Endstation Sehnsucht

Die Orpheus Trilogie

Die Orpheus Trilogie

Jean Cocteaus „Orphée“-Trilogie, entstanden zwischen 1930 und 1960, ist ebenso vom Surrealismus wie vom Klassizismus und der Privatmythologie des französischen Dichters, Zeichners und Filmemachers geprägt. Er passt den Mythos von Orpheus an seine Gegenwart an und erzählt von der Inspiration, den Wünschen, Sehnsüchten und Ängsten eines Künstlers. „Das Blut eines Dichters“, „Orpheus“ und „Das Testament des Orpheus“ gibt es nun als DVD- und BluRay-Box. Andreas Wilink nahm mit Freude auf dem Himmel stürmenden Pegasus von Cocteaus Künstler-Philosophie Platz und ließ sich forttragen.
Neubau

Neubau

Jetzt im Salzgeber Club: Wo möchte ich leben – und wie? Mit diesen existentiellen Fragen beschäftigen sich Autor/Hauptdarsteller Tucké Royale und Regisseur Johannes M. Schmit in ihrem Debütfilm „Neubau“ aus der Sicht eines jungen queeren Mannes in der Uckermark. Und beantworten sie mit einem dezidiert nicht-normativen Lebensentwurf, in dem die Befreiung aus konservativen Vorstellungen von Sexualität und Geschlechterzugehörigkeit ebenso eine Rolle spielen wie Commitment und gegenseitige Fürsorge. Ihr queerer Heimatfilm entstand fernab der großen Metropolen als unabhängige Produktion in einem Künstler*innen-Kollektiv, dem es um ambivalente (Gegen-)Erzählungen und eine „Neue Selbstverständlichkeit“ geht. Lukas Foerster über das Glitzern queerer Körper in der Weite Brandenburgs.
The Power of the Dog

The Power of the Dog

Mit dem Post-Western „The Power of the Dog“, der aktuell im Kino und auf Netflix zu sehen ist, räumt Jane Campion („Das Piano“) seit Wochen einen Kritiker:innen-Preis nach dem anderen ab. Für sieben Golden Globes ist ihr Film, der auf dem gleichnamigen Bestseller von Thomas Savage basiert, bereits nominiert – und wird vermutlich auch bei den Oscars ordentlich mitmischen. Benedict Cumberbatch und Jesse Plemons spielen darin zwei Brüder, die unterschiedliche Männlichkeitstypen repäsentieren: Der eine ist aggressiv und verbirgt sein schwules Begehren hinter hypermaskulinen Posen; der andere ist sanftmütig und bereit für echte Zuneigung. Eine junge Witwe und deren Sohn bringen das toxische Gefüge der beiden drastisch durcheinander. Cosima Lutz über ein meisterhaftes Filmdrama mit hochkomplexen Figuren, das die Queerness im vermeintlich Eindeutigen freilegt.
Ediths Glocken – Der Film

Ediths Glocken – Der Film

Nach den Trashfilm-Klassikern „Mutti – Der Film“ (2003) und „18:15 ab Ostkreuz“ (2006) hat die Berliner Travestie-Legende Ades Zabel mit ihren Company-Co-Stars Biggy van Blond und Bob Schneider ihr BKA-Kultstück „Wenn Ediths Glocken läuten“ verfilmt. Das Ergebnis ist nicht weniger als der ultimative Neuköllner Weihnachtsfilm! Die semi-relevante Handlung: Hartz-VIII-Empfängerin Edith, Leggingsboutique-Besitzerin Biggy und Kiezwirtin Jutta beschließen das Heilige Fest dieses Jahr zusammen zu begehen: bei Edith in der Nogatstraße, mit lecker Gänsebraten und ganz viel 1,99-Euro-Rotwein vom Lidl. Ihre besinnliche Stimmung lassen sich die wilden Weiber weder von einem grausam verkohlten Vogel noch von einem explodierenden Weihnachtsbalkon vermiesen. Die Feier endet natürlich trotzdem im totalen Chaos. "Ediths Glocken – Der Film" gibt es ab 23. Dezember im Salzgeber Club. Anlässlich des Kinostarts im November 2016 wagte Ades Zabels alter Weggefährte Jörg Buttgereit einen Blick zurück: auf die Geburt einer gewissen Edith Schröder und die brutalen Folgen für uns alle.
Das Ende des Schweigens

Das Ende des Schweigens

Als Polizisten den 17-jährigen Strichjungen Otto Blankenstein an einem Sommertag 1950 in Frankfurt am Main aufgreifen, finden sie bei ihm ein Notizbuch mit den Namen seiner Kunden. In den folgenden zehn Monaten wird gegen mehr als 200 homosexuelle und bisexuelle Männer ermittelt, rund 100 werden verhaftet, vom Arbeiter bis zum Arzt. Die Frankfurter Homosexuellenprozesse (1950/51) tragen dazu bei, dass der Paragraph 175 in den folgenden Jahrzehnten wieder verstärkt als Instrument zur Verfolgung schwuler Männer eingesetzt wird. „Das Ende des Schweigens“ erzählt von diesem Unrecht in einer Mischung aus dokumentarischen und inszenierten Szenen. Andreas Wilink über eine detailreiche und erhellende Aufarbeitung der Ereignisse.
Supernova

Supernova

Jetzt im Kino: Im Drama „Supernova“ von Harry Macqueen spielen die Hollywood-Stars Colin Firth und Stanley Tucci ein Paar auf einem Roadtrip durch den nordwestenglischen Nationalpark Lake District, das im Angesicht einer Demenzerkrankung mit den großen Fragen der menschlichen Existenz konfrontiert wird. Christian Lütjens berichtet von einer ergreifenden Filmerfahrung – und fragt sich, wie queer „Supernova“ eigentlich ist.
Borderline

Borderline

Anna und Robyn lieben sich – und gehen zusammen durch Höhen und Tiefen. Anna kann und will nicht ohne ihre Freundin sein, aber ihre inneren Dämonen halten sie davon ab, das Glück in vollen Zügen zu genießen. Offensiv autobiografisch erzählt die italienische Regisseurin Anna Alfieri in „Borderline“ die Geschichte ihrer ersten großen Liebe. Anja Kümmel über einen berührenden Tauchgang in psychische Abgründe, der verschiedene Realitätsebenen erkundet – und der jetzt im Salzgeber Club zu sehen ist.
König der Raben

König der Raben

Jetzt im Kino: In seinem zweiten Spielfilm „König der Raben“ erzählt Piotr J. Lewandowski („Jonathan“) von der engen Freundschaft zwischen drei gesellschaftlichen Außenseitern und einer amour fou: Der junge Mazedonier Darko schlägt sich mit seinen Freunden Yanoosh und Manolo irgendwie durch, ohne Aufenthaltserlaubnis, immer in Deckung vor der Polizei. Um sich über Wasser zu halten, züchtet er Tauben, die er auf Hochzeiten fliegen lässt. Als er bei einer Feier Alina kennenlernt, wirft er sich voller Leidenschaft in eine Affäre mit der geheimnisvollen Künstlerin. Christian Lütjens schreibt über das ambivalente Idyll einer abgeschotteten Welt und Figuren, die gegen die Ausweglosigkeit ankämpfen.
Sechs Filme des Jahres

Sechs Filme des Jahres

Wenngleich das Kinojahr 2020 von großen Einschränkungen geprägt war, gab es auch in den letzten zwölf Monaten eine Reihe fantastischer queerer Filme. Manche waren auf der großen Leinwand zu sehen, andere sind direkt als VoD oder DVD erschienen, mitreißend und besonders fand sissy sie alle. In unserem traditionellen Rückblick lassen wir entlang  kurzer Auszüge aus den Rezensionen unserer Autor*innen unsere Filmhighlights Revue passieren. Wir folgen dabei einem Mädchen, das sich in einem heißen Kreuzberger Sommer zu einem Schmetterling entpuppt; einem Deliquenten, der in einem chilenischen Gefängnis Anfang der 1970er Jahre in ein Netz aus sexuellen Freiheiten und Abhängigkeiten gerät; zwei Damen, die nach Jahrzehnten im Geheimen für die Anerkennung ihre Liebe kämpfen; einen Tanzstudenten in Georgien, der gegen die Heternormatitvität und Repressionen in seinem Heimatland aufbegehrt; einem jungen Mann, der sich in eine New Yorker Vogue-Tänzerin verliebt und in deren Ballroom-Community gleich mit; und einem postmigrantischen Teenager in Hildesheim, der mit einem syrischen Geschwisterpaar die Zukunft erobert. Uns gehört die Welt!
Enfant Terrible

Enfant Terrible

Ein Biopic über Rainer Werner Fassbinder (1945-1982), das sagenumwobene und höchst produktive Genie des Neuen Deutschen Films, das heute in einer Reihe mit Orson Welles, Jean-Luc Godard und Douglas Sirk steht – das muss man sich als zeitgenössischer Regisseur erst mal zutrauen. Oskar Roehler traut sich bekanntermaßen einiges zu und hat dabei in der Vergangenheit durchaus auch schon mal queer-affine Filme gedreht wie "Agnes und seine Brüder" (2004, mit Fassbinder-Star Margit Carstensen), denen man ansieht, dass RWF ein starkes filmisches Vorbild ist. Wie nahe Roehler dem Meister und dessen wilder künstlerischer Wahlfamilie in seinem leicht aktifiziellem und teils originell besetztem Spielfilmporträt kommt, hat Fassbinder-Kenner Andreas Wilink für uns erkundet.