Fritz Göttler (Autor)

Die Zeugen (2007)

Die Zeugen (2007)

2007 lief „Die Zeugen“ von André Téchiné im Wettbewerb der Berlinale. Aids ist ein Thema, 1984 in Frankreich, aber vor allem geht es um das Glück einer Gemeinschaft, prekär und bedroht, von Téchiné tänzerisch leicht in Bewegung versetzt. Michel Blanc, Sami Bouajila, Julie Depardieu und Emmanuelle Béart spielen die verzauberten Zeugen der Geschichte von Manu, dem Johan Libérau eine spektakuläre körperliche Präsenz und eine eigene Geschwindigkeit gibt. Zum Welt-Aidstag im Dezember in der Gay-Filmnacht, kurz danach endlich auf DVD.
Der Diener (1963)

Der Diener (1963)

Joseph Loseys „Der Diener“ aus dem Jahr 1963 gilt als meisterhaftes Kammerspiel der homoerotischen Subtexte und kühner Klassiker des queeren Kinos. Dirk Bogarde brilliert darin als  höchst kultivierter Diener Barrett, der den Haushalt des Playboys Tony leitet. Barretts zunächst ehrfürchtig-devotes Verhalten gerät dabei immer weiter in Schieflage, bis die Rollen von Herr und Diener gänzlich zu kippen drohen. Fritz Göttler über die vielen Ebenen der sehr britischen Studie über Macht, Männlichkeiten und Homosexualität.
Love Is the Devil (1998)

Love Is the Devil (1998)

London 1963. George Dyer landet bei einem Einbruch versehentlich im Atelier von Francis Bacon. Der Künstler lässt den Gauner gewähren – wenn der sich zuerst zu ihm ins Bett legt. Ob sich die beiden wirklich so kennengelernt haben, ist nicht verbürgt, wohl aber die Liebesbeziehung, die der Maler und der Kriminelle über mehrere Jahre führten. Mit seinen hingebungsvoll aufspielenden Darstellern Daniel Craig und Derek Jacobi entwirft Regisseur Ray Maybury ein abgründiges Paarporträt, in dem zwar keine Gemälde von Francis Bacon auftauchen, das aber dessen düstere, fragmentierte und verspiegelte Bilderwelten filmisch kongenial übersetzt. Fritz Göttler über einen schwulen Liebesfilm von seltener Direktheit und Zärtlichkeit.
The Angelic Conversation

The Angelic Conversation

Im Abschlussteil unserer Artikelreihe zum 80. Geburtstag von Derek Jarman (1942-1994) wenden wir uns „The Angelic Conversation“ zu. Darin visualisiert Jarman die unterschwellig homoerotischen Themen in William Shakespeares Sonetten. Judi Dench liest 14 dieser Sonette, untermalt mit der Musik von COIL, die zur Kulisse für Jarmans visuelle Kollage aus surrealistischen und eindringlichen Bildern werden. Zusammen mit drei weiteren Meisterwerken Jarmans ist „The Angelic Conversation“ im Salzgeber Club zu sehen. Fritz Göttler über Bilder, die in sich selber kreisen, und ein Kino, das durchatmen kann.
Ulrike Ottinger – Die Nomadin vom See

Ulrike Ottinger – Die Nomadin vom See

Die Filme von Ulrike Ottinger gehören zum Aufregendsten, was die deutsche Kinogeschichte zu bieten hat. Für ihr Lebenswerk erhielt die gebürtige Konstanzerin 2010 das Bundesverdienstkreuz und 2012 den Special Teddy der Berlinale. Im Dokumentarfilm „Ulrike Ottinger – Die Nomadin vom See“, der ab Donnerstag im Salzgeber Club zu sehen ist, gibt Brigitte Kramer, ebenfalls in Konstanz aufgewachsen, einen Einblick in Ottingers surreales Werk – und zeichnet zugleich das Bild einer Epoche, die vom Aufbruch der Frauen in den Künsten geprägt war. Fritz Göttler über das Porträt einer Ausnahmekünstlerin und das ganze Glück des Kinos.
Zehn Filme des Jahres

Zehn Filme des Jahres

Eine verbotene Liebe in Kenia. Fünf wilde Jungs auf einer verwunschenen Insel. Zwei fremde Schwestern, die sich gleichen. Französisches Wortgewichse in neuer Haut. Emily Dickinsons Ehrenrettung. Erinnerungen an das Begehren früherer Tage. Phantome aus Blut und Sperma. Die Befreiung des weiblichen Blicks. Genderrevolten in Genf. Und eine sagenhafte Grenzüberschreitung. Zu Silvester wagt sissy wieder einen Blick zurück – und freut sich über ein großartiges, vielgestaltiges queeres Kino-Jahr, das uns vor allem mit vielen starken weiblichen Perspektiven begeistert hat. Eine kleine Passage entlang zehn nicht-heterosexueller Filmhighlights der letzten zwölf Monate – wie gewohnt in Form kurzer Auszügen aus den Originalrezensionen unserer Autor*innen.
Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln

Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln

Das Biopic „Mishima - Ein Leben in vier Kapiteln“ widmet sich in stark fiktionalisierter Form dem gefeierten japanischen Autor Yukio Mishima (*1925), der 1970 den traditionellen Selbstmord, Seppuku, beging. Die Geschichte des queeren, widersprüchlichen Künstlers wird erzählt, indem sie mit drei Erzählungen seiner Bücher parallelisiert wird. Im Jahr 1985 feierte der Film der New-Hollywood-Ikone Paul Schrader seine Weltpremiere bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes. Der restaurierte Director’s Cut wurde beim diesjährigen San Sebastian Film Festival gezeigt und läuft jetzt im Kino an. Unser Autor Fritz Göttler hat ihn gesehen - und spürt den Zusammenhängen zwischen Mishimas (zu) großem Traum und dessen Werk, Körper und Queerness nach.
Leid und Herrlichkeit

Leid und Herrlichkeit

Auch der neue Filme von Pedro Almodóvar ist wieder ein faszinierendes Vexierspiel zwischen Fiktion und vermeintlicher autobiographischer Wahrheit. Über drei Epochen fächert "Leid und Herrlichkeit" das schillernde Leben von Salvador Mallo auf, einem berühmten Filmregisseur am Ende seiner Laufbahn. Superstar Antonio Banderas, Star aus Almodóvars Frühwerk, spielt einen Künstler, der einst vor Lebenslust und Kreativität sprühte und sich heute nur noch mit Krankheiten herumplagt. Fritz Göttler hat sich den Film angesehen und neben einer großen Melancholie die energische Kraft der Movida Madrileña wiederentdeckt, jener lustvollen kulturellen Gegenbewegung des Madrids der 80er Jahre, die Almodóvar entscheidend geprägt hat – und der er mit seinem gesamten Kino eine Autobiografie geschrieben hat.
The Crying Game

The Crying Game

IRA-Kämpfer locken den britischen Soldaten Jody in eine Falle und nehmen ihn als Geisel, um ihn als Druckmittel für die Freilassung eines ihrer Soldaten zu benutzen. Doch Jody freundet sich mit seinem Bewacher Fergus an. Als die britische Armee nicht auf den Erpressungsversuch der IRA eingeht, soll Fergus den Gefangenen exekutieren. Jody kann fliehen, kommt aber auf der Flucht ums Leben. Der treue Fergus macht sich auf die Suche nach Jodys Freundin, die schöne Dil, um ihr persönlich die Todesnachricht zu überbringen – doch seine Reise verläuft anders als geplant. Neil Jordans smarter Neo-Noir-Thriller über politische und sexuelle Identitäten war einer der einflussreichsten Independent-Filme der 90er Jahre, wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Oscar für das Beste Drehbuch, und ist zugleich einer der ungewöhnlichsten queeren Filme seiner Dekade. Für Fritz Göttler hat „The Crying Game“ auch nach über 30 Jahren nichts von seiner faszinierenden Unnahbarkeit verloren, und das hat maßgeblich mit der mysteriösen Femme fatale zu tun, die das diverse Zentrum der amourösen Dreiecksgeschichte bildet.
Deutschland im Herbst

Deutschland im Herbst

Vor genau 40 Jahren, am Morgen des 18. Oktober 1977, fanden die Beamten im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses Stuttgart-Stammheim die Leichen der drei inhaftierten Linksterroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe. Die Suizide der drei Führungsfiguren der Roten Armee Fraktion (RAF) bildeten das Ende eines Herbsts des Schreckens, der mit der Verschleppung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer am 5. September begann und mit der Entführung der Lufthansa-Maschine "Landshut" durch vier palästinensiche Terroristen am 13. Oktober seinen Höhepunkt erreichte. Bereits wenige Wochen nach dem "Deutschen Herbst" vereinten die Spitzen des deutschen Autorenkinos ihre kreativen Kräfte, um in einer beispiellosen Gemeinschaftsaktion und gegen die eigene radikale Verunsicherung den collagenhaften Episodenfilm "Deutschland im Herbst" zu drehen. Kluge, Schlöndorff, Reitz, Böll und Biermann – alle waren mit dabei. Die provokanteste, weil persönlichste Episode stammt aber von Rainer Werner Fassbinder. Zur längst überfälligen Erstveröffentlichung des Films auf Blu-ray hat sich Fritz Göttler "Deutschland im Herbst" noch einmal angesehen – und vorbei an Fassbinders verzweifelter Ratlosigkeit einen revolutionären Kern entdeckt, der das System ganz gewaltfrei destabilisiert.