Zwischen uns beiden

TrailerDVD/VoD

Jetzt als DVD und VoD: Laeti und Elodie sind seit Jahren zusammen und wünschen sich ein Kind. Der neue Untermieter Simon soll das nötige Geld in die Paarkasse bringen. Doch plötzlich fühlt sich Laeti auf mysteriöse Weise körperlich zu dem attraktiven Zauberkünstler hingezogen. Nach seinem Sektendrama „In-Sect“ und der Marilyn-Monroe-Hommage „Fragments“ verschränkt der französische Regisseur Jude Bauman in „Zwischen uns beiden“ den Kampf zweier Frauen um ihr Liebesglück mit Fragen nach queerer Elternschaft und Familienplanung. Christian Lütjens hat sich von den opulenten Bildern und der sinnlichen Stimmung des Films einfangen lassen.

Foto: Salzgeber

Show me love, show me love

von Christian Lütjens

„Ich bin elosexuell“, sagt Laeti in einer Art Schlüsselszene von „Zwischen uns beiden“, um der bedingungslosen Treue zu ihrer Freundin Elodie Ausdruck zu verleihen. Und, ach, wie gerne würde Elodie daran glauben. Doch sie hat Zweifel. Denn nicht nur war Laeti vor der Beziehung zu ihr nur mit Männern zusammen, Laeti ist auch so völlig anders als sie selbst. Nämlich nicht strebsam, strikt und ein bisschen spröde, sondern ein Wildfang, ein Freigeist, ein Blatt im Wind der Versuchungen des Daseins. Zu allem Überfluss ist sie auch noch bildhübsch. Sie weckt also Begehrlichkeiten bei Angehörigen jeglichen Geschlechts. So auch bei jenem Menschen, dem gegenüber das Elosexualitäts-Bekenntnis getätigt wird: Simon, ein geschwätziger Hobby-Philosoph, der sich mit Auftritten als Zauberer in einem Travestie-Club über Wasser hält und eine Ratte namens Henry als Haustier hat.

Simon ist der neue Mitbewohner von Elo und Laeti. Und er versteht den Treueschwur nicht als Gebot zur Zurückhaltung, sondern als Aufforderung, seinen heterosexuellen Macho-Stolz daran zu messen. Er versucht, Laeti zu verführen. Mit Erfolg. Wenig später landen Simon und Laeti zusammen in der Kiste und werden dabei in flagranti von Elo erwischt. Schockstarre, Tränen, Geschrei. Doch die beiden Frauen raufen sich zusammen. Simon fliegt hochkant aus der Wohnung, und als ein paar Wochen später herauskommt, dass Laeti durch den Seitensprung schwanger geworden ist, beschließen sie nach kurzem Weh und Ach das Kind trotz allem zu behalten. Eigentlich kommt die Schwangerschaft sogar ganz gelegen, schließlich wünschen sich die beiden schon lange ein Kind. Beziehungsweise besonders Elo, die wegen einer herzfehlerbedingten Hormonstörung aber keine Babys bekommen kann. Ein Happy End scheint zum Greifen nah. Doch das aufkeimende Familienglück hat drei unerbittliche Gegner – Elos Eifersucht, Laetis Wankelmütigkeit und natürlich Simon.

Wenn das alles jetzt ein bisschen nach Seifenoper klingt, täuscht dieser Eindruck nicht wirklich. Regisseur Jude Bauman hat eine Schwäche fürs Melodramatische, und scheint seine Story und deren Hauptfiguren mit einem gewissen Genuss von einer Klippe zur nächsten zu treiben. Dass dabei zuweilen aus dem Fokus gerät, welche Geschichte hier eigentlich erzählt werden soll, ist symptomatisch für das Von-allem-ein-bisschen-Zuviel, das „Zwischen uns beiden“ auf sämtlichen Ebenen – schauspielerisch, optisch, erzählerisch – anhaftet.

Andererseits wird es so auch nicht langweilig. Die Zusehenden schwelgen in idyllischen Bildern der südfranzösischen Stadt Narbonne (der Schauplatz der Handlung), sie taumeln durch hysterische Eifersuchtsdramen und kokette Wortgefechte, werden eingehüllt von zarten Geigenklängen und Iyeoka Okoawos Soul-Jazz-Hymne „Simply Falling“, die dem Film mit ihrem „Show Me Love“-Chorus als eine Art Leitmotiv dient. Und sie werden Zeug:innen diverser in sanften Blaufilter getauchter Sexszenen, die in ihrer hingebungsvoll weichgezeichneten Sinnlichkeit zwar völlig aus der Zeit gefallen sind – „Bilitis“ (1977) und „9 1/2 Wochen“ (1986) lassen grüßen –, aber dem Ganzen eben auch etwas Entrücktes, Naives, Nostalgisches verleihen, das im realitätsverhafteten queeren Kino in dieser ungebrochenen Form selten vorkommt.

Foto: Salzgeber

Die jungen Darstellerinnen machen das alles mit vollem Körpereinsatz mit. Sie sind es gewohnt: Bei Instagram kann man Iris Jodorowsky (Laeti) nicht nur privat sexy posieren sehen, sondern auch für eine Uniqlo-Kampagne und den mexikanischen Glamour-Fotografen Alberto HV, während sich Amandine Noworyta (Elodie) als „Fashionista du Must-Have“ definiert und fast ausschließlich im Bikini präsentiert. In Anbetracht des Letzteren gewinnt ihre schauspielerische Leistung als kränkliche, dauergestresste Elodie an Gewicht. Der Model-Hintergrund beider Darstellerinnen erklärt aber auch eine gewisse Klischiertheit, die ihr Spiel ebenso prägt wie den ganzen Film. Ein Aspekt, den Regisseur und Drehbuchautor Jude Bauman eher pflegen zu wollen scheint, statt ihn zu entkräften.

Einen Aktivismus-Orden wird „Zwischen uns beiden“ also nicht gewinnen. Die queerpolitisch relevanten Themen des Films – lesbischer Kinderwunsch, Bisexualität, Treuebegriffe, Chauvinismus – dienen Bauman eher als Mittel zum Zweck, um die Handlung voranzutreiben und schöne Bilder zu kreieren, statt als Grundlage für eine fundierte oder kritische Auseinandersetzung. Ihn interessieren das Drama, die Tränen und die Leidenschaften, die jede Sachlichkeit verpuffen lassen und jede Aufgeklärtheit in die Knie zwingen, auf dass die Protagonistinnen am Ende zerstört, aber erleuchtet erkennen, dass die wirklich wahre Liebe erst hinter den hehren Stürmen der Leidenschaft wartet, beziehungsweise sie überlebt hat.

Foto: Salzgeber

So gehen Laeti und Elo als Märtyrerinnen aus „Zwischen uns beiden“ hervor. Geläutert. Geschunden. Aber Arm in Arm. Das ist Katholik:innen-Kitsch. Und es ist alles andere als neu. Aber es ist der Stoff, aus dem seit jeher Geschichten gedrechselt wurden, die Menschen für ein paar selige Augenblicke an die alles überdauernde Kraft der großen Liebe glauben ließen. Ob dieser Glaube ein Märchen ist und seine (Wieder-)Entdeckung das ganze Affentheater zuvor wirklich wert war, ist in solchen Momenten zweitrangig. Der Mensch lebt nur noch halb, aber die Liebe umso mehr, und Iyeoka schmachtet dazu „Show me love, show me love“. Schluchz und schnief und Halleluja! Sich über die ganze Rührseligkeit schlapplachen kann man beim Bier danach ja immer noch. Sich über die stereotypen Frauenbilder und die karikaturenhafte Schwarz-Weiß-Zeichnung der Charaktere aufregen ebenfalls. Man kann es aber auch bleiben lassen. Dieser Film will die Welt nicht verändern. Er will sie unterhalten. Und das tut er – besser als eine Seifenoper.




Zwischen uns beiden
von Jude Bauman
FR 2021, 100 Minuten, FSK 16,
franzsösiche OF mit deutschen UT

 

Zur DVD im Salzgeber.Shop

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VoD: € 4,90 (Ausleihen) / € 9,90 (Kaufen)

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