Lebensbilder

Teen Apocalypse Trilogy (1993–1997)

Teen Apocalypse Trilogy (1993–1997)

Als die 90er Jahre nach Mixtapes und Zigaretten rochen, filmte Gregg Araki eine Generation, die sich verloren hatte, bevor sie sich überhaupt finden konnte. Mit „Totally F**ed Up*“ (1993), „The Doom Generation“ (1995) und „Nowhere“ (1997) schuf er eine wilde und zugleich zutiefst melancholische Trilogie über Jugendliche, die in einem apokalyptisch grellen Amerika nach Liebe, Identität und Bedeutung suchen. Die „Teenage Apocalypse Trilogy“ ist ein fiebriges Panorama von Queerness, Sex, Gewalt und Popkultur – mit dem sich Araki zum Anwalt der Teenager dieser Generation macht, wie Carolin Weidner schreibt.
Peter Hujar’s Day

Peter Hujar’s Day

Im Jahr 1974 traf sich der schwule Fotograf Peter Hujar in New York mit seiner Freundin Linda Rosenkrantz, um ihr für ein Kunstprojekt von seinem Tag zu erzählen. Aus dem Projekt ist nie etwas geworden, doch die Abschrift des Gesprächs hat Ira Sachs („Passages“) nun in den Film „Peter Hujar's Day“ verwandelt: ein intensives und gleichzeitig leichtfüßiges Kinoerlebnis, das nicht nur den viel zu früh verstorbenen Peter Hujar feiert – sondern auch die Freundschaft und die Kunst. Ein wunderbar intimer Film, der mit seiner unverstellten, faszinierenden Alltaäglichkeit ganz bei sich ist, findet Christian Horn.
Sauna

Sauna

Nicht fit, nicht weiß, nicht männlich genug für den schwulen Sex-Club? Mathias Broes Debüt „Sauna“ ist ein lustvoller Film über Männer, die Männer lieben – und rechnet gleichzeitig mit einer schwulen Dating-Kultur ab, die manche Männer ausschließt. Für Andreas Köhnemann ist „Sauna“ ein Film, der das Unbequeme nicht verschweigt, aber nie die Hoffnung aufgibt: feinfühlig, sexy und eine große Feier von intimen Verbindungen. Denn die entstehen immer dann, wenn Menschen sich frei machen vom Blick der anderen.
Flesh/Trash/Heat (1968–1972)

Flesh/Trash/Heat (1968–1972)

Mit „Flesh“ (1968), „Trash“ (1970) und „Heat“ (1972) schuf Paul Morrissey für Andy Warhol eine lose Trilogie, die das Panorama der amerikanischen Gegenkultur auf den Punkt brachte: eine rohe, entrückte Welt, bevölkert von Rastlosen und Gestrandeten, die berauscht bis verzweifelt ihren Träumen hinterhertaumeln. Underground-Ikone Joe Dallessandro leiht allen drei Filmen sein Gesicht – „als Sexarbeiter, Junkie, und ikonische Halbweltgestalt zwischen Straße und verruchtem Glamour, Absturz und Erhabenheit“, wie Janick Nolting schreibt. Eine Mischung aus Tragödie und Camp, die bis heute fasziniert, provoziert und ein Stück filmischer Freiheit feiert.
Das Gesetz der Begierde (1987)

Das Gesetz der Begierde (1987)

„Das Gesetz der Begierde“ war 1987 Pedro Almodóvars erster Film, der in Deutschland gezeigt wurde – und gewann auf der Berlinale damals den ersten Teddy-Award überhaupt. Die Vierecksgeschichte zwischen einem narzisstischen Regisseur, seiner trans Schwester, seinem viel jüngeren Liebhaber und einem besessenen Stalker steht wie kein anderer Film für die wilden Jahre des frühen Almodóvar-Kinos: provokant, queer, enthusiastisch – „und voller libidinöser Energie“, wie sissy-Autor Philipp Stadelmaier schreibt. Die wahre Schönheit des Films liege dabei in den Besonderheiten der Figuren: „in einer Form von Liebe und Sanftmut, die mitten in diesem wilden Leben gedeiht.“
Riley

Riley

Was tun, wenn die mühevoll aufgebaute Fassade vermeintlicher Normalität einfach nicht mehr halten will? Inspiriert von seinen eigenen Erfahrungen als ungeouter Football-Spieler an der High-School erzählt Benjamin Howard in seinem Debütfilm „Riley“ mit beeindruckendem Feingefühl davon, wie sich das Erwachsenwerden anfühlt, wenn der Erwartungsdruck der anderen jeden Tag ein Stück zu wachsen scheint. Ein Film, der die Klischees adoleszenter Erzählungen geschickt unterläuft – und dabei „das Durcheinander, die Verwirrung und Verzweiflung des Erwachsenwerdens berührend einfängt“, wie Andreas Köhnemann schreibt.
The Times of Harvey Milk (1984)

The Times of Harvey Milk (1984)

Harvey Milks politische Karriere als Stadtrat von San Francisco dauerte nur elf Monate, doch sein Einfluss ist kaum messbar. Der Dokumentarfilm von Robert Epstein und Richard Schmiechen zeigt, wie der konventionelle Wall-Street-Angestellte zum queeren Aktivisten und Politiker wurde – und die Ungerechtigkeit nach seinem gewaltsamen Tod weiterging. „The Times of Harvey Milk“ gewann 1985 als erster Film mit schwuler Thematik einen Oscar – und schrieb noch aus einem anderen Grund Geschichte. Jetzt ist der Film in digital restaurierter Fassung erhältlich. Fabian Schäfer über ein beeindruckendes Zeitdokument, das bis heute mitreißt.
Prinz in Hölleland (1993)

Prinz in Hölleland (1993)

Kreuzberg, Anfang der 1990er. Jockel und Stefan sind ein schwules Paar, leben auf dem Bauwagenplatz und gehen beide auch mal mit Micha ins Bett. Jockel hat gerade das Heroin entdeckt – und verliert zwischen Highsein und Entzugserscheinungen allmählich Stefan und die Freiheit aus den Augen. Und dann ist da auch noch der Narr Firlefanz, der vom Prinz in Hölleland erzählt, von einem schönen Müllersbuschen und von einem bösen weißen Pulver. Der Debütfilm von Michael Stock („Postcard to Daddy“) ist ein Märchen ohne Happy End und zeigt die raue Wirklichkeit eines längst verschwundenen West-Berlins der Wendejahre und seiner linksautonomen Gegenwelt. Axel Schock geht mit dem Film auf Zeitreise.
Paris is Burning (1991)

Paris is Burning (1991)

Nach seiner Premiere beim Sundance Film Festival 1991 wird „Paris is Burning“ von Jennie Livingston zum ersten weithin bekannten Dokumentarfilm über die queere Schwarze und Latinx-Ballroom-Szene in Harlem – ein Erfolg, mit dem wahrscheinlich weder die Regisseurin noch die Mitwirkenden gerechnet hätten. Niemand ahnte, wie sehr dieses Zeugnis über Jahrzehnte hinweg das populäre Verständnis der Ballroom-Kultur prägen würde. Für sissy-Autorin Anja Kümmel ist der Film immer noch aktuell: „Durch seine nicht-lineare, nuancenreiche Machart zeigt der Film ganz nebenbei eine Vielfalt an Perspektiven und Identitäten, die heute unter dem Sammelbegriff ‚queer‘ Platz finden.“
Brokeback Mountain (2005)

Brokeback Mountain (2005)

Der Film mit den schwulen Cowboys: „Brokeback Mountain“ war eins der großen kulturellen Phänomene der Nullerjahre – von der Krtitik gefeiert, vom Publikum zum Blockbuster gemacht, von christlich-konservativen Kreisen attackiert. Was vorher eher Stoff für experimentelles New Queer Cinema gewesen wäre, hat Ang Lee mit den Hollywood-Stars Heath Ledger und Jake Gyllenhaal als klassisches, großes Erzählkino inszeniert. Für Esther Buss ein Klassiker, der „noch immer das Herz zerreißen lässt.“ Und den der aktuelle politische Backlash wieder näher an die heutige Zeit rückt.