Die Freundin meiner Freundin

TrailerQueerfilmnacht

Zaida ist Mitte 30, lebt aber so, als wäre sie noch Anfang 20. Die Nachwuchsregisseurin und Content Creatorin träumt sich durch den Tag, ist verliebt in die Liebe und ständig auf der Suche, ohne genau zu wissen wonach. Als sie frisch getrennt zurück nach Barcelona kommt, steigt sie etwas ratlos, aber voller Leidenschaft in das Liebeskarussell ihrer Freundinnen-Clique ein. Für ihren eloquenten Debütfilm „Die Freundin meiner Freundin“, der im Mai in der Queerfilmnacht zu sehen ist, schöpft Regisseurin und Hauptdarstellerin Zaida Carmona aus ihrem eigenen Bohemien-Leben. Ihr lesbisches Figurenensemble setzt sie in knallbunten Interieurs, mit verspielten Dialogen und französischen Chansons zu einer smarten Rom-Com zusammen, die unmissverständlich vom Beziehungskino Éric Rohmers inspiriert ist. Anne Küper über eine hinreißende lesbische Überschreibung der Filmgeschichte.

Foto: Salzgeber

Eye-fucking zwischen Nouvelle-Vague-Ultras

von Anne Küper

„Sie hat mich verlassen und mir ein Selbsthilfebuch geschenkt“, sagt Zaida schließlich, als sie dem befreundeten Paar am Küchentisch erzählt, wie ihre letzte Beziehung endete. Sie nimmt noch einen großen Schluck aus dem Rotweinglas, das sie fest in der Hand hält. Nicht nur der Alkohol, auch das Aussprechen von dem, was vor ein paar Tagen passiert ist, sorgen bei Zaida dafür, dass aus der Traurigkeit plötzlich Empörung wird. „Du kannst nicht einfach jemanden verlassen, ihr ein Buch schenken und so tun, als sei nichts passiert“, fügt sie hinzu. Und weiter: „Trennungen muss man gemeinsam machen.“

Dass Zaida abserviert wurde, lässt ihr keine Ruhe. Im Laufe von „Die Freundin meiner Freundin“ ist zu bemerken, wie sie auf verschiedene Strategien zurückgreift, um vom Beziehungsaus zu berichten und sich in gewisser Weise die Macht über die Erzählung zurückzuholen. In Gesprächen macht sie sich sogar gelegentlich zu derjenigen, die von beiden den Schlussstrich gezogen hat („Es hat einfach nicht funktioniert“). An wen die alte Flamme auf Instagram ihre Herzen verteilt, verfolgt die Frau mit dem rotbraunen Vokuhila-Haarschnitt derweil noch genau. Auftreten wird die Ex-Freundin im Film aber nie. Sie bleibt stumm und auf Distanz, obwohl Zaida regelmäßig versucht sie zu erreichen.


„Den Schmerz umarmen“, rät ihr eine Therapeutin, die eher Freundin als externe Fachkraft ist. Mindestens angekratzt ist das Selbstwertgefühl, erstmal also abhauen, erstmal raus, zurück nach Barcelona, wenn auch nur für drei Wochen, um Freundin Rocío wiederzusehen, der die ganzen Gefühle nicht erklärt werden müssen und mit der alles so ist wie früher. Im Club werden die Lines zusammen vom dreckigen Klodeckel gezogen, und mit Éric Rohmer, Zaidas Lieblingsregisseur, kann Rocío immer noch nix anfangen. Es wird sich gegenseitig geupdatet, wer aktuell im Bekanntenkreis was mit wem hat – und bei wem’s schon wieder vorbei ist.

Alles wie immer eben, wäre da nicht Werbefotografin und Nouvelle-Vague-Ultra Lara, der Zaida ständig im Kino begegnet. Wenn sich ihre Blicke treffen, wird das Licht um sie herum ganz pink. Pikanterweise ist Lara eigentlich mit Rocío zusammen, für die wiederum Julia zunehmendes Interesse entwickelt. Und nicht nur zwischen Lara und Zaida, auch zwischen Musikerin Aroa und Zaida geht es flirty zu.

Was bei Rohmer noch „Der Freund meiner Freundin“ (1987) hieß, wird in „Die Freundin meiner Freundin“ zu einer lesbischen Überschreibung von Filmgeschichte, in der wieder fünf Figuren im Fokus stehen, die sich umkreisen und miteinander sein wollen. Wie ihr lustvolles Miteinander jeweils heißen könnte, finden sie beim Knutschen, Rummachen, intellektuellem Schlagabtausch oder gekonntem eye-fucking zwischen Vernissage, Buchladen, Kinosaal und Bar heraus.

Foto: Salzgeber

Zaida Carmona spielt die Hauptrolle in diesem Film, bei dem sie sowohl Regie geführt hat als auch für das Drehbuch verantwortlich ist. Die machtvolle Position, sich selbst und andere Menschen in ein Skript hineinschreiben – oder sie, wie im Falle einer Trennung, schleunigst herausstreichen zu können –, zeichnet dabei auch die Rolle der Zaida im Film aus. Denn als waschechtes Thrirtysomething ist sie nicht nur als Content Creatorin tätig, einem Job, der sie an keinen Ort bindet und das Reisen nach Barcelona zur besten Freundin überhaupt erst möglich macht. Heimlich schreibt sie schon seit längerer Zeit an dem Drehbuch, das sie sich bislang selbst Rocío nicht getraut hat zu zeigen.

Wie die Lieder von Christina Rosenvinge sollen ihre zukünftigen Filme sein, träumt Zaida. Regisseurin Carmona lässt sich die Gelegenheit nicht nehmen, dass ihre Figur beim Spazieren im Park die Lieblingssängerin trifft und endlich mal alles fragen kann, was ihr auf dem Herzen liegt. Für wen wurde damals dieser eine Song geschrieben, den Zaida auf Schallplatte besitzt? Inwiefern handelt das Lied von Freund:innenschaft oder von Liebe? Und vor allem: Geht’s da jetzt um Lesben? Rosenvinges Musik steht in „Die Freundin meiner Freundin“ neben französischem Disco-Pop, dessen Synthesizer-Melancholie den Film prägt.

Der Beat lässt sich nicht aufhalten, das Leben geht trotz Liebeskummer weiter. Kapitulation („Es ist immer das Gleiche“) und Selbstzweifel („Vielleicht liegt es auch mir“) schlagen um in Neugier und Begierde, wenn mit den anderen Hotties aus der Clique an der Theke über Aszendenten diskutiert, die Tarotkarten für die zukünftige Traumfrau gelegt und wechselseitig die Hände gelesen werden, um dem Gegenüber ein wenig näher zu kommen („Deine Sexlinie sieht gut aus“). Dabei zeigt „Die Freundin meiner Freundin“ ein sehr bestimmtes Milieu anhand seiner Figuren, die neben der Lohnarbeit kreativ tätig sind. Bei Rotwein wird über den ästhetischen Aktivismus gestritten, Lara empfiehlt die Barbara-Hammer-Retrospektive. Zaidas filmkritische Einschätzung: „Nackte Lesbenfreude auf dem Land“.

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Filme, Ausstellungen, Musik und Performances machen die Freund:innen. So recht über das, was sie da tun, sprechen sie aber nicht. Sie versuchen es gelegentlich, bloß gehört es zum guten Ton in ihrem Kreis, die Dinge nicht weiter auszuführen, sondern sie nur anhand von Schlagwörtern anzureißen, die mit Nicken goutiert werden. Alle strugglen halt und versuchen weiter, irgendwie nicht abzuschmieren, durch dieses Leben zu kommen mit Mitte oder Ende 30. Ein Leben, dessen Verläufe die Eltern nicht nachvollziehen können oder wollen. Lehrerin solle Zaida werden, rät ihre Mutter beim Facetimen. Das würde doch super passen.

Ein bisschen zu alt und zu klein ist Zaida, um zu den hochgewachsenen, schlanken TikTok-Girls zu gehören, die beim Feiern im Spiegel auf dem Damenklo Selfies machen. Für eine Drogendealerin halten sie die Frau mit den bunt geschminkten Augen, den Spangen im Haar und dem felligem Rave-Look, die Boomer-Vibes verbreitet. Diese Reflexion einer waschechten Midlife-Crisis ist eine zusätzliche Ebene, die „Die Freundin meiner Freundin“ neben neu gefundenem Lebensmut und gleichzeitiger Aufarbeitung der Trennung dazuschaltet – und sich manchmal ganz beiläufig in der Art und Weise zeigt, wie Zaida je nach Szene gestylt ist, welchen weiblichen Vorbildern sie anhand von Kleidungsstücken nachkommen mag.

Foto: Salzgeber

Carmonas Film, so spaßig, luftig, leicht er ist, nimmt diese Ebene ziemlich ernst, gerade auch weil er sich dafür interessiert, was überhaupt die Bedingungen sind, um zu wissen, was wir wollen. Nicht nur eine anstrengende, sondern auch eine tolle Aufgabe kann der alltägliche Selbstentwurf sein, wird Zaida klar – ein Experiment, das dabei helfen kann, Identitäten zu erkunden, ohne dass sie festgeschrieben werden müssten. Zugleich stellt „Die Freundin meiner Freundin“ diese Form der Unverbindlichkeit auf die Probe, indem er romantische wie freundschaftliche Verhältnisse zur Schau stellt, die trotz ihrer Offenheit genau über das funktionieren, worauf sich zwei Personen verständigt haben, auch wenn es nur für eine Nacht gelten mag.

Enttäuscht ist Rocío von der besten Freundin, die sich mit Lara hinter ihrem Rücken einlässt. Trotzdem ist „Die Freundin meiner Freundin“ ein versöhnlicher Film. Einer, der verstanden hat, dass es eben dann doch vielleicht nicht so schlimm ist in Sachen Liebe, und dass alles wieder leichter werden kann, nachdem die Tage vergangen, die Sprachnachrichten verschickt, die traurigen Lieder mitgegrölt und die Stimmungsschwankungen insofern ausgesessen sind, als sie nicht mehr überraschen.

Schon wieder eine Trennung, schon wieder ein Abschied, schon wieder ein Buch, das für Zaida hinterlassen wurde. Schon wieder zwei Hände, die sich auf der kunstledernen Lehne zwischen den Sitzen näherkommen, während auf der Leinwand die Sonne untergeht. „Was ist, wenn ich mich verliebe?“, fragt Lara. „Wir müssen es riskieren“, sagt Zaida.




Die Freundin meiner Freundin
von Zaida Carmona
ES 2022, 85 Minuten, FSK 16,
spanische OF mit deutschen UT

Im Mai in der Queerfilmnacht