Classics

Sister My Sister (1994)

Sister My Sister (1994)

Frankreich 1933. Christine und ihre jüngere Schwester Lea arbeiten als Dienerinnen bei der herrischen Madame Danzard und ihrer Tochter Isabelle. Die Schwestern erledigen wortlos alle Aufgaben und ertragen jede Demütigung, weil sie sich auf diese Weise nah sein können. Nachts wird ihre Beziehung in der Zurückgezogenheit ihrer Dachkammer derweil immer körperlicher, ja rauschhafter. Doch dann bemerkt Madame Danzard erste Nachlässigkeiten im Haushalt. Nancy Mecklers Film beruht auf dem berüchtigten Kriminalfall um Christine und Léa Papin, der sich 1933 in Le Mans zugetragen hat und bereits Jean Genet zu seinem Theaterstück „Die Zofen“ inspirierte. „Sister My Sister“ ist zugleich messerscharfe soziale Klassenstudie und berührende Geschichte einer verbotenen Liebe. Anja Kümmel über ein vielschichtiges und aufregendes filmisches Wagnis.
Die Zeugen (2007)

Die Zeugen (2007)

2007 lief „Die Zeugen“ von André Téchiné im Wettbewerb der Berlinale. Aids ist ein Thema, 1984 in Frankreich, aber vor allem geht es um das Glück einer Gemeinschaft, prekär und bedroht, von Téchiné tänzerisch leicht in Bewegung versetzt. Michel Blanc, Sami Bouajila, Julie Depardieu und Emmanuelle Béart spielen die verzauberten Zeugen der Geschichte von Manu, dem Johan Libérau eine spektakuläre körperliche Präsenz und eine eigene Geschwindigkeit gibt. Zum Welt-Aidstag im Dezember in der Gay-Filmnacht, kurz danach endlich auf DVD.
Lola und Bilidikid (1999)

Lola und Bilidikid (1999)

Kreuzberg Mitte der 1990er. Murak ist 17 und schwul, aber das dürfen seine aus der Türkei stammenden Eltern nicht wissen. Auf einem seiner Streifzüge durch die verbotenen Parks und Schwulenbars lernt er die Dragqueen Lola kennen und freundet sich mit ihr an – ohne zunächst zu wissen, dass sie sein von der Familie verstoßener älterer Bruder ist. Als Lola eines Nachts ermordet wird, macht sich Murat mit ihrem Geliebtem Bilikid auf die Suche nach den Tätern. Kutluğ Atamans „Lola und Bilidikid“ ist eine funkelnde Perle des queeren Kinos aus Deutschland, die es unbedingt wiederzuentdecken gilt. Toby Ashraf hat sich auf die Spuren ihrer Entstehung gemacht, alte Drehorte besucht und mit Regisseur Ataman, Produzent Martin Hagemann und Darsteller Mesut Özdemir über den Film und das Leben danach gesprochen. Eine Liebeserklärung als Rekonstruktion.
Blue (1993)

Blue (1993)

Keine Handlung, keine Darsteller:innen, keine bewegten Bilder – sondern nur hypnotisches, statisches, strahlendes Blau. Mit „Blue“, einer durchkomponierten Montage aus Stimmen, Klängen und Geräuschen, lieferte Jarman wenige Monate vor seinem aidsbedingten Tod 1993 eine Bilanz seiner letzten Jahre und eine intime, wütende, poetische Auseinandersetzung mit seiner Erkrankung. Es ist ein in jeder Hinsicht finales und herausforderndes Werk, das für Zuschauer:innen zu einer gleichsam aufwühlenden wie sinnlichen Erfahrung werden kann. Zur exklusiven Erstveröffentlichung des Films in Deutschland als VoD im Salzgeber Club wirft Axel Schock einen Blick zurück auf Jarmans persönlichsten Film. Und er erinnert auch an Jarmans Förderer in Deutschland, Manfred Salzgeber, der als Festivalmacher und Filmverleiher das Werk des Regisseurs in die deutschen Kinos gebracht hat – und dessen Tod sich am 12. August zum 30. Mal jährt.
Der Diener (1963)

Der Diener (1963)

Joseph Loseys „Der Diener“ aus dem Jahr 1963 gilt als meisterhaftes Kammerspiel der homoerotischen Subtexte und kühner Klassiker des queeren Kinos. Dirk Bogarde brilliert darin als  höchst kultivierter Diener Barrett, der den Haushalt des Playboys Tony leitet. Barretts zunächst ehrfürchtig-devotes Verhalten gerät dabei immer weiter in Schieflage, bis die Rollen von Herr und Diener gänzlich zu kippen drohen. Fritz Göttler über die vielen Ebenen der sehr britischen Studie über Macht, Männlichkeiten und Homosexualität.
Before Stonewall (1984)

Before Stonewall (1984)

Die Pride Season ist aktuell im vollen Gange, in Berlin wird am Samstag CSD gefeiert. Wie es zu dem jährlich begangenen Fest- und Demonstrationstag kam, darum geht es in unserem queeren Filmklassiker der Woche. Greta Schiller und Robert Rosenberg erzählen in „Before Stonewall“ vom Leben und Alltag queerer US-Amerikaner:innen vor jener berühmten Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969, als sich in der New Yorker Christopher Street eine Gruppe Homosexueller und trans Personen entschlossen der Polizei widersetzte, die eigentlich die Szenebar Stonewall-Inn räumen wollte. Der Aufstand und die sich anschließenden Unruhen und Demonstrationen in den folgenden Tagen gelten als Urknall besonders eines lesbisch-schwulen Selbstbewusstseins – und als Wendepunkt im Kampf um Anerkennung und Gleichstellung. Schillers und Rosenbergs Films ist reich an seltenem Archivmaterial und enthält neben Interviews mit Allen Ginsberg und Audre Lorde vor allem Berichte und Anekdoten von Schwulen und Lesben aus der breiten Bevölkerung. Matthias Frings über die historische Bedeutung von „Before Stonewall“, den Manfred Salzgeber den „Kochbuchfilm zu unserer Geschichte“ nannte.
Orlando (1992)

Orlando (1992)

Zwanzig Jahre vor „Orlando, meine politische Biografie“, Paul B. Preciados filmischem Liebesbrief an Virginia Woolf, adaptierte Sally Potter bereits deren wegweisenden Roman auf kongeniale Weise – mit einer jungen Tilda Swinton in der androgynen Titelrolle. Queen Elizabeth I. verspricht dem jungen Dichter Orlando einen großen Landsitz, wenn er niemals altert. Gegen alle Gesetze der Natur hält sich Orlando an die Bedingung und wird zugleich zu einer Figur in ständiger Bewegung. Er durchlebt vier Jahrhunderte und mehrere Lebensentwürfe, doch keine Epoche kann seine Gestalt halten. Irgendwann erwacht Orlando als Frau. Anne Küper über einen Klassiker des non-binären Kinos, der sich permanent selbst neu entwirft und im Modus des Unvollständigen, des Lückenhaften und Assoziativen funkelt.
Unterwegs (2004)

Unterwegs (2004)

Sandra verbringt mit ihrer kleinen Tochter Jule und Freund Benni den Sommerurlaub auf einem abgelegenen Campingplatz in Brandenburg. Dort begegnen sie dem 19-jährigen Marco. Der charismatische Herumtreiber fordert die Spontaneität des Paars heraus und überredet Sandra und Benni spontan zu einer gemeinsamen Fahrt an die polnische Ostsee. In seinem Debütfilm „Unterwegs“ erzählt Jan Krüger („Rückenwind“, „Auf der Suche“, „Die Geschwister“) eine zerbrechliche Dreiecksgeschichte, die sich ganz aus den Geheimnissen ihrer Figuren entwickelt. Für sein Road Movie voller ungeahnter Sehnsüchte und Möglichkeiten wurde der Regisseur im Jahr 2004 mit dem Tiger Award des Filmfestivals Rotterdam ausgezeichnet. Andreas Wilink über einen Klassiker des jungen queeren Kinos aus Deutschland, der verführerisch vom Ausscheren aus dem Geplanten und Geregelten erzählt.
Priscilla – Königin der Wüste (1994)

Priscilla – Königin der Wüste (1994)

Auf dem Weg zu einem vielversprechenden Job reisen drei Dagqueens in einem aussortierten Reisebus durch halb Australien, von Sydney nach Alice Springs, und haben dabei trotz diverser Anfeindungen die Zeit ihres Lebens. Stephan Elliotts Roadmovie „Priscilla – Königin der Wüste“ avancierte 1994 zu einem der erfolgreichsten Filme der australischen Filmgeschichte und gilt längst als Kult. Axel Schock über ein bahnbrechendes Wüstenabenteuer, das sehr viel Staub aufwirbelt, aber auch nach 30 Jahren keineswegs verstaubt ist.
Maurice (1987)

Maurice (1987)

Großbritannien im Jahre 1909: Maurice und Clive sind Collegeboys in Cambridge und verlieben sich ineinander. Um seine Karriere als Anwalt nicht zu gefährden, beendet Clive die Verbindung und stürzt seinen Geliebten in eine tiefe  Sinn- und Lebenskrise. Die löst sich erst, als Maurice den ungestümen Jagdaufseher Scudder kennenlernt. Regisseur und Drehbuchautor Jamey Ivory und sein Partner und Produzent Ismail Merchant galten jahrzehntelang als Dreamteam und Spezialisten für elegant-subtile Literaturverfilmungen und period pieces. "Maurice", nach dem gleichnamigen Roman von E. M. Forster, ist ihr explizitester Film und machte einen gewissen Hugh Grant zum Schwarm nicht weniger schwuler Männer. Matthias Frings blickt zurück auf ein bahnbrechendes Liebes- und Entwicklungsdrama, das zusammen mit drei weiteren queeren Filmen Mitte der 1980er Jahre das Coming-out des britischen Kinos markiert.