Christian Lütjens (Autor)

Baby

Baby

In der Tradition von komplexen Szenefilmen wie „My Private Idaho“ und „Sauvage“ erzählt „Baby“ die mitreißende Geschichte eines queeren Erwachsenwerdens auf den Straßen von São Paulo: Nach seiner Entlassung aus dem Jugendknast lernt der 18-jährige Wellington den 42-jährigen Sexworker Ronaldo kennen. Der erfahrene Escort nimmt den jungen Mann unter seine Fittiche und zeigt ihm das Rotlichtmilieu, in dem auch Wellington unter dem Namen „Baby“ zu arbeiten beginnt. Regisseur Marcelo Caetano („Body Electric“) nähert sich den Figuren und Schauplätzen seines Films ohne Vorurteile und mit großer Empathie an und feiert die Solidarität zwischen Außenseitern, ohne die Schattenseiten des Milieus zu kaschieren. Im Februar ist „Baby“ in der Queerfilmnacht auf der großen Leinwand zu sehen. Christian Lütjens über eine packende Coming-of-Age-Reise zwischen Glück und Abgrund, Halt-Finden und Abstürzen.
On the Go

On the Go

Zum Beginn des Jahres geht es in der Queerfilmnacht mit dem queerfeministischen Roadmovie „On the Go“ durch halb Spanien: Milagros möchte schwanger werden, schreckt aber vor der Anonymität der künstlichen Befruchtung zurück. Mit einem alten Chevrolet macht sie sich auf nach Sevilla und gabelt ihren besten Freund Jonathan auf, dessen Grindr-Sucht sie für ihre Zwecke nutzen möchte. Die benutzten Kondome seiner Sexdates können ja schließlich auch noch zu etwas gut sein! Zu den beiden Freibeuter:innen gesellt sich eine dritte Person dazu: das internationale Sexsymbol La Reina de Triana. Und dann gibt es da auch noch einen mysteriösen Verfolger aus Jonathans Vergangenheit. Christian Lütjens über einen wilden filmischen Ritt voller unerwarteter Abzweigungen, sexueller Anspielungen und surrealer Dialoge.
Like It Is (1998)

Like It Is (1998)

Craig ist 21 und verdient sein Geld mit illegalen Boxkämpfen im rauen Arbeiterviertel von Blackpool. Dass er auf Typen steht, soll hier keiner wissen. Doch nach einem One-Night-Stand mit dem coolen Musikmanager Matt erwacht in ihm die Sehnsucht, das Leben in der schwulen Metropole London kennenzulernen. Er folgt Matt in die wilde Clubszene Sohos, doch nach einer exzessiven Zeit mit Sex, Drogen und Techno bröckelt die Fassade ihrer Beziehung. Mit viel nackter Haut, pulsierendem Pop und einer aufwühlenden Liebesgeschichte avancierte Paul Oremlands „Like It Is“ 1998 zum Kulthit und gilt heute als Klassiker des britischen Queer Cinemas. Christian Lütjens über eine schnelle und harte Nineties-Ballade mit zeitlosem britischem Lad-Charme, die schwules Leben mit einer Selbstverständlichkeit behandelt, die noch immer beispielhaft ist.
Maestro

Maestro

Als „unerschrockene Liebesgeschichte“ beschreibt Netflix sein Leonard-Bernstein-Biopic „Maestro“ und meint damit natürlich die komplexe Beziehung zwischen der Musikerlegende und seiner Ehefrau, der chilenischen Schauspielerin Felicia Montealegre – und eben nicht eine von Bernsteins diversen schwulen Beziehungen. Gerade wurde Bradley Coopers ziemlich normativer Ritt durch das Liebesleben des Dirigentenstars für sieben Oscars nominiert. Christian Lütjens kann dem Schauspiel und der Inszenierung zwar Einiges abgewinnen, findet aber auch, dass der Film die Sprachlosigkeit, die in den 1950er- und 1960er-Jahren im Umgang mit Homosexualität vorherrschte, durchaus reproduziert, indem er entscheidende Kontexte nur andeutet oder ganz aulässt.
Brotherhood

Brotherhood

Soldat Lars quittiert den Dienst in der Dänischen Armee, nachdem Gerüchte über den Flirt mit einem Kameraden seine Beförderung verhindert haben. Zurück in der Heimatstadt, schließt er sich trotz ideologischer Bedenken einer Gruppe Neonazis an. Dabei treibt ihn vor allem eine vage Wut auf das System und seine Eltern an, aber auch die Anziehung zu Bandenmitglied Jimmy. Doch eine Liebe zwischen Männern ist in der Bruderschaft nicht vorgesehen. Regisseur Nicolo Donato erzählt in „Brotherhood“ von einer aufkeimenden schwulen Beziehung im rechtsradikalen Milieu, ohne die Neonazi-Szene zu verharmlosen oder in Klischees zu verfallen. Christian Lütjens über ein packendes, ambivalentes Liebesdrama, das es jetzt, knapp 15 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung, wieder auf DVD und VoD gibt.
Zwischen uns beiden

Zwischen uns beiden

Jetzt als DVD und VoD: Laeti und Elodie sind seit Jahren zusammen und wünschen sich ein Kind. Der neue Untermieter Simon soll das nötige Geld in die Paarkasse bringen. Doch plötzlich fühlt sich Laeti auf mysteriöse Weise körperlich zu dem attraktiven Zauberkünstler hingezogen. Nach seinem Sektendrama „In-Sect“ und der Marilyn-Monroe-Hommage „Fragments“ verschränkt der französische Regisseur Jude Bauman in „Zwischen uns beiden“ den Kampf zweier Frauen um ihr Liebesglück mit Fragen nach queerer Elternschaft und Familienplanung. Christian Lütjens hat sich von den opulenten Bildern und der sinnlichen Stimmung des Films einfangen lassen.
SUPER 8: Interview mit Michael Brynntrup

SUPER 8: Interview mit Michael Brynntrup

„Sollte man gesehen haben“, schrieb Wiglaf Droste 1986 lakonisch in der taz über die „Intimität, Unmittelbarkeit und schnell entwickelte Situationskomik“ der Super-8-Filme von Michael Brynntrup. Als „ästhetisch gebrochen und pathetisch verrätselt: wunderschön ambitioniert“ charakterisierte sie Dietrich Kuhlbrodt 1990 in der Frankfurter Rundschau. Der neue Bild- und Textband von Michael Brynntrup zelebriert auf 400 Seiten die Magie des Phänomens Super 8. Als Mischung aus Werkschau und eigenständigem Opus lässt dieses, wie es der Künstler selbst nennt, „Materialbuch“ Fotos, Grafiken und Zeichnungen auf Tagebucheinträge, Rezensionen und Filmskizzen treffen. Christian Lütjens hat mit Brynntrup über das Buch, grenzenlose Kunst und die wilden 80er gesprochen.
Boy Meets Boy

Boy Meets Boy

Jetzt im Salzgeber Club: In seinem Debütfilm erzählt der spanische Regisseur Daniel Sánchez López von Harry und Johannes, die sich in einem Berliner Club kennenlernen und in den folgenden 15 Stunden verliebt durch die Stadt ziehen. Je länger sie zusammen sind, umso schmerzlicher wird das Bewusstsein, dass ihnen dafür nicht mehr viel Zeit bleibt – Harry muss nämlich am nächsten Tag nach Großbritannien zurück. „Boy Meets Boy“ steht in der Tradition realistischer Liebesdramen wie „Before Sunrise“ und „Weekend“: gefilmt an Originalschauplätzen mit zum Teil improvisierten Dialogen und zwei hinreißenden Neuentdeckungen, Matthew James Morrison und Alexandros Koutsoulis. Christian Lütjens über eine queere Berliner Indie-Perle.
Paragraph 175

Paragraph 175

Zwei Filme, ein Thema: Anlässlich des Kinostarts von „Große Freiheit“ kommt im Salzgeber Club der preisgekrönte Dokumentarfilm „Paragraph 175“ von Rob Epstein und Jeffrey Friedman („The Celluloid Closet“) neu als VoD heraus. Das Regie-Duo zeichnet darin das Schicksal der Homosexuellen im Dritten Reich nach – einer lange Zeit vergessenen Opfergruppe. Für Christian Lütjens funktioniert der Film sowohl als Ergänzungs- wie als Gegenprogramm zum Kinobesuch.
Supernova

Supernova

Jetzt im Kino: Im Drama „Supernova“ von Harry Macqueen spielen die Hollywood-Stars Colin Firth und Stanley Tucci ein Paar auf einem Roadtrip durch den nordwestenglischen Nationalpark Lake District, das im Angesicht einer Demenzerkrankung mit den großen Fragen der menschlichen Existenz konfrontiert wird. Christian Lütjens berichtet von einer ergreifenden Filmerfahrung – und fragt sich, wie queer „Supernova“ eigentlich ist.