Allgemein

Michael Sollorz: Abel und Joe

Michael Sollorz: Abel und Joe

Mit seinem Debütroman „Abel und Joe“ brachte der Berliner Autor Michael Sollorz 1994 das Lebensgefühl einer ganzen Generation schwuler Männer auf den Punkt. Die Geschichte über einen jungen Mann, der auf der Suche nach seinem Freund die Sehnsuchtsorte und Cruising-Spots im wiedervereinten Berlin durchstreift, wurde zum Dauerseller. Sie verschwand nur aus den Buchläden, weil der Verlag rosa Winkel, in dem sie erschienen war, Anfang der 2000er pleiteging. Jetzt, 30 Jahre nach der Erstausgabe und 35 Jahre nach dem Mauerfall, ist der Klassiker als Neuausgabe erschienen. Trifft er auch heute noch einen Nerv? Gabriel Wolkenfeld über ein noch immer waghalsiges und vor Potenz geradezu strotzendes Werk.
Another Country (1984)

Another Country (1984)

Sommer 1932. Der adelige Internatsschüler Guy Bennett hat die Chance, zu den „Lords“ aufzusteigen – eine innerschulisch herrschende Elite-Gemeinschaft, denen alle Türen für die berufliche Zukunft offen stehen. Doch Guys Affäre mit den jüngeren Mitschüler Harcourt gefährdet den Aufstieg, da die Schule Homosexualität nur bedingt duldet. Mit leuchtenden Bildern und Cambridge-Romantik ebnete Marek Kanievskas sinnliches Internatsdrama „Another Country“ die Karrieren von Rupert Everett und Colin Firth. Matthias Frings ist 40 Jahre später noch einmal in den filmischen College-Kosmos eingetaucht und fördert hinter dem Schmelz der idyllischen Genrebilder eine bis heute faszinierende Abgründigkeit und Gesellschaftskritik zutage.
Life Is Not a Competition, But I’m Winning

Life Is Not a Competition, But I’m Winning

Wenn die Sportgeschichte von den Siegern geschrieben wird, wo bleiben dann all jene, die nie an den großen Wettbewerben teilnehmen durften? In Julia Fuhr Manns semidokumentarischem Debütfilm entert ein Kollektiv queerer Athlet:innen das Olympiastadion von Athen und ehrt dort diejenigen, für die das Siegerpodest niemals vorgesehen war. Sie treffen Amanda Reiter, eine trans Marathonläuferin, die mit den Vorurteilen der Sportveranstalter:innen zu kämpfen hat, und Annet Negesa, eine 800m-Läuferin, die von den internationalen Sportverbänden zu einer hormonverändernden Operation gedrängt wurde. Gemeinsam erschaffen sie eine radikale Utopie. Noemi Yoko Molitor über einen Film, der den normativen Machtgefällen, die der Leistungssport bis heute erzeugt, reparative Bilder und Gesten entgegensetzt.
Golden Delicious

Golden Delicious

Der chinesisch-kanadische Teenager Jake ist gerade im letzten Highschool-Jahr. Sein Vater will einen Basketball-Profi aus ihm machen, seine Freundin endlich eine feste Beziehung, und auf Social Media muss das Leben sowieso immer perfekt aussehen. Doch als der offen schwule Basketball-Crack Aleks mit seiner Familie ins Haus gegenüber einzieht, ändern sich Jakes Prioritäten schlagartig. Wie wird man als schwuler Teen heute unter den Augen von Eltern, Mitschüler:innen und der sozialen Medien erwachsen? Diese Frage beantwortet Regisseur Jason Karman mit einem Coming-of-Age-Drama, das zugleich von den besonderen Herausforderungen eines Coming-outs in der asiatisch-kanadischen Community erzählt. Andreas Köhnemann über einen feinfühligen Ensemblefilm, der nicht nur seinen Protagonisten, sondern auch seine Nebenfiguren ernst nimmt.
Joyland

Joyland

Haider ist der jüngste Sohn in einer pakistanischen Großfamilie. Während seine Frau Mumtaz als Kosmetikerin arbeitet, kümmert er sich um die Nichten und pflegt seinen Vater. Doch ohne Einkommen und Nachwuchs entspricht er nicht den konservativen Vorstellungen seiner Familie. Er fängt als Tänzer in der Show von trans Frau Biba an – vordergründig um selbst Geld zu verdienen, eigentlich aber aus Faszination für die selbstbewusste Künstlerin. Haider verliebt sich in Biba und gerät in ein moralisches Dilemma. Saim Sadiqs Spielfilmdebüt war der erste pakistanische Film, der bei den Filmfestspielen in Cannes gezeigt wurde. Jetzt ist „Joyland“ im Kino zu sehen. Barbara Schweizerhof über einen Liebesfilm, der psychologisch komplex vom Leid erzählt, das die Zwänge und starren Geschlechterrollen einer streng patriarchal organisierten Gesellschaft erzeugen.
McKenzie Wark: Reverse Cowgirl

McKenzie Wark: Reverse Cowgirl

Nicht weniger als ein neues Literaturgenre wollte die Kulturwissenschaftlerin McKenzie Wark mit ihrem 2020 erschienenen Memoir „Reverse Cowgirl“ etablieren. In dem Buch lässt sie ihr Leben abseits eindeutiger Zugehörigkeiten zu Szenen, Identitäten und Geschlechtern Revue passieren. Wo keine Norm greift, tun es auch gängige Literaturkategorien nicht, also postulierte die Autorin „another genre for another gender“ und rief mit „Reverse Cowgirl“ die Geburt der „Autoethnographie der Undurchsichtigkeit unseres Selbst“ aus. Zum Erscheinen der deutschen Übersetzung des Buches hat Anja Kümmel sich in die Wark’sche Orgie aus Erinnerungen, philosophischen Zitaten und sexuellen Eskapaden hineingeworfen und einen durch und durch queeren Text entdeckt, der unabhängig von kleineren Schwächen tatsächlich das Prädikat „unvergleichlich“ verdient.
Spoiler Alarm

Spoiler Alarm

In seinen Memoiren „Spoiler Alert: The Hero Dies“ verarbeitet der Journalist Michael Ausiello den frühen Krebstod seines Ehemanns Kit – und landete damit 2017 in den USA einen Bestseller. Regisseur Michael Showalter („The Big Sick“) hat das Buch nun als Tragikomödie mit Jim Parsons, Ben Aldridge und Sally Field verfilmt. „Spoiler Alarm“ erzählt die Beziehung zwischen Michael und Kit vom ersten Kennenlernen bis zu Kits schwerer Erkrankung also große Love Story. Andreas Köhnemann über einen Film, der in Sachen romantischer Comedy und schwulem Nerdfaktor den Vergleich mit „Bros“ nicht scheuen muss, seinen Figuren aber weitaus einfühlsamer begegnet als sein knapper Vorläufer.
Sublime

Sublime

Manu und Felipe sind beste Freunde. Sie spielen zusammen in einer Band und teilen sonst auch so ziemlich alles miteinander. Als Manu das „erste Mal“ mit seiner Freundin plant, bespricht er das natürlich mit Felipe. Doch plötzlich sind da Gefühle, die Manu immer mehr durcheinander bringen: Eigentlich würde er viel lieber Felipe küssen! Mariano Biasin erzählt in „Sublime“ von einem Gefühlschaos, das wohl jede:r schon einmal erlebt hat: Was passiert mit einer Freundschaft, wenn plötzlich Liebe und Begehren ins Spiel kommen? Andreas Köhnemann über einen authentischen Coming-of-Age-Film aus Argentinien, der noch ans Träumen glaubt.
Rakel Haslund-Gjerrild: Adam im Paradies

Rakel Haslund-Gjerrild: Adam im Paradies

Der Roman „Adam im Paradies“ verschränkt eine sprachgewaltige Erzählung über das Leben des dänischen Meistermalers Kristian Zahrtmann (1843-1917) mit authentischen Schriftstücken, die die Hetze gegen Homosexuelle im Dänemark zu Beginn des 20. Jahrhunderts dokumentieren. Das Ergebnis ist einerseits ein Dialog zwischen historischer Wirklichkeit und Fiktion, anderseits eine literarische Antwort auf Zahrtmanns queere Kunst und seine nie öffentlich eingestandene Homosexualität. Dafür wurde Autorin Rakel Haslund-Gjerrild in ihrer dänischen Heimat mit Kritikerlob und Preisen bedacht. Zu Recht, findet Can Mayaoglu, die für die jüngst erschienene deutsche Übersetzung des Romans in ihrem Bücherregal schon mal einen Platz neben den nordischen Meistern freigeräumt hat.
SUPER 8: Interview mit Michael Brynntrup

SUPER 8: Interview mit Michael Brynntrup

„Sollte man gesehen haben“, schrieb Wiglaf Droste 1986 lakonisch in der taz über die „Intimität, Unmittelbarkeit und schnell entwickelte Situationskomik“ der Super-8-Filme von Michael Brynntrup. Als „ästhetisch gebrochen und pathetisch verrätselt: wunderschön ambitioniert“ charakterisierte sie Dietrich Kuhlbrodt 1990 in der Frankfurter Rundschau. Der neue Bild- und Textband von Michael Brynntrup zelebriert auf 400 Seiten die Magie des Phänomens Super 8. Als Mischung aus Werkschau und eigenständigem Opus lässt dieses, wie es der Künstler selbst nennt, „Materialbuch“ Fotos, Grafiken und Zeichnungen auf Tagebucheinträge, Rezensionen und Filmskizzen treffen. Christian Lütjens hat mit Brynntrup über das Buch, grenzenlose Kunst und die wilden 80er gesprochen.