Philipp Stadelmaier (Autor)

Bones and All

Bones and All

Der neue Film von Luca Guadagnino gilt spätestens seit seiner umjubelten Weltpremiere in Venedig als gesetztes Highlight des Kinosherbsts – nicht nur, weil wieder Timothée Chalamet, der derzeit wohl größte Filmstar seiner Generation, eine der Hauptrollen spielt. Doch wie passt das romantische Road Movie über die Liebe zwischen zwei jungen Kannibal:innen im Reagan-Amerika zu Guadagninos letzten Filmen, dem schwulen Erweckungsdrama „Call Me By Your Name“ (2017) und dem referentiellen Horrorfilm-Remake „Suspiria“ (2018)? Für Philipp Stadelmaier geht es in allen drei Fällen um das Ende der Unschuld.
Pier Paolo Pasolini: Porno–Theo–Kolossal

Pier Paolo Pasolini: Porno–Theo–Kolossal

Nur fünf Wochen vor seinem gewaltsamen Tod stellte Pier Paolo Pasolini (1922-75) die letzte Fassung des Treatments zu seinem Filmprojekt „Porno–Theo–Kolossal“ fertig. Es sollte sein letzter Film werden, nach dem er sich ganz dem Schreiben widmen wollte. Das provisorisch gebliebene Drehbuch erschien 15 Jahre nach Pasolinis Tod und wurde jetzt von der Kulturwissenschaftlerin Dagmar Reichardt und dem Theologen und Filmwissenschaftler Reinhold Zwick in deutscher Übersetzung und zusammen mit einem ausführlichen Kommentar sowie begleitenden Texten im Filmbuchverlag Schüren herausgegeben. Philipp Stadelmaier taucht ein in ein abgründiges Roadmovie, in dessen Stationen sich alle zentralen politischen, religiösen und sexuellen Themen und Motive von Pasolinis einzigartigem Œuvre spiegeln.
Peter von Kant

Peter von Kant

Mit „Tropfen auf heiße Steine“ (2000) hat François Ozon schon einmal ein Theaterstück von Rainer Werner Fassbinder kongenial verfilmt. Sein neues Kammerspiel ist eine Art Remake von Fassbinders Meisterwerk „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ (1972). Statt drei Frauen umschwirren sich in der intimen Enge einer eleganten Künstlerwohnung hier aber drei Männer, und die titelgebende, vom Koks-Konsum gezeichnete Hauptfigur sieht Fassbinder selbst zum Verwechseln ähnlich. Philipp Stadelmaier empfiehlt, „Peter von Kant“ gleich zweimal zu sehen, und findet, dass sich Ozons Film zu Fassbinders wie eine eigenwillige Phantasie zu einem früheren Ereignis verhält, das durch Umformung und Umschreibung bewahrt werden soll.
Titane

Titane

In Cannes wurde Julia Ducournaus feministisches Fantasy-Drama „Titane“ letztes Jahr mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Der furiose filmische Trip über eine Serienkillerin, die Sex mit Autos hat, und einen Cop, der gegen seine emotionalen Versehrungen mit Anabolika anspritzt, hebt die queeren Elemente des von David Cronenberg geprägten Körperkinos auf eine neue Stufe. Philipp Stadelmaier über einen Film, der lustvoll Genre-Grenzen überschreitet – und den es jetzt als DVD und BluRay gibt.
Benedetta

Benedetta

Spätestens seit „Basic Instinct“ (1992) und „Showgirls“ (1995) gilt Paul Verhoeven als Meisterregisseur der erotischen Unter- und Obertöne. Vier Jahre nach seinem kontroversen Selbstermächtigungsdrama „Elle“ lässt er nun in „Benedetta“ Katholizismus und „verbotene“ Sexualität aufeinanderprallen. Die Geschichte der Nonne Benedetta, die von Visionen getragen gegen das Zwangssystem um sich herum aufbegehrt und ihrem alles durchdringenden lesbischen Begehren folgt, sorgte dieses Jahr bereits in Cannes für breites Aufsehen. Philipp Stadelmaier sucht nach dem Platz von „Benedetta“ in der Filmgeschichte und taucht tief in Visionen ein.
Are We Lost Forever

Are We Lost Forever

Hampus und Adrian trennen sich nach einer jahrelangen Beziehung. Hampus empfindet vor allem Erleichterung: Zu oft wurde er von seinem Ex verletzt und enttäuscht. Doch Adrian trauert tief und weiß nicht, wie er ohne Hampus weiterleben soll. Selbst als beide neue Partner finden, kann Adrian seine große Liebe nicht vergessen … In „Are We Lost Forever“, der im März in der queerfilmnacht online läuft, erzählt der schwedische Regisseur David Färdmar einfühlsam von den Scherben einer zerbrochenen Beziehung und der leisen Hoffnung auf einen Neuanfang. Unser Autor Philipp Stadelmaier über die Unentschiedenheiten und Phantasmen eines Ex-Paares – und das Bett als drittem Protagonisten.
Moffie

Moffie

Südafrika 1981, zur Zeit der Apartheid: Wie alle weißen jungen Männer muss auch Nicholas seinen zweijährigen Militärdienst leisten, um den Staat vor der vermeintlichen Bedrohung durch den Kommunismus und die „Schwarze Gefahr“ zu verteidigen. Dass Nicholas schwul ist, darf niemand wissen, denn wer in der Truppe als „Moffie“ erkannt ist, wird brutal schikaniert und gequält. Doch dann verliebt sich Nicholas in seinen Kameraden Dylan. Oliver Hermanus zeigt, wie das Apartheid-Regime damals neben all seinen rassistischen Gräueltaten auch unzählige weiße junge Männer körperlich und physisch zugrunde gerichtet hat. Das episch bebilderte Soldatendrama gibt es jetzt als DVD und VoD. Unser Autor Philipp Stadelmaier über einen melancholischen und zugleich gleißend schönen Film der Erinnerungen.
Akrobaten

Akrobaten

Zwei Fremde begegnen sich in einer unfertigen Wohnung. Christophe ist offensichtlich reich, attraktiv und erfolgreich, zumindest auf den ersten Blick, Micha ein in Russland geborener Hochseilartist, dessen Karriere durch ein gebrochenes Bein gefährdet ist. Aus dem ersten anonymen Treffen entwickelt sich ein körperlich und seelisch extremes Verhältnis, in dem die Abhängigkeiten ständig zu changieren scheinen: Wer dominiert, wer manipuliert wen? „Akrobaten“ ist bereits der sechste Spielfilm des kanadischen Regisseurs Rodrigue Jean („Alex – Süchtig nach Liebe“). In der expliziten, eiskalten Darstellung einer ambivalenten Sexbeziehung erkennt unser Autor Philipp Stadelmaier die zeitgenössische und porno-queere Variante eines Skandalfilms aus dem Jahr 1972. Nur mit anderen Gespenstern.
Kopfplatzen

Kopfplatzen

Jetzt im Kino: In dem bewegenden Drama "Kopfplatzen" von Savaş Ceviz spielt Max Riemelt ("Freier Fall") einen Pädosexuellen, der gegen die immer lauter werdenden Rufe in seinem Kopf ankämpft. Unser Autor Philipp Stadelmaier ist nicht nur von Riemelts mutiger Rollenwahl und aufwühlender Darstellung beeindruckt, sondern hat in "Kopfplatzen" auch interessante Antworten auf die Frage gefunden, wie man filmisch ein Begehren zeigen kann, das permanent unterbrochen werden muss.
Taxi zum Klo

Taxi zum Klo

Diese Woche geht der Salzgeber Club in die dritte Runde und zeigt mit Frank Ripplohs "Taxi zum Klo" einen der großen Klassiker des schwulen Kinos in digital restaurierte Fassung. Bei seiner Erstveröffentlichung vor 40 Jahren löste der Film über einen offen schwulen Lehrer aus West-Berlin und dessen sexuelle Abenteuer einen Skandal in der braven Bundesrepublik aus – und wurde kurz darauf sensationell mit dem Max Ophüls Preis ausgezeichnet. Philipp Stadelmaier über einen Film, der heute zurecht als Meilenstein des nicht-heterosexuellen Kinos aus Deutschland gilt, weil er in seiner Darstellung einer souveränen schwulen Hauptfigur der Zeit weit voraus war.