Plötzlich alles anders

Something Must Break

Something Must Break

Heute zeigt der rbb den inhaltlich und formal wohl widerständigsten Film seiner Reihe rbb QUEER: Ester Martin Bergsmark erzählt in "Something Must Break" (23h30 im rbb) eine zärtliche, manchmal heftige Liebesgeschichte zwischen einem androgynen Jungen und einem anderen, der nicht schwul ist. Zusammen rebellieren sie gegen die Langeweile der bürgerlichen Ikea-Welt und suchen nach einer Form für ihre Liebe, die in kein hetero- oder homonormatives Schema passt. Der schwedische Film wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem 2014 mit dem renommierten "Tiger Award" beim Filmfestival Rotterdam. Aileen Pinkert hat ihn für uns gesehen.
Jonas

Jonas

Neu als DVD und VoD: Jonas ist 33 und arbeitet dort als Krankenträger. In seiner Freizeit lässt er sich von einem Sexdate zum nächsten treiben, nachts zettelt er in Clubs regelmäßig Streit an. Er kann nicht vergessen, was vor 18 Jahren mit ihm passiert ist, kann Nathan nicht vergessen, den coolen Jungen mit der Narbe im Gesicht, der im neuen Schuljahr plötzlich neben ihm saß und ihm kurz darauf seinen ersten Kuss gab. Und den er in einer verhängnisvollen Nacht für immer verlor. Regisseur Christophe Charrier verknüpft in seinem Film virtuos zwei Zeitebenen miteinander, auf denen er vom schwulen Heranwachsen im Frankreich der 90er, der ersten großen Liebe, von Scham, Schuld und einem gewaltigen, alles verzehrendes Trauma erzählt, das nach und nach an die filmische Oberfläche kommt wie die Erinnerung an einen düsteren Traum. In der Hauptrolle brilliert mit Félix Maritaud ("120 BPM", "Sauvage", "Messer im Herz") einer der derzeit angesagtesten jungen Darsteller des europäischen Kinos. Für unseren Autor Philipp Stadelmaier erzählt "Jonas" vor allem die Geschichte einer verlorenen Unschuld.
Der verlorene Sohn

Der verlorene Sohn

Der 19-jährige Jared (Lucas Hedges) wächst in einem Baptistenprediger-Haushalt in den amerikanischen Südstaaten auf – und ist schwul. Weil das aus der Sicht seiner strenggläubigen Eltern (Nicole Kidman, Russell Crowe) nicht zusammengeht, schicken sie den Sohn zu einer Konversionstherapie. Doch die "Behandlung" im Kreise der übrigen "Patienten" trägt andere Früchte, als sich die Eltern erhofft haben. Basierend auf dem gefeierten autobiografischen Roman "Boy Erased" von Garrard Conley erzählt das fein besetzte Drama (in Nebenrollen sind Xavier Dolan und Troye Sivan zu sehen) von den repressiven Lebensumständen von queeren Menschen im Bible Belt der USA – und der mutigen Selbstermächtigung eines jungen Mannes. Patrick Heidmann über einen Film, der in Trump-Amerika von bestürzender Aktualität ist.
Lesbisch schwule Filmtage Hamburg 2018

Lesbisch schwule Filmtage Hamburg 2018

Nach fünf prall gefüllten Festivaltagen mit 65 Filmvorstellungen und insgesamt 123 Lang- und Kurzfilmen sind am Wochenende die 29. Lesbisch schwulen Filmtage Hamburg zu Ende gegangen. Den Jurypreis des größten und ältesten queeren Filmfestivals Deutschlands hat in diesem Jahr der libanesische Essayfilm „Room for a Man“ von Anthony Chidiac gewonnen. Eine lobende Erwähnung ging an den Dokumentarfilm „Silvana“ des schwedischen Regiekollektivs von Olivia Kastebring, Mika Gustafson und Christina Tsiobanelis. Den Publikumspreis erhielt das lesbische Liebesdrama „My Days of Mercy“ von Tali Shalom-Ezer mit Ellen Page und Kate Mara in den Hauptrollen. Für sissy waren Britta Voß, Nilufar Karkhiran-Khozani, Doreen Kropp und Klaus Braeuer auf dem Festival unterwegs und präsentieren uns hier ihre Entdeckungen.
Girl

Girl

Bei seiner Weltpremiere im Mai in Cannes wurde "Girl" erst mit stehenden Ovationen gefeiert und dann mit der Queer Palm und der Caméra d'Or – dem Preis für den besten Erstlingsfilm – ausgezeichnet. Mit traumwandlerischer Sicherheit erzählt der junge belgische Regisseur Lukas Dhont darin die Geschichte der 15-jährigen Lara, die mit ihrem Vater und kleinem Bruder nach Brüssel zieht, um sich an einer renommierten Akademie zur Ballerina ausbilden zu lassen. Neben dem Einstieg in die neue Schule beschäftigt Lara vor allem die bevorstehende Hormonbehandlung. Denn mit ihrem 16. Geburtstag darf sie, die als Junge geboren wurde, aber sich schon immer als Mädchen gefühlt hat, endlich offiziell mit der Anpassung ihres biologischen Geschlechts beginnen. Dhonts großer Wurf besteht darin, dass er einen Film weniger über eine Transition, als, sehr viel subtiler und grundlegender, über einen Penis gemacht hat, findet unser Autor Philipp Stadelmaier. Und ist dabei vor allem von Victor Polster beeindruckt, dem kühnen Lara-Darsteller, der in Cannes mit dem Darsteller-Preis der Sektion "Un Certain Regard" geehrt wurde und diesen erst annahm, als das Festival einwilligte, ihn geschlechtslos zu verleihen. Im Oktober ist "Girl" als Special in der queerfilmnacht zu sehen, am 18. Oktober startet er regulär in den Kinos.
Blau ist eine warme Farbe

Blau ist eine warme Farbe

Zum Abschluss von rbb QUEER ist heute Abend Abdellatif Kechiches hochgelobtes Liebesdrama "Blau ist eine warme Farbe" zu sehen. 2013 wurde der Film in Cannes spektakulär mit der Goldenen Palme ausgezeichnet, die nicht nur an den Regisseur, sondern explizit auch seine grandiosen jungen Hauptdarstellerinnen Léa Seydoux und Adèle Exarchopoulos ging. Barbara Schweizerhof spürt der besonderen Sinnlichkeit des Films nach, erinnert aber auch an die Diskussion um das Fehlen von lesbischer Teilhabe am Dreh, das damals vor allem die queer-feministische Filmkritik erhitzte.
Dating My Mother

Dating My Mother

Danny ist schon längst mit der Schule fertig, lebt aber noch immer bei seiner Mum in New Jersey und hat keinen richtigen Plan für die Zukunft. Die Tage verbringt er mit ausgeklügelten Yogaübungen, halbherzigen Grindr-Dates und zarten Versuchen, ein Filmdrehbuch zu schreiben. Eigentlich ist seine Mutter auch seine beste Freundin. Doch als Joan sich bei einer Dating-Plattform anmeldet und einen neuen Mann fürs Leben kennenlernen möchte, gerät Dannys heile Helikopter-Kind-Welt aus den Fugen ... Mike Roma verpackt seinen rasant geschriebenen Debütfilm als Komödie über die Risiken und Nebenwirkungen von Online-Dating. Für unseren Autor Frank Brenner ist „Dating my Mother“ aber auch eine berührende Mutter-schwuler-Sohn-Geschichte, die nur deswegen so komisch ist, weil sie sich nur unweit vom wahren Leben entfernt.
God’s Own Country

God’s Own Country

Das Leben des 24-jährigen Johnny ist karg und einsam. Er wohnt und arbeitet auf der abgelegenen Schafsfarm seiner Familie im Norden Englands. Zwischen ihm, seinem kranken Vater und der stoischen Großmutter fallen nur wenige, grobe Worte. Um seine Frustration zu betäuben, betrinkt er sich jeden Abend im nahe gelegenen Pub und hat ab und zu unverbindlichen Sex mit jungen Männern. Als im Frühjahr der gleichaltrige Saisonarbeiter Gheorghe aus Rumänien auf die Farm kommt, ist Johnny zunächst misstrauisch und mürrisch. Doch je mehr Zeit die beiden jungen Männer während der harten Farmarbeit miteinander verbringen, desto intensiver wird ihre Beziehung. Regisseur Francis Lee hat sein raues Regiedebüt in der eigenen Heimat gedreht, der ehemaligen Grafschaft Yorkshire, die Engländer aufgrund ihrer archaischen Landschaft auch "God’s Own Country" nennen. Inmitten einer unwirtlichen Natur, die als Abbild der anfänglichen Isolation seiner Figuren dient, erzählt Lee in realistischen Bildern von harscher Schönheit die packende Geschichte einer sexuellen und emotionalen Erweckung – und die Geschichte einer gewaltigen Liebe. Matthias Frings über einen Film, "der nicht fragt, was fehlt, sondern was geht".
Für dich soll’s ewig Rosen geben

Für dich soll’s ewig Rosen geben

Giulio und Claudio sind seit Ewigkeiten zusammen. Dass nicht nur Claudios Gesundheit Probleme bereitet, sondern das Paar auch in finanzielle Bedrängnis geraten ist, versucht Giulio so gut es geht vor seinem Partner zu verheimlichen. Doch als Giulios Tochter Valeria plötzlich mit Enkelsohn Marco auftaucht, droht das mühsam aufgebaute Lügengerüst in sich zusammenzufallen. Cesare Furesis Film ist eine ruhige, schön komponierte und fein besetzte Tragikomödie über eine lebenslange Liebe. Von Frank Brenner.
Call Me by Your Name

Call Me by Your Name

Luca Guadagninos Verfilmung von André Acimans gleichnamigen Roman aus dem Jahr 2007 erzählt vielschichtig, handwerklich makellos und tief berührend die Geschichte einer ersten Liebe im Italien Anfang der 80er. Seit „Brokeback Mountain“ (2005) war keine schwule Romanze mehr so anschlussfähig für Heteros, wie die vielen Auszeichnungen für den Film, vier Oscar-Nominierungen und die riesige internationale PR-Kampagne von Sony Pictures belegen. „Call Me by Your Name“ ist aber auch ein explizit queeres Erweckungsdrama, das unsere ganz eigenen Erfahrungen von Begehren und Angst, Erinnerung und Verleugnung, Lust und Trauer filmisch durchdekliniert. Heute startet der Film endlich auch in den deutschen Kinos. Von Christian Weber.