Rrriot

Paris is Burning (1991)

Paris is Burning (1991)

Nach seiner Premiere beim Sundance Film Festival 1991 wird „Paris is Burning“ von Jennie Livingston zum ersten weithin bekannten Dokumentarfilm über die queere Schwarze und Latinx-Ballroom-Szene in Harlem – ein Erfolg, mit dem wahrscheinlich weder die Regisseurin noch die Mitwirkenden gerechnet hätten. Niemand ahnte, wie sehr dieses Zeugnis über Jahrzehnte hinweg das populäre Verständnis der Ballroom-Kultur prägen würde. Für sissy-Autorin Anja Kümmel ist der Film immer noch aktuell: „Durch seine nicht-lineare, nuancenreiche Machart zeigt der Film ganz nebenbei eine Vielfalt an Perspektiven und Identitäten, die heute unter dem Sammelbegriff ‚queer‘ Platz finden.“
Drama Queens

Drama Queens

Liebe! Ruhm! Klassenkampf! So ließe sich „Drama Queens“ von Alexis Langlois in drei Worten zusammenfassen. Doch dieses Langfilmdebüt ist mehr: ein Glitterpop-Märchen mit Sommerhit-Soundtrack; ein bisslustiges Musical; eine Feier aller missverstandenen Popdiven. Ziemlich wild und kompromisslos queer geht es hier zu. Oder, wie sissy-Autor Andreas Köhnemann es ausdrückt: „laut und romantisch, kinky und süß, over the top und voller Wahrhaftigkeit“. Stimmt alles. Und ist im Juli im Rahmen der Queerfilmnacht in mehr als 40 Städten in Deutschland und in Österreich zu sehen. Danach startet der Film offiziell in ausgewählten Kinos.
The Watermelon Woman (1996)

The Watermelon Woman (1996)

In Cheryl Dunyes semi-autobiografischer Mockumentary „The Watermelon Woman“ forscht eine Schwarze, lesbische Filmemacherin – ebenfalls Cheryl – einer vergessenen Schwarzen Schauspielerin aus den 1930er-Jahren hinterher. Während ihrer Recherche reflektiert sie Themen wie Rassismus, lesbische Identität und filmische Repräsentation. Als feministische Antwort auf Mario van Peebles legendäre Blaxploitation-Satire „The Watermelon Man“ ist Dunyes Langfilmdebüt selbst zum Meilenstein des New Queer Cinema geworden. Ein Film, der dazu aufruft, „sich leidenschaftlich dem Zuhören, Erzählen und Fabulieren von Geschichten hinzugeben“, schreibt sissy-Autorin Anne Küper. Dunye erfinde sich selbst – und dabei das, was Kino sein könnte.
Born in Flames (1983)

Born in Flames (1983)

„Born in Flames“ spielt in der Zukunft, zehn Jahre nach einer sozialistischen Revolution in den USA. Doch für Frauen hat sich nichts geändert: Diskriminierung, Übergriffe, Doppelbelastung – es reicht. Sie verbünden sich quer zu sozialen, ethnischen, kulturellen oder sexuellen Identitäten und nehmen den Kampf auf. Lizzie Bordens Film von 1983 stellt die Frage, ob die Unterdrückung von Frauen jemals, in einem irgendwie gearteten System, ein Ende finden kann. Mit eindeutiger Antwort: Die Betroffenen greifen zu den Waffen. Für Anne Küper „eine Utopie, die mehr als 40 Jahre nach der Veröffentlichung immer noch kraftvoll daherkommt.“ Und in der sich queeres Leben als widerständig und lustvoll manifestiert.
Milk (2008)

Milk (2008)

Harvey und sein Partner Scott haben vom Leben in New York die Nase voll und ziehen 1972 nach San Francisco. Dort entdeckt Harvey seinen Hang zur Politik: Sein Anliegen sind die Interessen der kleinen Leute seines Viertels – und die der schwulen Community. 1977 schafft Harvey bei der Wahl schließlich den Einzug in den Stadtrat. Kaum im Amt, stößt er eine Vielzahl von politischen Initiativen an, womit er sich nicht nur Freunde macht. Sein Stadtratkollege Dan White entpuppt sich schließlich als erbitterter Todfeind. Mit dem Biopic „Milk“ setzte Gus Van Sant dem Politiker Harvey Milk, der 1977 als erster offen schwuler Mann in ein wichtiges Amt gewählt wurde, ein filmisches Denkmal. Wenige Tage vor der Bundestagswahl erinnert Stefan Hochgesand an einen schwulen Wahlkämpfer, dessen politische Botschaft auch über 45 Jahre nach seiner Ermordung nichts an Relevanz verloren hat – und an einen queeren Meilenstein des Hollywoodkinos.
Monika Treut: Female Misbehavior!

Monika Treut: Female Misbehavior!

Seit 40 Jahren prägt Monika Treut mir ihren lustvoll-subversiven Spiel- und Dokumentarfilmen das queere Kino in Deutschland und der ganzen Welt. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir noch einmal das umfangreiche Gespräch, das Jan Künemund mit der unerschrockenen Avantgardistin des nicht-heteronormativen Films im Jahr 2017 anlässlich der Veröffentlichung der DVD-Box „Monika Treut: Female Misbehavior!“ führte. Darin geht es unter anderem um weibliche Kino-Lust, Gender-Science-Fiction und queere Pionierinnenarbeit. Und natürlich auch um den bahnbrechenden Film, mit dem alles begann: das sadomasochistische Liebesdrama „Verführung: Die grausame Frau“, das Treut mit ihrer Freundin Elfi Mikesch 1985 drehte, und das jetzt noch einmal in der Queerfilmnacht zu sehen ist.
Besties

Besties

In ihrem Debütfilm „Besties“ variiert die französische Regisseurin Marion Desseigne Ravel „Julia und Julia“ in einem Pariser Vorort: Nedjma zieht mit ihren Freundinnen durch die Straßen, die Gang ist wie ihre zweite Familie. Als sie Zina, die Neue in der Nachbarschaft, zum ersten Mal sieht, ist sie sofort verknallt. Das Problem ist nur, dass Zina zur verfeindeten Clique gehört. Nedjma ist hin- und hergerissen: zwischen der Loyalität zu ihrer Gruppe und dem Begehren für Zina, das mit jeder Nacht, die sie heimlich zusammen verbringen, größer wird. Anne Küper über einen queeren Liebesfilm aus Frankreich zwischen sozialem Realismus und leiser Hoffnung.
Super 8 ½

Super 8 ½

Inspiriert von Fellinis Klassiker „Achteinhalb“ (1963) reflektiert Bruce LaBruce in seinem zweiten Spielfilm „Super 8 ½“ aus dem Jahr 1994 semi-autobiographisch den tiefen Fall eines selbstdestruktiven Porno-Auteurs. Randvoll mit Verweisen auf die etablierte und weniger etablierte Filmgeschichte geht sein Film immer wieder bis dicht an die Grenze des guten Geschmacks – und darüber hinaus. Das lustvoll selbstreflexive Biopic ist aber auch eine wüste Parade von Punk- und Underground-Stars wie Vaginal Davis, Ben Weasel und Richard Kern. Jetzt gibt es „Super 8 ½“ in digital restaurierter Fassung im Salzgeber Club zu sehen. Christian Lütjens über die Frage, warum Bruce LaBruces zweiter Langfilm heute noch genauso unerschöpflich und aufregend ist wie bei seiner Premiere vor 27 Jahren.
Sechs Filme des Jahres

Sechs Filme des Jahres

Wenngleich das Kinojahr 2020 von großen Einschränkungen geprägt war, gab es auch in den letzten zwölf Monaten eine Reihe fantastischer queerer Filme. Manche waren auf der großen Leinwand zu sehen, andere sind direkt als VoD oder DVD erschienen, mitreißend und besonders fand sissy sie alle. In unserem traditionellen Rückblick lassen wir entlang  kurzer Auszüge aus den Rezensionen unserer Autor*innen unsere Filmhighlights Revue passieren. Wir folgen dabei einem Mädchen, das sich in einem heißen Kreuzberger Sommer zu einem Schmetterling entpuppt; einem Deliquenten, der in einem chilenischen Gefängnis Anfang der 1970er Jahre in ein Netz aus sexuellen Freiheiten und Abhängigkeiten gerät; zwei Damen, die nach Jahrzehnten im Geheimen für die Anerkennung ihre Liebe kämpfen; einen Tanzstudenten in Georgien, der gegen die Heternormatitvität und Repressionen in seinem Heimatland aufbegehrt; einem jungen Mann, der sich in eine New Yorker Vogue-Tänzerin verliebt und in deren Ballroom-Community gleich mit; und einem postmigrantischen Teenager in Hildesheim, der mit einem syrischen Geschwisterpaar die Zukunft erobert. Uns gehört die Welt!
Herz aus Dynamit

Herz aus Dynamit

Claudia und María rasen auf einem Motorrad durch Guatemala City. Nach einem Abend auf dem Rummel werden die beiden von drei Männern brutal angegriffen. Claudia will weit weg, die große Stadt hinter sich lassen. María hat einen anderen Plan: Sie will Vergeltung. In ihrem Spielfilmdebüt "Herz aus Dynamit", der jetzt im Salzgeber Club läuft, wirft Regisseurin Camila Urrutia einen schonungslosen Blick auf sexualisierte Gewalt, Diskriminierung und soziale Ungerechtigkeit, die in ihrer Heimat Guatemala weit verbreitet sind. Anja Kümmel über das queerfeministisches Rachedrama, das zugleich ein leidenschaftlicher lesbischer Liebesfilm ist.