Mysterious Ways

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Hört darauf, was eure Herzen Euch sagen – allen Repressionen zum Trotz! Das ist die frohe Botschaft von „Mysterious Ways“, dem neuen Film von Paul Oremland („Like It Is“). Peter ist Priester einer kleinen Gemeinde in Neuseeland und möchte seinen samoanischen Partner Jason heiraten. Doch die anglikanische Kirche sieht die Segnung eines homosexuellen Paares nicht vor. Freunde und Familie starten eine Support-Kampagne. Und dann kommt auch noch Jasons non-binärer Neffe Billy aus Australien zu Hilfe und erklärt, Gottes Gesandte:r für die Trauung zu sein. Christian Horn über ein turbulentes Liebes- und Glaubensdrama, das es jetzt als DVD und VoD gibt.

Foto: Salzgeber

Mit göttlichem Segen

von Christian Horn

Die rigorose kirchliche Sexualmoral steht im offenkundigen Widerspruch zur frohen Botschaft der christlichen Nächstenliebe. Auch wenn hier und da Vorstöße glücken, sind die Ächtung von Homosexualität, sonstige Repressionen gegenüber queeren Menschen oder das Zölibat nach wie vor fest im Gedankengut vieler Gläubiger und Würdenträger verankert. Manches davon betrifft Peter, einen Kleinstadtpfarrer aus Neuseeland, nicht. Zum einen herrscht in seiner anglikanischen Gemeinde kein Zölibatszwang – Peter war verheiratet und ist Vater einer erwachsenen Tochter. Zum anderen akzeptieren die Kirchenoberen sogar seine Liebesbeziehung zum samoanischen Rugby-Trainer Jason, nur ein paar Kleingeister erregen sich darüber. „Nichts an unserer Liebe ist ein Geheimnis,” verkündet Peter daher nicht ohne Stolz. Mit dem Bund der Ehe gibt es allerdings noch eine Bastion, die erstürmt werden will.

Peter könnte eine Lebensgemeinschaft mit Jason gründen und auf den Segen der Kirche verzichten, wünscht sich aber eine große kirchliche Trauung. Genau das verspricht er Jason in aller Öffentlichkeit während einer Live-Radiosendung, was viel Staub aufwirbelt. Der konservative Bischof stellt sich quer, der Medienzirkus springt auf den Sensationszug auf, im Internet zündet eine weltweite Support-Kampagne. Bald stellt der ganze Trubel die Beziehung zwischen Peter und Jason auf die Probe. Jason will sein altes Leben zurück, Peter verliert die Hoffnung.


Die grundsätzliche Frage, ob die institutionelle Ehe überhaupt noch zeitgemäß ist, bleibt in „Mysterious Ways” von Paul Oremland unberührt. Peter und Jason erscheint sie als Stück Glückseligkeit, letztlich steht die ersehnte Eheschließung aber auch stellvertretend für eine vollumfänglich gleichberechtigte queere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, wozu in Oremlands Film eben explizit die Religionsausübung gehört. „Wir sind keine Christen zweiter Klasse“, meint Jason. Genau dafür kämpft das Paar.

Die Auftaktszene fasst den inhaltlichen wie stilistischen Fokus prägnant zusammen: Einige Close-ups christlicher Symbole, dann küssen sich Peter und Jason in einer Nahaufnahme. Der Titel wird im Rahmen eines Bleiglasfensters eingeblendet, dazu ein zarter Choral – schon ist klar, dass Oremland und seine Mitautor:innen Dianna Fuemana und Harry McNaughton den Komplex „Kirche und Homosexualität“ in den Blick nehmen. Wie schon im gefeierten Boxerfilm „Like It Is“ von 1998 lotet Oremland ein männlich dominiertes Revier aus, in dem gleichgeschlechtliche Liebe zumindest offiziell nicht vorkommt und überdurchschnittlich verpönt ist. Als Rugby-Trainer agiert auch Jason in einem potentiell homophoben Feld. Sehr entspannt gehen derweil die wortkargen Kerle von der Suchtberatung im Gefängnis mit der Neuigkeit um, dass der sie betreuende Pfarrer schwul ist. „Es ist nicht ansteckend“, bricht Peter das Eis. Gelächter, keine weiteren Fragen.

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Vom Thema her beackert das Liebes- und Glaubensdrama die kirchenpolitische Frage, wie sich die starr organisierte Glaubensgemeinschaft heutzutage aufstellen und präsentieren muss, wenn sie sich weiterhin als moralische Instanz behaupten will. In einem Plakat, mit dem Peter vor der Kirche für die Akzeptanz queerer Liebender wirbt, sehen seine Gegner eine unlautere Werbung für Sodomie, weshalb es schwulenfeindlich beschmiert wird. Der Bischof setzt Peter zu und will die Fördergelder für das Jugendzentrum streichen, in dem auch Jason aktiv ist – sofern die Heiratswilligen nicht per Erklärung bekunden, dass sie fortan enthaltsam leben wollen. Natürlich verweigern Peter und Jason die Unterschrift.

Das Motiv der verbotenen Liebe eines Kirchenmanns ist im Film kein unbekanntes. Ein prominentes Beispiel ist der TV-Mehrteiler „Die Dornenvögel“ mit Richard Chamberlain, ein jüngeres die zweite Staffel der britischen Serie „Fleabag“ von und mit Phoebe Waller-Bridge. Zuletzt hat auch der Berufsprovokateur Paul Verhoeven in seiner Nunsploitation-Variante „Benedetta“ die strenge Sexualmoral und verbreitete Scheinheiligkeit der Kirche ins Visier genommen. Im Vergleich zu diesen Beispielen hat das Liebespaar aus „Mysterious Ways“ erstaunlich wenige gemeinsame Szenen, meist sehen wir sie allein ihrer jeweiligen Beschäftigung oder Mission nachgehen. Die Funken zwischen den Mimen Richard Short und Nick Afoa sprühen aber mehr als ausreichend, um die tiefe Zuneigung auch ohne viele Liebesbekundungen fest im Film zu verankern. Die dramaturgische Entscheidung lenkt das Interesse auf das Umfeld der Hauptfiguren, auf die Reaktionen und die Dynamik in der Kleinstadtgemeinschaft. Das zahlt auf die gesellschaftspolitische Dimension des Stoffs ein, die eben nicht nur Peter und Jason betrifft, sondern die Gesellschaft als Ganzes. Das Private ist politisch.

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Ein liebenswerter Figurenreigen umgibt die Protagonisten. Klar hervorzuheben ist Jasons non-binärer Neffe Billy, der unerwartet aus Australien anreist. Dass Billy aus „Oz“ stammt, gibt einen kleinen Hinweis auf die bis zum Schluss offene Frage, warum die Wege des Herrn dem Titel nach „mysteriös“ sind. Bis zur Aufklärung von Billys Geheimnis verbreitet „crowd pleaser“ Billy eine betont hoffnungsfrohe Stimmung und engagiert sich etwa durch eine Performance aktiv für die Liebe seines Onkels. Mit Sprüchen wie „Wenn man sich zur Selbstliebe vögeln könnte, wäre jeder schwule Mann ein Gandhi“ lockert er die zunehmende Anspannung auf und positioniert sich als gute Seele des Films. Begleitet wird Billy von Jasons „Tantchen“ Nola, die ihrem Neffen beherzt ins Gewissen redet, als dieser verzweifelt die Segel streichen will. Nola offeriert mit ihrem Hinweis auf alte samoanische Gottheiten aus der Zeit vor der christlichen Missionierung ein versöhnliches Gegenbild zur Vorstellungswelt der Kirche.

Die Bildgestaltung ist unübersehbar symbolisch aufgeladen. In steter Regelmäßigkeit zeigt Oremland christliche Symbole wie Kruzifixe, die Bibel oder auch Kerzen in Großaufnahme, einmal flattert ein ganzer Schwarm Tauben in Zeitlupe durchs Bild, wiederholt repräsentieren Gitterstäbe das Gefangensein in überkommenen Traditionen. Besonders auffällig ist die artifizielle Beleuchtung. Hinter etlichen Fenstern stehen voll aufgedrehte Scheinwerfer, auch nachts ist ein Flutlicht oft nicht weit entfernt. Die zahlreichen Lichtreflexionen, die dadurch auf der Kameralinse entstehen, sind das expressive bildgestalterische Leitmotiv des Dramas. Die „Lense Flares” haben eine klare metaphorische Bedeutung als göttlicher Funke: Gott sieht alles, versichern die unzähligen Lichtstrahlen, und wie selbstverständlich wähnt man ihn auf der Seite des gebeutelten Liebespaars. Ähnlich funktionieren die Schwenks vom Himmel auf das Kirchengebäude.

Die an Formeln und Motive des Unterhaltungskinos angelehnte Umsetzung vermittelt das zunächst etwas trockene Anliegen des Films auf so eingängige und herzliche Weise, dass die ganz und gar universelle Liebesbotschaft darin auch ein kirchenfernes Publikum erreicht. Zusammen mit seinen Hauptfiguren hofft der Film auf Veränderung. Aller inneren wie äußeren Konflikte zum Trotz glaubt vor allem Peter fest daran, dass „seine” Kirche transformiert werden kann. Für den Pfarrer schert sich Gott nicht um Hierarchien, Dogmen, Verdammnis, sondern schlicht und ergreifend um Liebe.




Mysterious Ways
von Paul Oremland
NZ 2023, 90 Minuten, FSK 12,
englische OF mit deutschen UT

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