Boys Club

Anhell69

Anhell69

Halb rekonstruiert, halb imaginiert erzählt Theo Montoya in seinem atemberaubenden Regiedebüt „Anhell69“ von den Träumen und Ängsten, den Exzessen und der Melancholie seiner Freund:innen, den queeren Außenseiter:innen im kolumbianischen Medellín. Sein fluider Film über eine zerstörte Generation, die Kraft der Gemeinschaft und die schmale Grenze zwischen Leben und Tod wurde in Venedig uraufgeführt und beim Dok. Leipzig mit der Goldenen Taube ausgezeichnet. Jetzt ist „Anhell69“ auch in ausgewählten Kinos zu sehen. Für Philipp Stadelmaier ist Montoyas transgressive, höchst politische, durch und durch queere Geisterbeschwörung einer der schönsten, traurigsten und dunkelsten Filme des Jahres.
Young Soul Rebels

Young Soul Rebels

London im Sommer 1977. Während sich die Stadt gerade auf die Feierlichkeiten zum Silbernen Thronjubiläum der Queen vorbereitet, basteln die schwulen Soul Boys und Piraten-DJs Chris und Caz an ihrem Radioprogramm, das sie von einer Garage heraus senden. Tagsüber müssen sie sich mit Skinheads herumschlagen, abends gehen sie in den angesagten Clubs tanzen. Doch als ein Freund beim Cruisen im Park ermordet wird, drohen die sozialen Spannungen im Viertel überzukochen. Isaac Juliens Film ist ein raffinierter Mix aus Thriller und schwulem Liebesdrama – und zeichnet ein authentisches Bild der britischen Jugendkulturen der späten 1970er Jahre. „Young Soul Rebels“ war bahnbrechend für das New Queer Cinema und das British Black Cinema der 1990er Jahre und kann nun endlich in restaurierter Fassung und zu den souligen Soundtrack-Klängen wiederentdeckt werden! Noemi Yoko Molitor dreht das Radio, in dem Funk als Selbstverteidigung zelebriert wird, ganz laut auf.
Herzensbrecher

Herzensbrecher

Stilbewusst, selbstsicher und wahnsinnig romantisch: Zwei Jahre nach seinem weltweit umjubelten Debüt „I Killed My Mother“ (2009) legte der damals erst 21-jährige Xavier Dolan diese wunderbare Liebeskomödie nach und verzauberte damit eine ganze Generation junger Romantiker:innen. Dolan selbst spielt den schmachtenden Francis, Monia Choukri und Niels Schneider die beiden anderen Spitzen des amourösen Dreiecks. „Herzensbrecher“ ist ein leidenschaftlicher Fluss voller unvergesslicher Bilder, melancholischer Songs und hinreißender filmischer Referenzen. Nostalgisch und modern zugleich – und jetzt als VoD im Salzgeber Club verfügbar. Sascha Westphal über einen Klassiker des queeren Kinos, in dem Liebe und Selbstliebe groß geschrieben werden.
I Killed My Mother

I Killed My Mother

Xavier Dolan war erst 16, als er das Buch für „I Killed My Mother“ schrieb, und 19, als er seinen Debütfilm drehte. Bei der Weltpremiere in Cannes 2009 wurde der smarte und wahnsinnig gut aussehende Jungregisseur als neues Wunderkind gefeiert. Das autobiografisch grundierte Coming-of-Drama ist nicht nur der ultimative Film für alle Söhne und Töchter, die von ihren Müttern genervt sind. Es markiert mit seiner zugleich wunderschönen und tieftraurigen Formsprache auch die Geburt eines großen Filmemachers des (queeren) Weltkinos, der jüngst in einem Interview mit der spanischen Tageszeitung El País seinen Rückzug aus dem Regiefach im Alter von erst 34 Jahren angekündigt hat. Auf die Wiederveröffentlichung von „I Killed My Mother“ als DVD und VoD reagieren wir mit einer eigenen Wiederveröffentlichung: Hier ist noch einmal die Rezension von Thomas Abeltshauser zu lesen, die im Jahr 2011 der erste sissy-Text zu Dolan überhaupt war.
Elefant

Elefant

Bartek ist 22 und führt einen kleinen Bauernhof in den polnischen Bergen. Seit sich sein Vater aus dem Staub gemacht hat, ist er das Familienoberhaupt und muss für seine Mutter da sein. Doch als eines Tages der lange verschollene schwule Nachbarssohn Dawid ins Dorf zurückkommt, gerät sein von Pflichterfüllung geprägter Alltag durcheinander... Regisseur Kamil Krawczycki ist für seinen Debütfilm in seine Heimat am Fuße des Tatra-Gebirges zurückgekehrt. Inspiriert von „God’s Own Country“ und „Brokeback Mountain“ erzählt er in „Elefant“ von der ersten Liebe und Selbstwerdung eines jungen schwulen Mannes inmitten einer zwar atemberaubend schönen, aber nicht gerade queerfreundlichen Gegend im ländlichen Polen. Andreas Köhnemann über einen leidenschaftlichen Film, in dem die Hoffnungsfunken zünden.
Freier Fall

Freier Fall

Genau zehn Jahre ist es her, dass „Freier Fall“ in die deutschen Kinos kam. Zum runden Geburtstag kehrt der schwule Kultfilm und Publikumshit über die Liebe zweier junger Polizisten mit Hanno Koffler und Max Riemelt in den Hauptrollen für einen Monat auf die große Leinwand zurück und ist – im Juli in der Queerfilmnacht. Unser Autor Paul Schulz feierte „Freier Fall“ 2013 als den wichtigsten schwulen deutschen Film seit „Sommersturm“, weil ihm etwas gelingt, an dem die meisten anderen Filme scheitern: Er zeigt keine Klischees, sondern echte Figuren, die so sind wie wir.
Der Gymnasiast

Der Gymnasiast

Jetzt als DVD und VoD: In seinem neuen und bisher wohl persönlichsten Film erzählt Christophe Honoré („Chanson der Liebe“, „Sorry Angel“), vom schmerzhaften Erwachsenwerden eines Teenagers. Lucas ist 17 und kann es kaum abwarten, endlich das Internat und die Provinz hinter sich zu lassen, um nach Paris zu ziehen, wo sein großer Bruder Quentin lebt. Auch sein erster Freund Oscar wird ihn nicht davon abhalten. Doch ein tragischer Unfall reißt Lucas‘ hoffnungsvollen Blick auf die Welt in Stücke. Weil selbst seine Mutter ihn nicht trösten kann, macht er sich auf nach Paris, wo er eine Woche bei Quentin und dessen Mitbewohner Lilio wohnen wird. Neben den Kinostars Vincent Lacoste und Juliette Binoche glänzt Newcomer Paul Kircher als Lucas, der erst nach und nach eine Sprache für seine Wut findet und die große Stadt, die Liebe und das Leben instinktiv erkundet. Philipp Stadelmaier über einen hochgradig selbstreflexiven Film und Honorés romantisches Kino des unbedingten Wollens.
Eismayer

Eismayer

Jetzt im Kino: Hart, härter, Eismayer! Der herrische Vizeleutnant Charles Eismayer gilt als gefürchtetster Ausbilder beim Österreichischen Bundesheer. Und er ist schwul – nur das darf keiner wissen. Doch als der hübsche und offen schwule Rekrut Mario in seiner Truppe landet, gerät Eismayers strenge Gedankenwelt ins Wanken. David Wagners Liebesdrama beruht auf einer wahren Geschichte, die unter Österreichs Soldaten legendär ist: Charles Eismayer, der berüchtigtste Schleifer des Bundesheeres, verliebte sich in einen Rekruten und gab ihm 2014 in Galauniform auf dem Kasernenhof das Ja-Wort. „Eismayer“ wurde nach seiner Weltpremiere in Venedig auf Festivals weltweit gefeiert, vielfach ausgezeichnet und erhielt sieben Nominierungen für den Österreichischen Filmpreis. Andreas Wilink liest den Film mit Tarkowskij, Canetti und Theweleit – und erkennt in der Liebesgeschichte eine bemerkenswerte Geburtserzählung.
Brotherhood

Brotherhood

Soldat Lars quittiert den Dienst in der Dänischen Armee, nachdem Gerüchte über den Flirt mit einem Kameraden seine Beförderung verhindert haben. Zurück in der Heimatstadt, schließt er sich trotz ideologischer Bedenken einer Gruppe Neonazis an. Dabei treibt ihn vor allem eine vage Wut auf das System und seine Eltern an, aber auch die Anziehung zu Bandenmitglied Jimmy. Doch eine Liebe zwischen Männern ist in der Bruderschaft nicht vorgesehen. Regisseur Nicolo Donato erzählt in „Brotherhood“ von einer aufkeimenden schwulen Beziehung im rechtsradikalen Milieu, ohne die Neonazi-Szene zu verharmlosen oder in Klischees zu verfallen. Christian Lütjens über ein packendes, ambivalentes Liebesdrama, das es jetzt, knapp 15 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung, wieder auf DVD und VoD gibt.
Goldhammer

Goldhammer

Schwuler Escort im Ruhestand, rechtskonservativer Journalist mit Suchtproblemem, stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung Juden in der AfD. Marcel Goldhammer ist ein wandelnder Widerspruch. Geboren 1987 in Kaiserslauten und aufgewachsen als Christ, konvertierte er 2006 zum Judentum und lebt heute in Tel Aviv und Berlin. Bei der Bundestagswahl 2021 trat er als Direktkandidat der AfD für Berlin-Neukölln an. In ihrem Film spüren André Krummel und Pablo Ben Yakov einer Biographie nach, in der es vor allem um eins zu gehen scheint: Aufmerksamkeit um jeden Preis. Christian Horn über einen Film an der Grenze zwischen Dichtung und Wahrheit.