Boys Club

O Fantasma (2000)

O Fantasma (2000)

Sérgio gehört zu den Unsichtbaren, die nachts in Lissabon den Müll aufsammeln. Tagsüber lebt er vor allem in seinen erotischen Fantasien. Er hat schnellen Sex mit Fremden, von Dominanz und Auslieferungsspielen geprägt. Er lebt wie ein Hund, redet nicht, handelt instinktiv und nimmt sich, was er will. Eines Nachts trifft er auf einen jungen Motorradfahrer – und richtet all seine Fantasien und Begierden auf ihn. Es folgt Sérgios vollständige Verwandlung in ein Fantom: asozial, gefährlich, tierhaft. Die innere Veränderung geht mit dem Äußeren einher: ein von schwarzem Latex umhüllter, durch und durch sexualisierter Körper geht auf Streifzüge durch die Stadt. Der Debütfilm von João Pedro Rodrigues („Der Ornithologe“, „Irrlicht“) folgt konsequent dem fiebrigen Trip seiner Hauptfigur durch die Randgebiete der menschlichen Existenz und kümmert sich dabei wenig um Psychologie oder Erklärungen: Die Welt des Fantoms ist durch und durch physisch, unmoralisch und wild. Janick Nolting über ein filmisches Meisterwerk, das einen Einblick in die grenzenlosen Möglichkeiten des queeren Kinos bietet. und wild. Yannick Nolting über ein filmisches Meisterwerk, das einen Einblick in die beinah grenzenlosen Möglichkeiten des queeren Kinos bietet.
Michael (1924)

Michael (1924)

Carl Theodor Dreyers und Thea von Harbous Drehbuch zum Stummfilm „Michael“ (1924) geht auf den gleichnamigen Roman des schwulen dänischen Autors Herman Bang (1857-1912) aus dem Jahr 1904 zurück. Dreyers Film verbindet psychologische und soziale Aspekte, indem er über den Generationenkonflikt zwischen einem alternden Künstler und seinem Ziehsohn vom Niedergang der aristokratischen Lebensweise erzählt. Über vielsagende Blicke und Gesten sowie extravagante Kunstobjekte und Dekors zeigt der Film aber auch die unerfüllte Liebe eines Mannes zu einem anderen. Damit gilt „Michael“ als einer der wenigen Stummfilme, die relativ offen homosexuelles Begehren behandelt haben. Der Film galt lange als verschollen, erst in den 1950er Jahren wurde eine Kopie im Staatlichen Filmarchiv der DDR aufgefunden. Maximilian Breckwoldt über einen frühen Klassiker des queeren Kinos, der sich jetzt in restaurierter Fassung als DVD und VoD wiederentdecken lässt.
Gotteskinder

Gotteskinder

Hannah und ihr Bruder Timotheus leben mit ihren streng gläubigen Eltern in einer hessischen Vorstadtsiedlung und sind Mitglieder einer evangelikalen Freikirche. Hannah hat ein Keuschheitsgelübde abgelegt, doch als sie sich in den neuen, coolen Nachbarsjungen Max verliebt, geraten ihre Überzeugungen ins Wanken. Derweil ringt Timotheus mit seiner sexuellen Identität: Nachdem er sich in seinen besten Freund Jonas verliebt hat, sucht er verzweifelt nach „Heilung“, weil er glaubt, dass Homosexualität Sünde sei. Regisseurin Frauke Lodders hat für ihren Film „Gotteskinder“ intensiv auf Jesus-Feiern und zum Thema „Konversionstherapien“ recherchiert. Fabian Schäfer über ein schockierenden (Not-)Coming-of-Age-Drama, das die verherenden Folgen von religiösem Fundamentalismus in Deutschland beleuchtet.
Sebastiane (1979)

Sebastiane (1979)

Der beim Kaiser in Ungnade gefallene Gardist Sebastian, der sich offen zum Christentum bekennt, wird an einen isolierten Außenposten des Reichs verbannt. Die anderen Soldaten dort vertreiben sich in brütender Hitze mit Schwertübungen, Körperpflege und erotischen Spielen die Zeit. In der aufgeheizten Situation gerät Sebastian in Konflikt mit dem sadistischen Hautpmann Severus, der heimlich in ihn verliebt ist. Da Sebastian sich ihm verweigert, wird er von den Kameraden mit Pfeilen erschossen. In seinem ersten Spielfilm setzt Derek Jarman die letzten Tage des berühmten Heiligen vollumfänglich in die Zeichen queerer Erfahrungswelten, indem er dessen religiöses Martyrium als erotische Geschichte über Homosexualität und Homophobie interpretiert. Janick Nolting über einen Meilenstein des nicht-heteronormativen Kinos.
Young Hearts

Young Hearts

Elias ist 14 und eigentlich mit Schulkram beschäftigt. Doch als der gleichaltrige Alexander ins Haus gegenüber zieht, gibt es da auf einmal ganz neue, aufregende Gefühle. Am liebsten würde Elias jede freie Minute mit seinem neuen Freund verbringen. Und dann sagt ihm Alexander auch noch, dass er auf Jungs steht! In „Young Hearts“ erzählt der belgische Regisseur Anthony Schatteman von einer ergreifenden Jugendliebe zwischen zwei Jungs, aus der sich das Coming-out ganz natürlich entwickelt. Andreas Köhnemann über einen Film voller Optimismus und Herzenswärme, den viele von uns vielleicht schon gerne mit 14 gesehen hätten. Ab Donnerstag können wir das im Kino nachholen.
Coming Out (1989)

Coming Out (1989)

„Coming Out“ von Heiner Carow war der erste Film der DDR, der Homosexualität prominent thematisierte. Es sollte auch der letzte sein: Ihre Premiere hatte die DEFA-Produktion am 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls, im Berliner Kino International. Der Film erzählt die Geschichte des jungen Lehrers Matthias, der eigentlich mit seiner Kollegin Tanja zusammen ist, aber doch ein anderes Begehren spürt. Eines Abends landet er in einer Schwulenkneipe und lernt Matthias kennen, mit dem er eine zaghafte Beziehung beginnt. Allmählich versteht Matthias, wer er ist und wen er liebt. Mit zwölf Schlaglichtern auf die Entstehung und den besonderen Zauber von „Coming Out“ erinnert Carolin Weidner an einen im wahrsten Sinne bahnbrechenden Klassiker des queeren Kinos.
Queer

Queer

Das Kinojahr ist erst wenige Tage alt und schon um ein erstes Juwel reicher: „Queer“, der neue Film von Luca Guadagnino („Challengers“, „Call Me by Your Name“), ist eine bildgewaltige und sinnliche Adaption des gleichnamigen, stark autobiographisch geprägten Romans von William S. Burroughs. Daniel Craig spielt darin einen amerikanischen Schriftsteller und Junkie, der sich als Expat in Mexiko-Stadt 1950 in einen ehemaligen Soldaten verliebt und nach einer Sprache für sein unbändiges Begehren sucht. Für Esther Buss ist „Queer“ das mitreißende Porträt einer wahrscheinlich unmöglichen Beziehung – und eine virtuose filmische Operation an einem offen gelegten Herzen.
Happy Together (1997)

Happy Together (1997)

Die Beziehung der zwei jungen Hongkonger Fai und Po-Wing ist zerrüttet. Eine gemeinsame Reise nach Argentinien soll ihre Beziehung retten. Doch nach einem Streit trennen sich ihre Wege und beide stranden in Buenos Aires. Fai wird Türsteher einer Tangobar, Po-Wing hält sich als Callboy über Wasser. Eines Abends erscheint Po-Wing blutend und schwer verletzt wieder bei Fai vor der Tür. Ist das die Chance auf einen Neuanfang? Ein hypnotisierender Blick in einen Wasserfall, eine unvergessliche Taxifahrt, ein letzter Tango – für sein Drama über die Höhen und Tiefen einer großen schwulen Liebe schuf Wong Kar Wai mit den betörenden Bildern seines Kameramann Christopher Doyle und seinen fabelhaften Hauptdarstellern Leslie Cheung und Tony Leung einige der magischsten Momente des queeren Kinos. Für Philipp Stadelmaier schwelgt „Happy Together“ in den träumerischen Farben der Erinnerung einer schon vergangenen Geschichte – aber nur, um dieses imaginäre Territorium zu verlassen und ihm ein neues reales abzugewinnen.
Sebastian

Sebastian

Tagsüber arbeitet Max bei einem Literaturmagazin, nachts lässt er sich unter dem Pseudonym „Sebastian“ als Escort buchen. Seine Erfahrungen als Sexworker in London fließen in seine Kurzgeschichten ein, die immer mehr Leser:innen erfreuen. Während Max versucht, sein Doppelleben geheim zu halten, muss er sich langsam eingestehen, dass sich die Rolle des Escort nicht ganz falsch anfühlt. „Sebastian“ von Mikko Mäkelä ist ein bemerkenswert sexpositiver Film, der in Transgression und Kinkyness Momente der Befreiung findet, ohne die komplexen Mechanismen und Gefahren von Sexarbeit außer Acht zu lassen. Christian Horn über ein Selbstfindungsdrama zwischen Fiktion und Wirklichkeit, das im Dezember in der Queerfilmnacht zu sehen ist.
Another Country (1984)

Another Country (1984)

Sommer 1932. Der adelige Internatsschüler Guy Bennett hat die Chance, zu den „Lords“ aufzusteigen – eine innerschulisch herrschende Elite-Gemeinschaft, denen alle Türen für die berufliche Zukunft offen stehen. Doch Guys Affäre mit den jüngeren Mitschüler Harcourt gefährdet den Aufstieg, da die Schule Homosexualität nur bedingt duldet. Mit leuchtenden Bildern und Cambridge-Romantik ebnete Marek Kanievskas sinnliches Internatsdrama „Another Country“ die Karrieren von Rupert Everett und Colin Firth. Matthias Frings ist 40 Jahre später noch einmal in den filmischen College-Kosmos eingetaucht und fördert hinter dem Schmelz der idyllischen Genrebilder eine bis heute faszinierende Abgründigkeit und Gesellschaftskritik zutage.