Boys Club

Sad Jokes

Sad Jokes

Auch in seinem zweiten Spielfilm vermischt Autor und Regisseur Fabian Stumm („Knochen und Namen“) unterschiedlichste Gefühlstonarten zu einer tragikomischen Reflexion der Wirklichkeit: Joseph und Sonya sind durch eine enge Freundschaft und ihren kleinen Sohn Pino verbunden, den sie gemeinsam aufziehen. Während sich Regisseur Joseph an einer neuen Filmidee und der Trennung von seinem Ex-Freund Marc abarbeitet, leidet Sonya unter einer Depression, die sie zusehends aus ihrem Leben herausreißt. „Sad Jokes“ ist absurd und banal, hoffnungsvoll und anrührend oder – wie im wirklichen Leben – alles auf einmal. Für diese Jonglage wurde Fabian Stumm auf dem Filmfest München mit gleich zwei Preisen ausgezeichnet und von der Presse bereits als queerer Nachfolger von Loriot bezeichnet. Jetzt ist „Sad Jokes“ im Kino zu sehen. Andreas Wilink über einen Film, der mit feinstem Pointilismus ein großes Bild vom Wesentlichen und Bleibenden, vom Traurigen und Beglückenden malt.
Die Zeugen (2007)

Die Zeugen (2007)

2007 lief „Die Zeugen“ von André Téchiné im Wettbewerb der Berlinale. Aids ist ein Thema, 1984 in Frankreich, aber vor allem geht es um das Glück einer Gemeinschaft, prekär und bedroht, von Téchiné tänzerisch leicht in Bewegung versetzt. Michel Blanc, Sami Bouajila, Julie Depardieu und Emmanuelle Béart spielen die verzauberten Zeugen der Geschichte von Manu, dem Johan Libérau eine spektakuläre körperliche Präsenz und eine eigene Geschwindigkeit gibt. Zum Welt-Aidstag im Dezember in der Gay-Filmnacht, kurz danach endlich auf DVD.
Lola und Bilidikid (1999)

Lola und Bilidikid (1999)

Kreuzberg Mitte der 1990er. Murak ist 17 und schwul, aber das dürfen seine aus der Türkei stammenden Eltern nicht wissen. Auf einem seiner Streifzüge durch die verbotenen Parks und Schwulenbars lernt er die Dragqueen Lola kennen und freundet sich mit ihr an – ohne zunächst zu wissen, dass sie sein von der Familie verstoßener älterer Bruder ist. Als Lola eines Nachts ermordet wird, macht sich Murat mit ihrem Geliebtem Bilikid auf die Suche nach den Tätern. Kutluğ Atamans „Lola und Bilidikid“ ist eine funkelnde Perle des queeren Kinos aus Deutschland, die es unbedingt wiederzuentdecken gilt. Toby Ashraf hat sich auf die Spuren ihrer Entstehung gemacht, alte Drehorte besucht und mit Regisseur Ataman, Produzent Martin Hagemann und Darsteller Mesut Özdemir über den Film und das Leben danach gesprochen. Eine Liebeserklärung als Rekonstruktion.
Blue (1993)

Blue (1993)

Keine Handlung, keine Darsteller:innen, keine bewegten Bilder – sondern nur hypnotisches, statisches, strahlendes Blau. Mit „Blue“, einer durchkomponierten Montage aus Stimmen, Klängen und Geräuschen, lieferte Jarman wenige Monate vor seinem aidsbedingten Tod 1993 eine Bilanz seiner letzten Jahre und eine intime, wütende, poetische Auseinandersetzung mit seiner Erkrankung. Es ist ein in jeder Hinsicht finales und herausforderndes Werk, das für Zuschauer:innen zu einer gleichsam aufwühlenden wie sinnlichen Erfahrung werden kann. Zur exklusiven Erstveröffentlichung des Films in Deutschland als VoD im Salzgeber Club wirft Axel Schock einen Blick zurück auf Jarmans persönlichsten Film. Und er erinnert auch an Jarmans Förderer in Deutschland, Manfred Salzgeber, der als Festivalmacher und Filmverleiher das Werk des Regisseurs in die deutschen Kinos gebracht hat – und dessen Tod sich am 12. August zum 30. Mal jährt.
Patagonia

Patagonia

Yuri ist 20 und lebt bei seiner Tante in einem kleinen Dorf in den Abruzzen. Als er bei einem Kindergeburtstag dem Animateur Agostino begegnet, ist er sofort elektrisiert. Agostino ist älter, selbstbewusst und auf wilde Weise unabhängig. Yuri heuert als Agostinos Assistent an und fährt im Wohnmobil mit ihm fort. Ihr großes Ziel ist Patagonien, das Land des Feuers. Mit brennenden Bildern erzählt der italienische Regisseur Simone Bozzelli in seinem Debütfilm von einer vergessenen Jugend, für die nur ein Leben am Rand der Gesellschaft und in ständiger Bewegung in Frage kommt, um den unbändigen Hunger nach Aufrichtigkeit und Freiheit zu stillen. Getragen von einer kompromisslosen filmischen Vision, von Respekt gegenüber den Figuren und zwei überwältigenden Hauptdarstellern zeigt „Patagonia“ eine ambivalente Liebe als verzehrendes Machtspiel zwischen Zärtlichkeit und Destruktion. Philipp Stadelmaier über ein raues Roadmovie, das im August ist „Patagonia“ in der Queerfilmnacht zu sehen ist und am 22. August auch regulär im Kino startet.
Der Diener (1963)

Der Diener (1963)

Joseph Loseys „Der Diener“ aus dem Jahr 1963 gilt als meisterhaftes Kammerspiel der homoerotischen Subtexte und kühner Klassiker des queeren Kinos. Dirk Bogarde brilliert darin als  höchst kultivierter Diener Barrett, der den Haushalt des Playboys Tony leitet. Barretts zunächst ehrfürchtig-devotes Verhalten gerät dabei immer weiter in Schieflage, bis die Rollen von Herr und Diener gänzlich zu kippen drohen. Fritz Göttler über die vielen Ebenen der sehr britischen Studie über Macht, Männlichkeiten und Homosexualität.
Before Stonewall (1984)

Before Stonewall (1984)

Die Pride Season ist aktuell im vollen Gange, in Berlin wird am Samstag CSD gefeiert. Wie es zu dem jährlich begangenen Fest- und Demonstrationstag kam, darum geht es in unserem queeren Filmklassiker der Woche. Greta Schiller und Robert Rosenberg erzählen in „Before Stonewall“ vom Leben und Alltag queerer US-Amerikaner:innen vor jener berühmten Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969, als sich in der New Yorker Christopher Street eine Gruppe Homosexueller und trans Personen entschlossen der Polizei widersetzte, die eigentlich die Szenebar Stonewall-Inn räumen wollte. Der Aufstand und die sich anschließenden Unruhen und Demonstrationen in den folgenden Tagen gelten als Urknall besonders eines lesbisch-schwulen Selbstbewusstseins – und als Wendepunkt im Kampf um Anerkennung und Gleichstellung. Schillers und Rosenbergs Films ist reich an seltenem Archivmaterial und enthält neben Interviews mit Allen Ginsberg und Audre Lorde vor allem Berichte und Anekdoten von Schwulen und Lesben aus der breiten Bevölkerung. Matthias Frings über die historische Bedeutung von „Before Stonewall“, den Manfred Salzgeber den „Kochbuchfilm zu unserer Geschichte“ nannte.
Fireworks

Fireworks

Sizilien im Sommer 1982: Während ganz Italien vom Gewinn der Fußball-WM träumt, träumen die Teenager Gianni und Nino von einer Liebe ohne Angst. Wild entschlossen kämpfen die beiden für ihre Beziehung, auch gegen den Widerstand ihrer konservativen Familien – und bringen sich damit in Lebensgefahr. „Fireworks“ von Giuseppe Fiorello basiert auf einer wahren Kriminalgeschichte, die Anfang der 1980er Jahre zur Gründung von „Arcigay“ geführt hat, dem bis heute wichtigsten Verband für queere Bürger:innenrechte in Italien. Getragen von zwei fabelhaften Hauptdarstellern, zeichnet der Film ein authentisches Porträt der problematischen Lebenssituation von Schwulen im italienischen Süden nicht nur jener Jahre. Christian Horn hat sich das Feuerwerk aus Sommerbildern, das im Juli in der Queerfilmnacht leuchtet, angesehen.
Maurice (1987)

Maurice (1987)

Großbritannien im Jahre 1909: Maurice und Clive sind Collegeboys in Cambridge und verlieben sich ineinander. Um seine Karriere als Anwalt nicht zu gefährden, beendet Clive die Verbindung und stürzt seinen Geliebten in eine tiefe  Sinn- und Lebenskrise. Die löst sich erst, als Maurice den ungestümen Jagdaufseher Scudder kennenlernt. Regisseur und Drehbuchautor Jamey Ivory und sein Partner und Produzent Ismail Merchant galten jahrzehntelang als Dreamteam und Spezialisten für elegant-subtile Literaturverfilmungen und period pieces. "Maurice", nach dem gleichnamigen Roman von E. M. Forster, ist ihr explizitester Film und machte einen gewissen Hugh Grant zum Schwarm nicht weniger schwuler Männer. Matthias Frings blickt zurück auf ein bahnbrechendes Liebes- und Entwicklungsdrama, das zusammen mit drei weiteren queeren Filmen Mitte der 1980er Jahre das Coming-out des britischen Kinos markiert.
Mann im Bad (2010)

Mann im Bad (2010)

Für „Mann im Bad“, ein Drama über das Ende der Liebe zwischen einem Regisseur und einem Sexworker, besetzte Christophe Honoré („Chanson der liebe“, „Sorry Angel“, „Der Gymnasiast“) den französischen Porno-Superstar François Sagat für eine der Hauptrollen. Sagat definiere für ihn den Begriff der Männlichkeit völlig neu, sagte Honoré später in einem Interview. Aus der beeindruckender Physis seines Schauspielers entwickelt der Regisseur eine explizite Studie über Lust, Begehren und tiefe Melancholie. Auch für Jan Künemund ist Sagats nackter Körper ein purer Kino-Akt. Zu einem Filmvergnügen wird „Mann im Bad“ aber nicht nur durch diese explizite Attraktion, sondern auch durch die freie und mühelos selbstreflexive Kombination wilder Dinge.