Film

Mädchen in Uniform (1931)

Mädchen in Uniform (1931)

„Mädchen in Uniform“ von Leontine Sagan gilt als erster Film der Filmgeschichte, der lesbische Liebe offen thematisierte. Das Drama über die Internatsschülerin Manuela, die innige Gefühle für ihre gutherzige Lehrerin Fräulein von Bernburg entwickelt, erinnert an den repressiven Wahn des preußischen Erziehungssystems und dessen zerstörerische Folgen. Beatrice Behn über einen bahnbrechenden und komplexen Film, der am Ende jedoch zwei Dinge voneinander trennt, die besser zusammengedacht werden sollten.
Jungs vom Lande

Jungs vom Lande

Leere Dörfer, vertrödelte Nachmittage und die Fantasie, ganz woanders zu sein. Mit präzisem Blick und tief atmosphärischen Bildern zeigt Gaël Lépingle in „Jungs vom Lande“ queeres Leben abseits der großen Metropolen als eine sommerschwüle Mischung aus wilden Wünschen und romantischen Abenteuern: Youcef arbeitet in einem Nachtclub, in dem eigentlich nie etwas passiert. Als eines Abends eine queere Performancetruppe in der Kleinstadt Halt macht, ist er schockverliebt. Ein junger Mann läuft mit hohen Absätzen durch das Dorf, das er eigentlich für immer verlassen will. Und auf einem abgelegenen Hof hat sich Jonas mit einem Unbekannten verabredet, um mit ihm erotische Fotos in historischer Maskerade zu machen. Andreas Wilink über einen fein beobachtenden Film der peripheren Begegnungen und großen Sehnüchte, den es jetzt als DVD und VoD geht.
Bound – Gefesselt (1996)

Bound – Gefesselt (1996)

Frisch aus dem Gefängnis entlassen, begegnet die toughe Butch Corky zufällig der verführerischen Femme Violet im Aufzug. Es ist Liebe auf den ersten Blick und der Beginn einer heißen Liebesaffäre. Wie passend, dass Violet schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken spielt, sich von dem eifersüchtigen Mafioso Ceasar zu trennen. Doch für einen gemeinsamen Neuanfang fehlt den Frauen das nötige Kleingeld. Mit einem riskanten Plan wollen sie Ceasar um zwei Millionen Dollar erleichtern. „Bound – Gefesselt“, der verwegene Debütfilm von Lana und Lilly Wachowski („Matrix“, „Cloud Atlas“, „Sense8“) mit Gina Gershon und Jennifer Tilly als durchsetzungsstarkes Liebespaar, bürstete 1996 das Genre des Gangsterthrillers quer und führte eine neue lebische Selbstverständlichkeit und Souveränität ins US-Kino ein. Manuela Kay über einen bahnbrechenden Film voller subtiler Anspielungen, lesbischer Symbolik und Insider-Humor.
What a Feeling

What a Feeling

An ihrem Hochzeitstag bekommt die Wiener Ärztin Marie Theres ein besonderes Geschenk von ihrem Mann präsentiert: Er will sich von ihr trennen! Zur Nervenberuhigung greift Marie Theres erstmal zum Glas. Ziemlich betrunken stolpert sie in Bigis Lesbenbar und trinkt dort mit der bindungsscheuen Stammkundin Fa einfach weiter. Am nächsten Morgen kann sie sich nur noch daran erinnern, dass Fa sie nach Hause gebracht hat. Aber haben sie danach auch…? In der warmherzigen lesbischen Rom-Com „What a Feeling“ von Kat Rohrer glänzen Caroline Peters und Proschat Madani als zwei Frauen, die erst in der Mitte des Lebens zueinander finden – aber dann so richtig. Es geht um Selbsterkenntnis, den Mut zum Neuanfang und um Entscheidungen, die sich richtig anfühlen, ganz egal, was die anderen denken oder sagen. Arabella Wintermayr über einen lesbischen Abenteuerfilm aus Österreich, der im Oktober in der Queerfilmnacht zu sehen ist.
The Delta (1996)

The Delta (1996)

Tagsüber spielt Lincoln in seiner Familie den braven Sohn, abends sucht er Sex mit Männern auf Parkplätzen und in Peep-Show-Kabinen. Als er eines Nachts dort seinen Flirt Minh wiedertrifft, den Sohn einer vietnamesischen Mutter und eines afroamerikanischen GIs, beginnt für ihn, ein schüchternes Bündel aufgestauter Sehnsüchte, ein ungeahntes Abenteuer. Die beiden unterschiedlichen Jungs kapern das Boot von Lincolns Vater und fahren den Mississippi hinab. Doch im rassistisch geprägten amerikanischen Süden hat ihre melancholische Affäre wenig Chancen … Der Debütspielfilm von Ira Sachs („Keep the Lights On“), der laut B. Ruby Rich auf jede Bestenliste der queeren Filme gehört, wurde 1997 zu unrecht übersehen. Daniel Sander über ein fiebrige Meisterwerk.
Alles über meine Mutter (1999)

Alles über meine Mutter (1999)

Feliz cumpleaños, Pedro! Am 25. September feiert Pedro Almodóvar seinen 75. Geburtstag. Kurz vor der Veröffentlichung seines neuen Film „The Room Next Door“ gratulieren wir dem seit Jahrzehnten wichtigsten Regisseur des spanischen Kinos mit einem Rückblick auf sein Meisterwerk „Alles über meine Mutter“ (1999), das Almodóvar nicht nur seinen ersten Oscar einbrachte, sondern auch eine Schlüsselposition in seinem Œuvre einnimmt. Andreas Wilink schreibt, was an dem Drama über eine Mutter, die sich nach dem Unfalltod ihres Sohnes auf die Suche nach dessen Vater macht, queer, was camp und was spanische Volkskunst ist. Und er dringt zum rotleuchtenden Zentrum des Almodóvarschen Labyrinth der Leidenschaften vor: der Selbstwerdung inmitten einer neuen Heiligen Familie.
Der Sommer mit Carmen

Der Sommer mit Carmen

Für die queere Community Athens ist der Limanakia Beach ein sozialer und sexueller Hotspot. Hier treffen sich die Freunde Demos und Nikitas, beide Anfang 30 und angehende Filmemacher. Schauspieler Nikitas hat es satt, immer nur für die gleichen schwulen Rollen besetzt zu werden, und will endlich seine eigenen Erfahrungen auf der Leinwand sehen. Während die Männer um sie herum schwimmen und rummachen, pitcht Nikitias seinem Freund eine Filmidee. Aus einem sommerlichen Sonnenbad vor ungezwungener Kulisse entwickelt der griechische Regisseur Zacharias Mavroeidis ein erotisches Filmvergnügen, das spielerisch zwischen Zeit- und Erzählebenen hin- und herwechselt. Christian Horn über die frivole und metareflexive Bromance-Komödie „Der Sommer mit Carmen“, die im September in der Queerfilmnacht zu sehen ist.
Hustler White (1996)

Hustler White (1996)

Inspiriert von „Sunset Boulevard“, „Tod in Venedig“ und den Sexfilmen Andy Warhols erzählt „Hustler White“ selbstreflexiv und verspielt von einem blasierten Schriftsteller, der sich auf „Recherchereise“ in die Stricherszene von Los Angeles begibt und sich on location prompt verliebt. Mit festem Blick auf Authentizität haben Bruce LaBruce und Rick Castro ihre romantisch Sex-Komödie an Originalschauplätzen auf dem Santa Monica Boulevard gedreht. Philipp Stadelmaier über einen Klassiker des schwulen Stricherkinos, dessen queerer Referenzenreigen auch knapp 30 Jahren nach seiner Uraufführung noch herrlich explizit funkelt.
Sad Jokes

Sad Jokes

Auch in seinem zweiten Spielfilm vermischt Autor und Regisseur Fabian Stumm („Knochen und Namen“) unterschiedlichste Gefühlstonarten zu einer tragikomischen Reflexion der Wirklichkeit: Joseph und Sonya sind durch eine enge Freundschaft und ihren kleinen Sohn Pino verbunden, den sie gemeinsam aufziehen. Während sich Regisseur Joseph an einer neuen Filmidee und der Trennung von seinem Ex-Freund Marc abarbeitet, leidet Sonya unter einer Depression, die sie zusehends aus ihrem Leben herausreißt. „Sad Jokes“ ist absurd und banal, hoffnungsvoll und anrührend oder – wie im wirklichen Leben – alles auf einmal. Für diese Jonglage wurde Fabian Stumm auf dem Filmfest München mit gleich zwei Preisen ausgezeichnet und von der Presse bereits als queerer Nachfolger von Loriot bezeichnet. Jetzt ist „Sad Jokes“ im Kino zu sehen. Andreas Wilink über einen Film, der mit feinstem Pointilismus ein großes Bild vom Wesentlichen und Bleibenden, vom Traurigen und Beglückenden malt.
Kamikaze Hearts (1986)

Kamikaze Hearts (1986)

In Juliet Bashores Filmklassiker „Kamikaze Hearts“ verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion: Jungregisseurin Tigr versucht im San Francisco der 1980er in der Pornoindustrie Fuß zu fassen. In ihrem neuen Film spielt ihre erfahrene Partnerin Mitch die Hauptrolle. Zwischen toxischen Produzenten und Drogenexzessen versuchen sie sich als Geliebte nicht zu verlieren. Tigr und Mitch waren wirklich ein Paar und arbeiteten zusammen in der Pornoindustrie; im Film wechseln sich gespielte Szenen mit dokumentarischen Beobachtungen ab. So entsteht ein schonungsloses Branchenporträt, aber auch ein erstaunlich sexpositiver Film über ein leidenschaftliches Paar, das treffsicher die umtriebige und ungezähmte Lesbenszene in San Francisco jener Jahre verkörpert. Beim Queerfilmfestival, das am Donnerstag startet, kehrt „Kamikaze Hearts“ knapp 40 Jahre nach seiner Entstehung in restaurierter Fassung auf die große Leinwand zurück. Manuela Kay über einen Film, der sich alle Freiheiten nimmt.