Bros

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In „Bros“ schliddert der New Yorker Dauer-Single und Queer-Podcaster Bobby fast zufällig in eine ernsthafte Beziehung – und manövriert sich mit Humor und Augenzwinkern durch die klassisch komplizierten Stationen einer Romanze bis hin zum anfangs ziemlich unwahrscheinlichen Liebesglück. Als „die erste RomCom eines großen Studios über eine schwule Beziehung“ preist der Verleih „Bros“ an, der jetzt mit großem Marketing-Getöse auch in Deutschland anläuft. Andreas Köhnemann über einen Film, der Spaß macht und die Formeln und Konventionen des Genres in entscheidenden Punkten variiert, aber vielleicht doch weniger revolutionär ist, als er verspricht.

Foto: Universal

Hey, what’s up?

von Andreas Köhnemann

Ein Singledasein in Manhattan. Schöne, gebildete Menschen reden über Luxusprobleme, hauen unentwegt popkulturelle Anspielungen raus, suchen die optimale Work-Life-Balance und lernen einen Menschen kennen, der den Gefühlshaushalt völlig durcheinanderbringt. Das alles klingt nach dem Kino von Nora Ephron, nach Filmen wie „e-m@il für Dich“ (1999). Diese versprechen uns einerseits: „Die Liebe Deines Lebens ist nur einen Mausklick entfernt.“ Und zeigen uns andererseits, wie verdammt kompliziert es sich zwei Menschen machen können, die doch ganz offensichtlich zueinander gehören.

Die romantische Komödie, kurz RomCom, gilt als formelhaftes und konservatives (Sub-)Genre. Denn letztlich läuft sie immer auf ein erwartbares Ziel hinaus: das Happy End für zwei Liebende. In der Studio-Ära Hollywoods, zwischen 1934 und 1965, waren diese Liebenden stets weiß, heterosexuell und (im Wesentlichen) monogam. In den wilden Zeiten des New Hollywood schien wiederum für Romantik gar kein Platz mehr zu sein, ehe die Mainstream-Liebesfilme, die von den 1980er Jahren an bis in die frühen 2010er entstanden sind, mal mehr, mal weniger progressiv mit traditionellen Rollenmustern brachen, diese im Kern aber fortbestehen ließen und die Endstation Ehe beziehungsweise Langzeitbeziehung weiterhin ansteuerten, wenn auch zuweilen entschieden experimentierfreudiger.

Hierzu zählen auch die Filme des US-Autorenfilmers und -Produzenten Judd Apatow, etwa die von Nicholas Stoller in Szene gesetzten RomComs „Nie wieder Sex mit der Ex“ (2008) und „Fast verheiratet“ (2012): von herzlichem Humor getriebene Romanzen, die sich von einem allzu konservativen Geist befreien, bis sie sich dann doch zum Finale hin auf vertraute Zweisamkeits-Pfade begeben.

Nun haben Stoller und Apatow zusammen mit Co-Autor und Hauptdarsteller Billy Eichner mit „Bros“ einen Film gedreht, der als erste schwule romantische Komödie eines großen Hollywood-Studios vermarktet wird. Wie es bei vollmundigen Taglines üblich ist, sollte auch diese Aussage hinterfragt werden. War „The Birdcage“ (1996) vielleicht nicht romantisch genug? Und „In & Out“ (1997) nicht schwul genug? War „Der Club der gebrochenen Herzen“ (2000) nicht groß genug? Und „Love, Simon“ (2018) zu sehr Teenie-Kram oder zu dramatisch, um als schwule romantische Komödie durchzugehen?

Wenn wir vom Marketing des Films mal absehen und uns anhören, wie im Laufe des Plots von „Bros“ über das queere Kino gesprochen wird, fällt auf, dass der Film diesem nicht gerade weitblickend begegnet. Es wird – durchaus nicht zu Unrecht – über Melodramen gelästert, in denen die schwulen Protagonisten furchtbar tragische Figuren sind, ambitioniert verkörpert von heterosexuellen Schauspielern, die für ihre „mutigen“ Darbietungen mit Oscars geehrt werden.

Foto: Universal

Obwohl der Film die Bedeutung eines historischen Bewusstseins und Erinnerns hervorhebt, indem er seinen Helden Bobby zum engagierten Kurator eines LGBTQ+-Museums macht, wirkt er in puncto Cineastik selbst ein bisschen ignorant, als würde es Filmemacher wie John Waters oder Gregg Araki, die trotz ihrer Außenseiter-Rollen Spuren im Mainstream zu hinterlassen vermochten, gar nicht geben und als hätten in den letzten Jahren und Dekaden nicht schon einige Film- und Serieninnovationen für ein diverseres Bild vor und hinter der Kamera gesorgt, von „Queer as Folk“ (1999-2005) über „Pose“ (2018-21) bis hin zur nächsten „Queer as Folk“-Generation.

Dennoch soll das, was „Bros“ macht und kann, hier auch nicht kleingeredet werden. Billy Eichner bezeichnet den Film als „a Nora Ephron movie about horny gay guys“. Auch die Ephron-Filme blickten oft auf einer Meta-Ebene auf das zurück, was vor ihnen war, um sich dazu ins Verhältnis zu setzen – etwa wenn Meg Ryan alias Annie Reed in „Schlaflos in Seattle“ (1993) zum Schmacht-Klassiker „Die große Liebe meines Lebens“ (1957) sehnsüchtig das Taschentuch zückte. In „Bros“ vergleicht Bobby seine Dating-Erlebnisse via Grindr wiederum mit dem Mail-Verkehr des Paares aus „e-m@il für Dich“. Und während Annie und ihre beste Freundin die Kluft zwischen der Kitschwelt der 1950er Jahre und ihrer aktuellen Lebensrealität beklagten, muss Bobby erkennen, dass sich das niedlich kabbelnde „e-m@il für Dich“-Duo keine Arschbilder zuschicken musste, um ein Treffen samt Sex in Erwägung zu ziehen. Womöglich werden sich in zwei bis drei Jahrzehnten die Figuren queerer RomComs dann nostalgisch auf „Bros“ beziehen.

Foto: Universal

„Bros“ wirft lustvoll mit Referenzen auf den schwulen Lifestyle um sich. Er bedient Klischees, um sie teilweise wieder zu unterlaufen. Es gibt Cameos queerer Ikonen und eine gehörige Portion Selbstironie, etwa in den Sitzungen des Verwaltungsrates des LGBTQ+-Museums, in denen jede Fraktion Ansprüche stellt und sich von vornherein benachteiligt fühlt. Dabei gelingt die Zuspitzung, ohne ins Karikatureske zu verfallen; der Wunsch nach Aufmerksamkeit wird mit Witz beleuchtet, ohne sich über Diskriminierungserfahrungen lustig zu machen. Ein Verdienst des Films ist es zudem, dass er seinen Protagonisten Bobby und dessen Love Interest, den athletischen Erbrechtsanwalt Aaron, sowie das queere Umfeld nicht durchweg sympathisch zeichnet. Es geht nicht um nette schwule Männer, die dem Hetero-Publikum demonstrieren sollen, dass sie „ganz normal“ sind (wie es, abermals höchst selbstreferenziell, ein Produzent dem auch als Autor und Podcaster tätigen Bobby in einem Meeting vorschlägt) – sondern um anstrengende, widersprüchliche Persönlichkeiten, die nicht (mehr) mit ihrem Coming-out kämpfen müssen, sondern „nur“ mit eigenen Schwächen, Ängsten und inneren Blockaden.

Auf Casting- und Dialogebene ist „Bros“ ein durch und durch queerer Film. In der Inszenierung ist er immerhin weniger bieder als viele heteronormative Vorgänger. An einer queeren Ästhetik, an originellen audiovisuellen Wegen scheint Stoller als Regisseur indes kaum interessiert zu sein. Das wirkt, anders als beispielsweise bei „Geron“ (2013) von Bruce LaBruce, weniger wie eine subversive Aneignung bestehender Formen, als vielmehr wie eine recht einfallslose Weiterführung.

„Bros“ ist keine kinematografische Offenbarung. Allerdings muss er das auch überhaupt nicht sein. Vielleicht sollen wir ihm schlicht mit einem unverbindlichen „Hey, what’s up?“ begegnen – und dann einfach unseren Spaß mit ihm haben. Er ist nicht unbedingt „der Eine“, aber gewiss einer, der Lust auf mehr macht.




Bros
von Nicholas Stoller
US 2022, 115 Minuten, FSK 12,
deutsche SF & englische OF mit deutschen UT
Universal Pictures

Ab 27. Oktober im Kino.

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