Articles Written By: Christian Weber

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Queer Cinema Classics

Queer Cinema Classics

Die queere Filmgeschichte ist ein funkelnder Schatz – reich an widerständigen Figuren, anderen Blicken und ganz eigenen Geschichten. Doch zu vielen wichtigen nicht-heteronormativen Filmen gibt es keine profunde Besprechung, die online verfügbar wäre. Und zu den wenigsten gibt es Texte aus dezidiert queerer Perspektive. Die sissy möchte diese Lücke schließen und wirft in den nächsten zwei Jahren einen besonderen Blick auf jene Filme, die im Laufe der vergangenen 125 Jahre auf die eine oder andere Weise bahnbrechend für das nicht-heteronormative Kino waren und deswegen heute als Klassiker gelten dürfen. Jeden Donnerstag erscheint eine Besprechung. Welche Bedeutung hatten die Filme in der Zeit ihrer Entstehung? Hat sich unser Blick im Laufe der Zeit verändert? Wie nehmen wir die Filme heute wahr? Am Ende soll ein Kanon mit 100 Grundsatztexten stehen, der die Filmgeschichte aus historischer Perspektive und im zeitgenössischem Licht neu ausleuchtet. Das Projekt der Queeren Kulturstiftung wird von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld gefördert. Die sissy bedankt sich!
Isabel Waidner: Vielleicht ging es immer darum, dass wir Feuer spucken

Isabel Waidner: Vielleicht ging es immer darum, dass wir Feuer spucken

Ein Titel wie ein Funkenregen, eine Story wie ein Trip ins All und eine Sprache, die permanent ihre eigenen Grenzen sprengt. Mit diesen Zutaten geht der neue Roman von Isabel Waidner an den Start. Die poetischen Kapriolen aus Waidners  preisgekrönten Debüt „Geile Deko“ werden in „Vielleicht ging es immer darum, dass wir Feuer spucken“ aufs nächste Level getrieben. Der Roman verbindet die Geschichte einer Gruppe Londoner Queers mit einem literarischen „Stierkampf“ im polnischen Gendering. Anja Kümmel hat sich von der kreativen Wucht des kaleidoskopischen Texts beglücken lassen – und gendert in ihrer Besprechung selbst polnisch.
Sommer wie Winter (2000)

Sommer wie Winter (2000)

„Sommer wie Winter“ gilt längst als Klassiker des queeren französischen Kinos. Sébastien Lifshitz’ wunderbar sinnlicher und unverkrampfter Debütfilm spielt während der Sommerferien in einem französischen Küstenort. Für den 18-jährigen Mathieu, der mit seiner Familie angereist ist, eine Zeit seligen Nichtstuns. Alles ändert sich, als er den gutaussehenden Cédric kennenlernt. Zunächst hält Mathieu sich noch schüchtern zurück. Doch die gegenseitige Anziehungskraft ist zu groß. Stefan Hochgesand hat sich „Sommer wie Winter“ 25 Jahre nach dessen Entstehung noch einmal angesehen – und einen Liebesfilm für alle Jahreszeiten wiederentdeckt.
Der Sommer mit Carmen

Der Sommer mit Carmen

Für die queere Community Athens ist der Limanakia Beach ein sozialer und sexueller Hotspot. Hier treffen sich die Freunde Demos und Nikitas, beide Anfang 30 und angehende Filmemacher. Schauspieler Nikitas hat es satt, immer nur für die gleichen schwulen Rollen besetzt zu werden, und will endlich seine eigenen Erfahrungen auf der Leinwand sehen. Während die Männer um sie herum schwimmen und rummachen, pitcht Nikitias seinem Freund eine Filmidee. Aus einem sommerlichen Sonnenbad vor ungezwungener Kulisse entwickelt der griechische Regisseur Zacharias Mavroeidis ein erotisches Filmvergngügen, das spielerisch zwischen Zeit- und Erzählebenen hin- und herwechselt. Christian Horn über die frivole und metareflexive Bromance-Komödie „Der Sommer mit Carmen“, die im September in der Queerfilmnacht zu sehen ist.
Hustler White (1996)

Hustler White (1996)

Inspiriert von „Sunset Boulevard“, „Tod in Venedig“ und den Sexfilmen Andy Warhols erzählt „Hustler White“ selbstreflexiv und verspielt von einem blasierten Schriftsteller, der sich auf „Recherchereise“ in die Stricherszene von Los Angeles begibt und sich on location prompt verliebt. Mit festem Blick auf Authentizität haben Bruce LaBruce und Rick Castro ihre romantisch Sex-Komödie an Originalschauplätzen auf dem Santa Monica Boulevard gedreht. Philipp Stadelmaier über einen Klassiker des schwulen Stricherkinos, dessen queerer Referenzenreigen auch knapp 30 Jahren nach seiner Uraufführung noch herrlich explizit funkelt.
Sad Jokes

Sad Jokes

Auch in seinem zweiten Spielfilm vermischt Autor und Regisseur Fabian Stumm („Knochen und Namen“) unterschiedlichste Gefühlstonarten zu einer tragikomischen Reflexion der Wirklichkeit: Joseph und Sonya sind durch eine enge Freundschaft und ihren kleinen Sohn Pino verbunden, den sie gemeinsam aufziehen. Während sich Regisseur Joseph an einer neuen Filmidee und der Trennung von seinem Ex-Freund Marc abarbeitet, leidet Sonya unter einer Depression, die sie zusehends aus ihrem Leben herausreißt. „Sad Jokes“ ist absurd und banal, hoffnungsvoll und anrührend oder – wie im wirklichen Leben – alles auf einmal. Für diese Jonglage wurde Fabian Stumm auf dem Filmfest München mit gleich zwei Preisen ausgezeichnet und von der Presse bereits als queerer Nachfolger von Loriot bezeichnet. Jetzt ist „Sad Jokes“ im Kino zu sehen. Andreas Wilink über einen Film, der mit feinstem Pointilismus ein großes Bild vom Wesentlichen und Bleibenden, vom Traurigen und Beglückenden malt.
Kamikaze Hearts (1986)

Kamikaze Hearts (1986)

In Juliet Bashores Filmklassiker „Kamikaze Hearts“ verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion: Jungregisseurin Tigr versucht im San Francisco der 1980er in der Pornoindustrie Fuß zu fassen. In ihrem neuen Film spielt ihre erfahrene Partnerin Mitch die Hauptrolle. Zwischen toxischen Produzenten und Drogenexzessen versuchen sie sich als Geliebte nicht zu verlieren. Tigr und Mitch waren wirklich ein Paar und arbeiteten zusammen in der Pornoindustrie; im Film wechseln sich gespielte Szenen mit dokumentarischen Beobachtungen ab. So entsteht ein schonungsloses Branchenporträt, aber auch ein erstaunlich sexpositiver Film über ein leidenschaftliches Paar, das treffsicher die umtriebige und ungezähmte Lesbenszene in San Francisco jener Jahre verkörpert. Beim Queerfilmfestival, das am Donnerstag startet, kehrt „Kamikaze Hearts“ knapp 40 Jahre nach seiner Entstehung in restaurierter Fassung auf die große Leinwand zurück. Manuela Kay über einen Film, der sich alle Freiheiten nimmt.
Die Zeugen (2007)

Die Zeugen (2007)

2007 lief „Die Zeugen“ von André Téchiné im Wettbewerb der Berlinale. Aids ist ein Thema, 1984 in Frankreich, aber vor allem geht es um das Glück einer Gemeinschaft, prekär und bedroht, von Téchiné tänzerisch leicht in Bewegung versetzt. Michel Blanc, Sami Bouajila, Julie Depardieu und Emmanuelle Béart spielen die verzauberten Zeugen der Geschichte von Manu, dem Johan Libérau eine spektakuläre körperliche Präsenz und eine eigene Geschwindigkeit gibt. Zum Welt-Aidstag im Dezember in der Gay-Filmnacht, kurz danach endlich auf DVD.
Blue (1993)

Blue (1993)

Keine Handlung, keine Darsteller:innen, keine bewegten Bilder – sondern nur hypnotisches, statisches, strahlendes Blau. Mit „Blue“, einer durchkomponierten Montage aus Stimmen, Klängen und Geräuschen, lieferte Jarman wenige Monate vor seinem aidsbedingten Tod 1993 eine Bilanz seiner letzten Jahre und eine intime, wütende, poetische Auseinandersetzung mit seiner Erkrankung. Es ist ein in jeder Hinsicht finales und herausforderndes Werk, das für Zuschauer:innen zu einer gleichsam aufwühlenden wie sinnlichen Erfahrung werden kann. Zur exklusiven Erstveröffentlichung des Films in Deutschland als VoD im Salzgeber Club wirft Axel Schock einen Blick zurück auf Jarmans persönlichsten Film. Und er erinnert auch an Jarmans Förderer in Deutschland, Manfred Salzgeber, der als Festivalmacher und Filmverleiher das Werk des Regisseurs in die deutschen Kinos gebracht hat – und dessen Tod sich am 12. August zum 30. Mal jährt.
Patagonia

Patagonia

Yuri ist 20 und lebt bei seiner Tante in einem kleinen Dorf in den Abruzzen. Als er bei einem Kindergeburtstag dem Animateur Agostino begegnet, ist er sofort elektrisiert. Agostino ist älter, selbstbewusst und auf wilde Weise unabhängig. Yuri heuert als Agostinos Assistent an und fährt im Wohnmobil mit ihm fort. Ihr großes Ziel ist Patagonien, das Land des Feuers. Mit brennenden Bildern erzählt der italienische Regisseur Simone Bozzelli in seinem Debütfilm von einer vergessenen Jugend, für die nur ein Leben am Rand der Gesellschaft und in ständiger Bewegung in Frage kommt, um den unbändigen Hunger nach Aufrichtigkeit und Freiheit zu stillen. Getragen von einer kompromisslosen filmischen Vision, von Respekt gegenüber den Figuren und zwei überwältigenden Hauptdarstellern zeigt „Patagonia“ eine ambivalente Liebe als verzehrendes Machtspiel zwischen Zärtlichkeit und Destruktion. Philipp Stadelmaier über ein raues Roadmovie, das im August ist „Patagonia“ in der Queerfilmnacht zu sehen ist und am 22. August auch regulär im Kino startet.