Foto, ich auf dem Collegegelände mit Sonnenbrille, Zigarette und Jeansjacke, dazu der Text: „Monika Treut peoples her movies with homosexuals, prostitutes, transsexuals“ usw. Das war ein „All Girls Liberal Arts College“, da gab es dann Protestanrufe, Eltern wollten ihre Töchter von der Schule nehmen, ich sollte wieder nach Deutschland abhauen. Und zusätzlich gab es eine Demo – Leute mit Schildern wie „Lesbianism is not normal“. Das beste war: „It’s not right to do what’s wrong.“ Das fand ich richtig, da habe ich mich daneben gestellt. Hinter der Demo steckte die lokale evangelikale Kirche, sie haben für mein Seelenheil gebetet, aber sie wollten auch die Vorführung meiner Filme verhindern. Ich bekam dann Polizeischutz auf dem Campus.

Und in Deutschland?

Unser Film „Verführung“ landete absurderweise für 18 Jahre auf dem Index für jugendgefährdende Medien. Da war er in guter Gesellschaft. Leider scheiterte daran ein Fernsehverkauf. Das Geld hätten Elfi und ich damals dringend gebraucht. Was ich auch immer merkwürdig fand: Ich habe noch nie Geld von der Filmförderungsanstalt bekommen. Den Grund bekam ich irgendwann mal schriftlich, so ungefähr: „Was wollen Sie denn, sie machen doch nur Festivalfilme, sie brauchen gar nicht erst einzureichen.“ Da ist ein Ungleichgewicht, wenn man sich ansieht, wie viele Filme da gefördert wurden, die nur einmal auf einem Festival liefen und spät nachts versendet wurden. Insgesamt habe ich extrem viele Ablehnungen kassiert von allen möglichen Förderquellen. Ich habe dann meistens die Filme trotzdem mit weniger Geld realisiert, und es ist ja mittlerweile auch statistisch nachgewiesen, dass Regisseurinnen in der männerdominierten Filmwelt mit viel kleineren Budgets operieren müssen.

Hans Schifferle hat „Female Misbehavior“ mal einen Abenteuerfilm genannt, in dem Außenseiter_innen zu Held_innen werden, die die Welt erobern. Das ging ja dann mit „Gendernauts“ (1999) weiter, wo du Menschen vorgestellt hast mit trans utopischen, genderfuturistischen Ideen. Du hast damit früh eine queere Perspektive im Film etabliert, die weit über Homo-Identitäten hinausging. Hattest du dafür eine besondere Sensibilität oder kam das durch die Menschen, die du getroffen hattest?

Sowohl als auch. Vielleicht auch, weil ich mich nie zu 100% in meiner weiblichen Identität wohl gefühlt habe. Ich war als Kind immer ein Tomboy, und als die Pubertät kam, war das für mich eine Schreckensvorstellung, zu einer Frau werden zu müssen. Ich habe mich irgendwie damit arrangiert. Aber das Bedürfnis, sich zu verändern, habe ich auch in mir wiedererkannt, das war mir absolut nicht fremd. Ich habe auch mal mit der Idee gespielt, als ich mitbekommen habe, dass das nicht so schwierig ist – aber es war mir zu langwierig und zu anstrengend und zu selbstbezogen, und der Leidensdruck war bei mir nicht so hoch.

Hast du Verständnis für die Grabenkämpfe zwischen den radikalen Feministinnen und den trans Frauen, die immer wieder mal stattfinden?

Nein, schrecklich, das ist so falsch. Neulich gab es an einer Uni in den USA wieder einen Skandal, Jack Halberstam hat gut darüber geschrieben – Splittergruppen in der Studierendenschaft warfen Kimberly Pierce [Regisseurin von „Boys Don’t Cry“, 1999, –Red.] vor, dass sie als Lesbe diesen Film nicht hätte machen dürfen. Und damit haben sie den ganzen Film zu den Akten gelegt. So geht das nicht, vor allem heute, wo wir diesen T-Mann haben, wo Rechte infrage gestellt werden, da geht es darum zu fragen: Wo steht der Feind, wie kann man die identitären Grenzen überschreiten.

„Gendernauts“ (1999) – Foto: Edition Salzgeber

Aber überschätzen wir Trump nicht gerade als Ausdruck eines Backlashs? Du kennst ja auch die Situation von trans Personen in Taiwan, in Brasilien, sind wir da in der Szene nicht gerade zu USA-fixiert?

Schwierig zu beantworten, denn in jeder Kultur hat das einen anderen Stellenwert und trifft auf eine andere Situation. In Taiwan gibt es z.B. ein ganz anderes Männerbild, der „weiche“ intellektuelle Mann wird sehr geschätzt, die Gendergrenzen fließen anders. Aber da ist halt das alte konfuzianische Prinzip der Fortpflanzung sehr dominant, deswegen leben viele Schwule und Lesben nicht offen, um den Eltern nicht weh zu tun. In Brasilien ist es wieder anders, da gibt es einerseits die weltweit größte Gay Parade in São Paulo und andererseits prozentual gesehen die meisten homo- und transphoben Gewaltverbrechen. In den USA werden gerade bereits rechtlich verankerte Rechte wieder zurückgenommen und trans Menschen offen diskriminiert. Außer den AfD-Hetzern wagt es hier keiner, Schwule, Lesben, Transsexuelle zu kritisieren.

Die Filme, die du in Brasilien und Taiwan gemacht hast, haben mit Frauen, aber oberflächlich betrachtet nichts mit lesbischer Sexualität zu tun. Erst in „Ghosted“ (2009) hast du das Interkulturelle wieder mit lesbischer Erotik verknüpft. Wie kam es zu dieser Entwicklung? War das eine Neugier auf andere Themen? Oder hängt für dich das Transnationale mit dem Transsexuellen zusammen?

Auf eine Weise schon. Ich habe mich immer mit der Situation von Taiwan identifiziert, weil es ja ein ausgestoßenes Mitglied der Weltgemeinschaft ist. Selbst Deutschland erkennt das Land nicht an, weil das übermächtige China Ansprüche erhebt. So kann man das eben auch sehen: eine unterdrückte Minderheit von immerhin 23 Millionen Menschen. In „Ghosted“ haben mich auch die Missverständnisse zwischen den Kulturen interessiert, wie die Deutsche nicht wirklich begreift, wie ihre taiwanische Geliebte tickt – und umgekehrt.

„Gendernauts“ (1999) – Foto: Edition Salzgeber

Aber diese Identifizierung mit Taiwan, dein Interesse für Menschen, die sich nicht auf ein Geschlecht festlegen lassen, der ausbleibende lesbische Liebesfilm, deine experimentelle Bildsprache – ist dein Publikum da immer mitgezogen? Oder kommt das jetzt erst, dass du von der Szene gefeiert wirst? Was bedeutet es dir, mit einem „Special Teddy“ ausgezeichnet zu werden?

Ach, ich finde das wunderbar, genau aus den Gründen, die du nennst. Es war tatsächlich immer noch so ein bisschen Kritik da: Warum macht sie denn nicht mal das? Ich erinnere mich an einen lustigen Spruch nach dem ersten Brasilienfilm: Ach ja, den nächsten Film macht sie bestimmt in Afrika. Das hatte man gar nicht verstanden, man fragte sich, was treibt sie denn, jetzt ist sie plötzlich in Brasilien, was will sie denn da? Und jetzt wird klar, durch die lange Zeit, in der ich Filme mache, dass das ja irgendwie zusammenpasst. Wenn ich in Taiwan einen Film über drei Frauen mache, in dem die Geschichte des Landes miterzählt wird, hat das ja irgendwas damit zu tun, dass wir kritisch auf die Welt schauen und auch sehen, wie die Situation von Frauen durch politische und historische Verhältnisse beeinflusst wird. Insofern bin ich froh, dass das so langsam geschätzt wird, im Blick auf das Gesamtwerk. Das sind die Freuden des Alters!

Aber hat dir das je was ausgemacht?

Eigentlich nicht, weil ich so ein dickköpfiges, individuelles Wesen bin. Immer, wenn ich auf ein Projekt Lust habe, dann weiß ich auch, wie schwer das wird. Und je mehr Widerstand da ist, umso mehr Interesse habe ich, das Projekt weiter zu verfolgen. Weil ich auch denke, dass der Widerstand dagegen einen Wert hat. Man hat wieder an ein Tabu gerührt. Am meisten Widerstand gab es gegen „Didn’t Do It for Love“ (1997), da habe ich ein Jahr lang Ablehnungen gesammelt. Produzenten sagten: alles Quatsch, so eine Person [die SM-Pädagogin Eva Nordvind, –Red.] gibt es doch gar nicht. Sie dachten, ich hätte sie erfunden und wollte das nun als Dokumentarfilm verkaufen.

„Ghosted“ (2009) – Foto: Edition Salzgeber

Und die romantische lesbische Liebesgeschichte hast du ja dann auch noch gedreht.

Ja, „Von Mädchen und Pferden“ (2014). Das Schöne war dabei, auch meine Kinder- und Jugendliebe zu den Pferden wieder zu beleben. Und die Darstellerinnen, Ceci Chuh, Alissa Wilms, Vanida Karun und Ellen Grell, waren traumhaft. Die beiden jungen fragen mich auch weiter um Rat, wir telefonieren oft, da ist man dann lebenslang befreundet, das ist auch eine Freude, ich habe ja keine Kinder.

Was begeistert dich aktuell in der Branche?

Die Pro-Quote-Regie-Bewegung. Da bin ich ja eine der älteren, da sind tolle, jüngere Filmemacherinnen dabei. Etliche Talente, die ich ganz spannend finde.

Und was Filme angeht? Mochtest du „Carol“ (2015) von Todd Haynes?

Nicht so sehr. Ich kenne Todd, finde ihn ganz toll, ich liebe „Far from Heaven“ (dt. „Dem Himmel so fern“, 2002) sehr, einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Aber bei „Carol“ hat mich Cate Blanchett gestört, die war mir zu sehr wie eine Drag Queen moduliert. Ich hatte eine Distanz zu ihr, sie war zu verkleidet.

„Von Mädchen und Pferden“ (2014) – Foto: Edition Salzgeber

Wie hättest du „Carol“ besetzt?

Kann ich dir nicht sagen. Bin auch nicht so ein Freund von Period Pics.

Aber so viele Filme aus letzter Zeit über Lesben, Schwule und trans Menschen sind Period Pics, von „Brokeback Mountain“ (Ang Lee, 2006) angefangen. Alles Filme über geschlagene Schlachten.

Genau. Aber neulich habe ich einen tollen Dokfilm aus Österreich gesehen, mit jungen trans Menschen [„Female to What the Fuck“, Cordula Thym & Katharina Lampert, 2015, –Red.]. Der hat Diskussionen weitergetrieben. Und einen anderen, der total untergegangen ist, mit Kate Bornstein und Sandy Stone, vielleicht drei Jahre alt, von einem trans Mann gemacht [„Kate Bornstein – A Queer and Pleasant Danger“, Sam Feder, 2014, –Red.]. Die beiden wunderbaren weisen Alten Kate und Sandy erzählen Spannendes, machen Blödsinn und haben Spaß vor der Kamera. Kate Bornstein war unter anderem lange Mitglied von Scientology und hatte es sehr schwer, da raus zu kommen. Ein kleiner feiner Film aus Kalifornien.

Und wie geht’s jetzt bei dir weiter?

Ich mache jetzt „Gendernauts Revisited“, zwanzig Jahre später. Die Protagonist:innen von „Gendernauts“ leben alle noch, sie waren die Pioniere der trans Bewegung. Sie leben aber fast alle nicht mehr in San Francisco, das können sich die meisten nicht mehr leisten. Es ist schon erstaunlich, wieviel sich in den letzten zwanzig Jahren verändert hat.




Monika Treut: Female Misbehavior!
von Monika Treut
DE 1985-99, 657 Minuten, FSK 16,
deutsche OF („Verführung: Die grausame
Frau“) · englische OF („Gendernauts“) ·
deutsch-englische OF („Die Jungfrauenmaschine“
& „My Father Is Coming“) – jeweils mit div. UT,

Edition Salzgeber

Hier auf DVD.

 


Verführung: Die grausame Frau
von Monika Treut & Elfi Mikesch
DE 1985, 84 Minuten, FSK 16,
deutsche OF

Im April in der Queerfilmnacht

 


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