Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln

Trailer Kino

Das Biopic „Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln“ widmet sich in stark fiktionalisierter Form dem gefeierten japanischen Autor Yukio Mishima (*1925), der 1970 den traditionellen Selbstmord, Seppuku, beging. Die Geschichte des queeren, widersprüchlichen Künstlers wird erzählt, indem sie mit drei Erzählungen seiner Bücher parallelisiert wird. Im Jahr 1985 feierte der Film der New-Hollywood-Ikone Paul Schrader seine Weltpremiere bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes. Der restaurierte Director’s Cut wurde beim diesjährigen San Sebastian Film Festival gezeigt und läuft jetzt im Kino an. Unser Autor Fritz Göttler hat ihn gesehen – und spürt den Zusammenhängen zwischen Mishimas (zu) großem Traum und dessen Werk, Körper und Queerness nach.

Foto: Rapid Eye Movies

Das Pathetische und das Peinliche

von Fritz Göttler

Schönheit ist schrecklich, nichts kann in ihrem Umfeld bestehen, man muss die absolute Schönheit zerstören. Das ist das Trauma des jungen Mizoguchi, der ein Mönch werden will im Tempel von Kyoto. Er ist ein Stotterer, und auch sein Gang ist ungelenk, er hat noch nie mit einer Frau geschlafen. Eines Nachts steckt er den goldenen Pavillon des Tempels, dessen Präsenz ihm das Leben unmöglich macht, in Brand. Das Stottern, sagt er mal, das ist, als wäre man gezwungen in einen Spiegel zu starren, den man nicht zerschlagen kann.

Mizoguchi ist der Held in „Der Tempelbrand“, einem der weltbekannten Romane, 1956, des japanischen Autors Yukio Mishima. Diesem Roman ist – unter dem Stichwort „Schönheit“ – eins der vier Kapitel gewidmet im Mishima-Film von Paul Schrader, aus dem Jahr 1985, der nun wieder in die Kinos kommt. Zwei weitere Kapitel nehmen sich die Romane „Kyokos Haus“ – Stichwort „Kunst“ – und „Running Horses“ – Stichwort „Action“ – vor. Das vierte Kapitel zeigt die Ereignisse vom 25. November 1970, dem letzten Tag von Mishimas Leben, die „harmony of pen and sword“. Mit vier Getreuen seiner Privatarmee fuhr der Autor ins Hauptquartier der japanischen Armee, setzte den kommandierenden Offizier fest, trat auf den Balkon und versuchte die versammelten Soldaten zum Putsch zu bewegen.

Mishima hatte einen Traum – es galt, Japans alte imperiale Größe, die im Weltkrieg zerstört wurde, zu erneuern im Geist der Jugend. Wie dieser Traum mit seiner eigenen Jugend, seinem Werk, seinem Körper, seiner Homosexualität zusammenhängt, das skizziert Schrader anschaulich in seinem Film, der, so verschlungen er auch die einzelnen Stränge zusammenwebt, ungemein gradlinig ist. Das Schwarzweiß der biografischen Szenen schimmmert ebenso magisch wie die kräftigen glatten Farben in den Romanszenen – der Kameramann John Bailey hat bereits die Bilder des „American Gigolo“ (1980) traumhaft surreal gestaltet. Ein Biopic zeigt, auch in Hollywood, immer mehr als das äußere Leben.

Mishimas Traum war zu groß, diese Vision vom Leben und Handeln in absoluter Reinheit. Eine großartige, eine großbürgerliche Vorstellung. Einst, murmelt er mal sinnierend, starben die Leute eher, da muss das Paradies voll schöner junger Menschen gewesen sein. Die Soldaten vor dem Balkon lachen Mishima aus. Er zieht sich zurück, desillusioniert, und kniet nieder zum Seppuku, der rituellen Selbsttötung der Samurai.

Foto: Rapid Eye Movies

Spiegel sind auch bedeutend im Leben von Mishima, sie dienen der Selbstertüchtigung, der Selbstkorrektur. Narzissmus ist Teil seiner Kunst. Seit der Kindheit ist er fasziniert von der Figur des heiligen, von Pfeilen durchbohrten Sebastian.

Yukio Mishima, Japans große Dichterpersönlichkeit der Nachkriegszeit, war unheimlich produktiv – Dutzende von Romanen, Stücken, Erzählungen, einige Filmrollen, ein selbstgedrehter Kurzfilm –, war in allen Medien präsent, immer provokant. Der Dichter muss nicht nur sehen, er muss auch gesehen werden, soll poetisch und politisch effektiv sein. Dichten ist auch Arbeit am  eigenen Körper.

„Bekennntnisse einer Maske“ ist der vielleicht bekannteste Roman Mishimas, und wie eine Maskerade wirkt es, wenn er seine selbstentworfene Uniform anlegt, etwas viel Pose und Möchtegern. Nur kurz sieht man ihn anfangs, am Morgen des 25. November, in einem  schimmernden türkisfarbenen Morgenrock, ein Bild von unglaublicher Wucht, Inkarnation der Dekadenz, postmoderner Manierismus. Der Spiegel ist seitlich gekippt, das japanische reine Ideal wird reflektiert in westlichem Art déco.

Paul Schrader liebt Figuren, die bewusst ihr Leben inszenieren, Travis Bickle ist der erste, der „Taxi Driver“ – den er für seinen Freund Martin Scorsese im Drehbuch skizzierte –, der sich über der Kerzenflamme den Körper härtet und Pistolen aus dem Halfter reißt. Julian Kay, der „American Gigolo“, der lässig sein Outfit zusammenstellt für die Frau,  die er an diesem Abend bedienen muss. Ähnlich praktiziert es auch Mishima, doch ihm fehlt die spielerische Energie und Eleganz von Richard Gere, dem bisexuellen „Mann für gewisse Stunden“.

Foto: Rapid Eye Movies

Schrader macht von Anfang an das Pathetische und Peinliche von Mishimas Putschversuch und Suizid spürbar. Keine Limousine holt ihn ab zur Fahrt zum Militärhauptquartier, er muss sich in einen weißen Kleinwagen zwängen, zu seinen vier Jüngern. Die kleinteilige Vergangenheit wird ihn einholen, wie die anderen Helden des New American Cinema, deren Blick – bei Scorsese oder Milius, Coppola oder Lucas (die beide „Mishima“ mitproduzierten) – nach Osten, auf  den Zen gerichtet war. Mit „Mishima“ will Schrader noch einmal jene pathology of the glory of death studieren, die den „Taxi Driver“ so revolutionär machte.

„Mishima“ ist ein Brüderprojekt, von Paul und Leonard Schrader. Leonard lebte in Japan, gemeinsam haben sie 1974 die Idee für den Film „Yakuza“ entwickelt, den Sydney Pollack mit Robert Mitchum drehte. Ken Takakura, der damals Mitchums Mitkämpfer spielte, wollte Schrader eigentlich auch als Mishima besetzen, aber dem war er zu dubios, so spielt Ken Ogata den militanten Poeten. Leonards Frau Chieko hat das Drehbuch ins Japanische übersetzt.

Was Mishima auch kann – den Extrovertierten geben, den fröhlichen Showman, vorwiegend fürs westliche Publikum. „Was ist Ihr Lieblingsautor?“, fragen sie ihn auf einer Pressekonferenz: Thomas Mann. „Wer würden Sie heute gerne sein?“ Elvis Presley! 1966 dreht er den Kurzfilm „Patriotismus“, über das Seppuku-Ritual eines jungen Militärputschisten am 26.Februar 1936 – den spielt er selbst. „Sind auch genug Schatten in den Bildern?“, fragt er den Kameramann. Der Film wird in Paris gezeigt werden, die Franzosen lieben Schatten.

Mishimas Witwe hat sorgsam darauf geachtet, dass Schrader das Thema der Homosexualität möglichst klein hält, sie fürchtete die Verbindung von Faschismus und Fashion. In dieser Hinsicht, erklärt Schrader, wirkt die Homosexualität vielleicht in beide Richtungen, sie reflektiert faschistische Impulse, aber sie hält die Jungen auch ab vor strengem, engstirnigem Faschismus.

Foto: Rapid Eye Movies

Wenn die Großmutter den kleinen Mishima mal ins Kabuki mitnimmt, tut sich dort hinter der Bühne eine Garderobentür auf und – eine Urszene – der Junge kann einen langen Blick werfen auf einen der Darsteller, einen Mann, der eine Frau spielt, wie üblich im japanischen Theater. Die Schauspieler, erklärt Roland Barthes in seinem „Reich der Zeichen“, spielen oder kopieren nicht die Frau, sie versammeln nur die Gesten der Weiblichkeit, so „reinigen sie den Körper von aller Expressivität: man kann sagen: sie verzehren den Sinn, insofern sie Zeichen sind … Ein Gesicht vorstellen, herstellen, das … wie aus dem Wasser gezogen, vom Sinn reingewaschen ist, das ist eine Art, dem Tod zu begegnen.“




Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln
von Paul Schrader
JP/US 1985, 120 Minuten, FSK 16,
japanische OF mit deutschen UT,

Rapid Eye Movies

Ab 28. November hier im Kino.

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