Machtspiele

Tár

Tár

Cate Blanchett spielt die begnatete amerikanische Dirigentin und Komponistin Lydia Tár, die als erste Frau ein großes deutsches Orchester leitet. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere bereitet die offen lesbische Musikerin die mit Spannung erwartete Einspielung von Gustav Mahlers 5. Sinfonie vor. Doch als sie mit dem Freitod eines ehemaligen Protegés in Verbindung gebracht wird, gerät ihre streng durchgetaktete Welt ins Wanken. Für ihre formidable Darstellung einer hochkomplexen Frauenfigur wird Cate Blanchett aller Wahrscheinlichkeit nach am Montag ihren dritten Oscar entgegennehmen. Barbara Schweizerhof über die vielen Schichten eines meisterhaften Dramas zwischen feministischem Porträt und abgründigem Geisterfilm.
L.A. Plays Itself – The Fred Halsted Collection

L.A. Plays Itself – The Fred Halsted Collection

Der US-amerikanische Pornodarsteller und Regisseur Fred Halsted (1941-89) galt bereits zu Lebzeiten als Legende: Sein selbst erschaffenes Image als in Leder gekleideter Sadist machte ihn berühmt-berüchtigt – und zu einem der ersten offen schwulen Sexsymbole. Seine transgressiven Filme, die freizügig Hardcore-Sex, SM und andere Fetisch-Praktiken zeigten, waren für das Erotikkino bahnbrechend und schickten Schockwellen durch das junge Gay Liberation Movement. Aber auch das Kunst-Establishment mischte Halsted auf. Trotz ihrer kulturellen Bedeutung waren Halsteds Filme lange Zeit nur stark geschnitten verfügbar. Jetzt sind erstmals in Deutschland die vom New Yorker Museum of Modern Art restaurierten Fassungen der Cruising-Fantasie „L.A. Plays Itself“ (1972), des Autowerkstatt-Lustspiels „The Sex Garage“ (1972) und des Party-Pornos „Sextool“ (1975) erschienen. Michael Kienzl über Halsteds grenzüberschreitende Filmen und die Diktatur der Lust.
The Schoolmaster Games

The Schoolmaster Games

An der St.-Sebastian-Akademie sind alle Studenten schwul, jedes Seminar dreht sich um Homosexualität und der Campus vibriert nur so vor erotischen Ränkespielen. Machtzentrum ist der strenge Schuldirektor, der mit seinem Lieblings-Zögling Charles die Schoolmaster Games veranstaltet, ein Sexspiel mit klarer Rollenverteilung. Bis eine mysteriöse Nachricht alles durcheinander bringt... In ihrem vor originellen Ideen und skurrilen Figuren nur so sprühenden Langfilmdebüt erzählt die schwedische Regisseurin Ylva Forner auf Basis des gleichnamigen Romans von Kristofer Folkhammar von einem sagenhaften Ort zwischen schwulem Safe Space, musikalischem SM-Keller und sexueller Verbesserungsanstalt. Matthias Frings über einen schwer zu fassenden Genre-Hybrid, der seinen Stil in der lustvollen Aneignung findet – und im Oktober in der Queerfilmnacht zu sehen ist.
Peter von Kant

Peter von Kant

Mit „Tropfen auf heiße Steine“ (2000) hat François Ozon schon einmal ein Theaterstück von Rainer Werner Fassbinder kongenial verfilmt. Sein neues Kammerspiel ist eine Art Remake von Fassbinders Meisterwerk „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ (1972). Statt drei Frauen umschwirren sich in der intimen Enge einer eleganten Künstlerwohnung hier aber drei Männer, und die titelgebende, vom Koks-Konsum gezeichnete Hauptfigur sieht Fassbinder selbst zum Verwechseln ähnlich. Philipp Stadelmaier empfiehlt, „Peter von Kant“ gleich zweimal zu sehen, und findet, dass sich Ozons Film zu Fassbinders wie eine eigenwillige Phantasie zu einem früheren Ereignis verhält, das durch Umformung und Umschreibung bewahrt werden soll.
Moneyboys

Moneyboys

Der junge Fei lebt in einer chinesischen Großstadt und verdient sein Geld als „Moneyboy“, als illegaler Sexarbeiter, um seine Familie auf dem Land zu unterstützen. Seine Verwandten akzeptieren zwar sein Geld, nicht aber seine Homosexualität. Fei beschließt, sein Leben neu zu ordnen, sich zur Liebe zu bekennen und Verantwortung zu übernehmen – für sich selbst und für seinen neuen Geliebten Long. Doch die Vergangenheit als „Moneyboy“ ist nicht so einfach abzustreifen … In seinem packenden Spielfilmdebüt erzählt C.B. Yi von der Verlorenheit eines jungen Mannes und einer ganzen Generation, die zwischen dem wirtschaftlichen und moralischen Druck der Gesellschaft in einer Sackgasse festzustecken scheint. „Moneyboys“, der in Cannes uraufgeführt und in Saarbrücken mit dem Max Ophüls Preis ausgezeichnet wurde, läuft im Juli in der queerfilmnacht und wird am 28. Juli regulär im Kino starten. Sebastian Markt über einen Film mit sanft gezeichneten Figuren im hartnäckigen Widerstand.
Duke of Burgundy

Duke of Burgundy

Jetzt im Salzgeber Club: Der Duke of Burgundy ist nicht etwa die einzige männliche Figur im weltweit gefeierten Spielfilm von Peter Strickland, sondern der Name eines Schmetterlings, hamearis lucina, deutsch „Schlüsselblumen-Würfelfalter“. Er ist aber ein eher nebensächliches Objekt des Interesses zweier zusammen lebender Insektenforscherinnen, deren rigider, durchperfomter Alltag ansonsten von abgründigen Leidenschaften geprägt ist. Ganz grundsätzlich ist in diesem Film nichts so, wie es auf den dritten Blick erscheint, schreibt Alexandra Seitz.
Fuchs im Bau

Fuchs im Bau

Hannes Fuchs kommt als neuer Lehrer in eine Strafanstalt für Jugendliche. Dank der unkonventionellen Unterrichtsmethoden seiner Kollegin Elisabeth Berger wird Fuchs, der sich noch von einem schweren Schicksalsschlag erholt, wieder kreativer – und kann sogar der verschlossenen Gefängnisinsassin Samira helfen. Arman T. Riahis Drama „Fuchs im Bau“ wurde beim Filmfestival Max Ophüls Preis für die Regie und das Drehbuch ausgezeichnet. Alexandra Seitz über einen Film, der seine vielen Themen jederzeit im Griff behält und sie mit überraschend leichter Hand entwickelt.
Edward II

Edward II

Am 31. Januar wäre Derek Jarman (1942-1994) 80 Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass starten vier seiner Filme im Salzgeber Club . „Edward II“ (1991) erzählt frei nach dem Stück des Shakespeare-Zeitgenossen Christopher Marlowe von einer schwulen Liebe, die eine homophobe Gesellschaft ins Chaos stürzt. Kein Historienschinken, keine langweilige Geschichtsstunde, sondern ein obsessiv-experimentelles Plädoyer für eine Welt, in der die Leidenschaftlichen nicht den Machtspielen und Intrigen zum Opfer fallen und als Verbrecher diskriminiert werden. Andreas Wilink über ein radikal modernes Kunstwerk, das die Anachronismen zelebriert.
The Power of the Dog

The Power of the Dog

Mit dem Post-Western „The Power of the Dog“, der aktuell im Kino und auf Netflix zu sehen ist, räumt Jane Campion („Das Piano“) seit Wochen einen Kritiker:innen-Preis nach dem anderen ab. Für sieben Golden Globes ist ihr Film, der auf dem gleichnamigen Bestseller von Thomas Savage basiert, bereits nominiert – und wird vermutlich auch bei den Oscars ordentlich mitmischen. Benedict Cumberbatch und Jesse Plemons spielen darin zwei Brüder, die unterschiedliche Männlichkeitstypen repäsentieren: Der eine ist aggressiv und verbirgt sein schwules Begehren hinter hypermaskulinen Posen; der andere ist sanftmütig und bereit für echte Zuneigung. Eine junge Witwe und deren Sohn bringen das toxische Gefüge der beiden drastisch durcheinander. Cosima Lutz über ein meisterhaftes Filmdrama mit hochkomplexen Figuren, das die Queerness im vermeintlich Eindeutigen freilegt.
Falling

Falling

In seinem Regiedebüt nach einem eigenem Drehbuch erzählt Hollywood-Star Viggo Mortensen von Willis, der seinen Sohn einst im konservativen Mittleren Westen der USA zu einem „echten Mann“ erziehen wollte. Mittlerweile lebt John in Kalifornien, zusammen mit seinem Ehemann Eric und der gemeinsamen Adoptivtochter Monica. Als bei Willis eine beginnende Demenz diagnostiziert wird, ist er zunehmend auf die Fürsorge seines Sohnes angewiesen. Und der bemüht sich noch einmal um eine Annäherung. Mortensen spielt in dem emotionalen Familiendrama selbst die Rolle des erwachsenen John. Dennis Vetter über einen Film, in dem sich (zu) vieles um Versöhnlichkeit dreht.