Spoiler Alarm

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In seinen Memoiren „Spoiler Alert: The Hero Dies“ verarbeitet der Journalist Michael Ausiello den frühen Krebstod seines Ehemanns Kit – und landete damit 2017 in den USA einen Bestseller. Regisseur Michael Showalter („The Big Sick“) hat das Buch nun als Tragikomödie mit Jim Parsons, Ben Aldridge und Sally Field verfilmt. „Spoiler Alarm“ erzählt die Beziehung zwischen Michael und Kit vom ersten Kennenlernen bis zu Kits schwerer Erkrankung also große Love Story. Andreas Köhnemann über einen Film, der in Sachen romantischer Comedy und schwulem Nerdfaktor den Vergleich mit „Bros“ nicht scheuen muss, seinen Figuren aber weitaus einfühlsamer begegnet als sein knapper Vorläufer.

Foto: Universal Pictures

Auf immer und ewig

von Andreas Köhnemann

Schon in seinem Titel enthält dieser Film einen Warnhinweis. Er ist dabei jedoch etwas zurückhaltender als die Buchvorlage. In „Spoiler Alert: The Hero Dies – A Memoir Of Love, Loss, And Other Four-Letter Words“ (2017) verarbeitet der Autor Michael Ausiello den frühen Krebstod seines Ehemanns Kit Cowan. Der passionierte Fernsehjournalist schreibt über sein Leben, wie er sonst über Serien und andere TV-Formate schreibt: voller Witz und popkultureller Anspielungen, und zugleich mit der nötigen Tiefe und Aufrichtigkeit. Unter der Regie von Michael Showalter, der sich mit tragikomischen Stoffen auf der großen Leinwand und auf dem kleineren Bildschirm bestens auskennt, ist aus Ausiellos Memoiren ein Film geworden, der diese Tonalität stimmig aufgreift.

Insbesondere in US-Kritiken wurde „Spoiler Alarm“ immer wieder in Bezug zu „Bros“ (2022) gesetzt – zumal die Kinostarts der beiden Filme in den USA im vergangenen Jahr noch deutlich näher beieinanderlagen. „Bros“ gab sich vollmundig und womöglich ein bisschen ignorant als erste schwule romantische Komödie eines großen Hollywood-Studios aus. Bobby, der Protagonist aus „Bros“, ist als Kurator eines ambitionierten LGBTQ+-Museums tätig – und der gesamte Film schien bei allem vermeintlich revolutionären Eifer oft zu vergessen, dass eine einnehmende Liebesgeschichte interessante Figuren und spannende Konflikte braucht, sowie einen Humor, der darüber hinausgeht, mit postmoderner Auf- und Abgeklärtheit auf Klischees im (queeren) Leben und in der Kunst hinzuweisen.

Wenn es Zeit und Raum erlauben würden, wäre es absolut vorstellbar, dass Michael und Kit, die Helden aus „Spoiler Alarm“, in einer für Romcoms typischen Montagesequenz, die ein harmonisches Date einfängt, gemeinsam durch jenes Museum aus „Bros“ schlendern. Auch sie sind geprägt von den (Rollen- und Vor-)Bildern, mit denen sie aufgewachsen sind. Doch während Bobby und dessen Love Interest Aaron in „Bros“ bis zum Schluss eher Stereotype bleiben, die bestimmte Eigenschaften der schwulen Datingwelt und der kinematografischen Liebesfiktion zu verkörpern haben, wirken Michael und Kit wie Menschen, zu deren Leben die medialen Muster und Ideale neben allem anderen im Alltag einfach dazugehören. Mal auf ganz banale Weise, zum Beispiel wenn das Paar kurz vor seiner standesamtlichen Hochzeit versehentlich in Dreharbeiten zur Serie „Law & Order“ hineinstolpert. Und zuweilen auf verblüffend emotionale Art, etwa wenn Michael in einem extrem aufwühlenden Moment im Krankenhaus bemerkt, dass er gerade Shirley MacLaine in ihrer Oscar-gekrönten Performance in „Zeit der Zärtlichkeit“ (1983) imitiert.

Michael sieht seine nicht allzu glückliche Kindheit und zuweilen auch seine Gegenwart durch eine Fernsehbrille. In Rückblenden bewegt er sich als kleiner Junge mit seiner alleinerziehenden Mutter und seinen beiden Brüdern durch eine Sitcom-Kulisse der späten 1980er oder frühen 1990er Jahre, in einem betont billigen Studio-Look und unterlegt mit künstlich fröhlichen Lachern vom Band. Das ist wiederum mehr als ein hübsches audiovisuelles Gimmick, sondern eine treffende Veranschaulichung, wie Michael mit starken Gefühlen und Konflikten umzugehen versucht. Auch Begeisterung, Eifersucht, Hoffnung, Angst oder Schmerz aktivieren bei ihm den filmischen Filter und führen dazu, dass Personen plötzlich in Zeitlupe tanzen und umherlaufen, in knapper Badehose im Büro herumstehen (Attraktiver-Kollege-im-Umfeld-des-Liebsten-Alarm!) oder aus dem Off „And cut!“ rufen, weil die Situation schlichtweg nicht mehr länger zu ertragen ist.

Foto: Salzgeber

„Spoiler Alarm“ ist – so trivial das auch klingen mag – ein sehr einfühlsamer Film, der Themen nicht deshalb zu behandeln scheint, weil sie irgendwie zum Genre oder zum Zeitgeist passen, sondern weil sie untrennbar mit einer Figur verknüpft sind. Wenn Michael und Kit zum ersten Mal zusammen im Bett liegen, kommen die Körperprobleme und Komplexe zur Sprache, die Michael als „former fat kid“, wie er selbst es ausdrückt, mit sich herumträgt. Momente, die leicht schnellen Gags geopfert werden könnten, fügen sich im Laufe des Plots zu einem multidimensionalen Charakterbild, dürfen dabei aber dennoch witzig sein – etwa wenn das Entkleiden in besagter Szene maximal unbeholfen verläuft oder wenn sich Michaels Wohnung in einer späteren Passage als überaus ungewöhnlich dekorierter Ort entpuppt.

Ebenso ist jede Sequenz mit Kits Eltern Marilyn und Bob ein bittersüßes Vergnügen. Das liegt zum einen am warmen Spiel von Sally Field und Bill Irwin, und zum anderen an den Dialogen, die nie bloß auf eine Pointe hinarbeiten, sondern allen Beteiligten die Möglichkeit geben, kleine Gesten der Wahrhaftigkeit unterzubringen. So erzählt „Spoiler Alarm“ auch von Kits spätem Coming-out. Und falls sich in diesen Strang irgendwo ein Klischee verirrt haben sollte, dann haben Field und Irwin es so souverän mit Authentizität und robustem Charme überdeckt, dass es wirklich nicht mehr sicht- oder hörbar ist. Die Interaktion zwischen den beiden Männern und dem älteren Ehepaar erinnert weniger an zugespitzt gestaltete Romcoms wie „Schlaflos in Seattle“ (1993) als vielmehr an die bemerkenswert lebensnahen Liebesfilme von Albert Brooks, vor allem „Modern Romance“ (1981).

Foto: Universal Pictures

In dramatischen Momenten, wenn Krankheit und drohender Tod in den Alltag dringen, ist die Inszenierung überraschend zurückgenommen. Ein bedeutsames Gespräch wird von außen durch ein Fenster gefilmt, ohne dass wir das Gesagte hören. Nur durch einen Türspalt erhaschen wir Marilyns Tränen der Verzweiflung. Mit revolutionärem Gestus kommt „Spoiler Alarm“ in seiner Dramaturgie und seiner Bildsprache nicht daher. Er trotzt dem Filmischen beziehungsweise seiner eigenen Existenz indes etwas Triumphales, Überstrahlendes ab.

Ein Happy End, wie es die meisten Liebespaare im (Hollywood-)Kino erfahren, ist für Michael und Kit, wie von Anfang an verraten wird, nicht vorgesehen. Aber die Tatsache, dass aus dem Leben und der Liebe der realen Vorbilder ein Film wurde, hält das Glück der beiden nun für alle Zeit fest. Und das ist – Spoiler – dann doch ein verdammt schöner Schluss dieser Geschichte.




Spoiler Alarm
von Michael Showalter
US 2023, 112 Minuten, FSK 12,
deutsch OF, englische OF mit deutschen UT

Ab 4. Mai im Kino.