All the Beauty and the Bloodshed

All the Beauty and the Bloodshed

Nan Goldin gilt als eine der wichtigsten Fotograf:innen der letzten 50 Jahre. Ihre „Ballade von der sexuellen Abhängigkeit“ (1986) mit Bildern aus ihrem sozialen Umfeld ist ein Schlüsselwerk der Fotokunst des 20. Jahrhunderts. „Citizenfour“-Regisseurin Laura Poitras porträtiert Goldin in ihrem neuen Film als Chronistin queeren Lebens seit den 1970ern und als politische Kämpferin, die ihren Status in den letzten Jahren vor allem gegen das problematische Treiben eines US-Pharmakonzerns eingesetzt hat. Im Herbst wurde „All the Beauty and the Bloodshed“ in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet, jetzt ist er in den deutschen Kino zu sehen. Cosima Lutz über einen Film, der Aktivismus als natürliche Fortsetzung eines künstlerischen Ausbruchs aus der normativen Hölle versteht.
Goldhammer

Goldhammer

Schwuler Escort im Ruhestand, rechtskonservativer Journalist mit Suchtproblemem, stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung Juden in der AfD. Marcel Goldhammer ist ein wandelnder Widerspruch. Geboren 1987 in Kaiserslauten und aufgewachsen als Christ, konvertierte er 2006 zum Judentum und lebt heute in Tel Aviv und Berlin. Bei der Bundestagswahl 2021 trat er als Direktkandidat der AfD für Berlin-Neukölln an. In ihrem Film spüren André Krummel und Pablo Ben Yakov einer Biographie nach, in der es vor allem um eins zu gehen scheint: Aufmerksamkeit um jeden Preis. Christian Horn über einen Film an der Grenze zwischen Dichtung und Wahrheit.
Lars Werner: Zwischen den Dörfern auf hundert

Lars Werner: Zwischen den Dörfern auf hundert

Speed, Pogo und Trash-Outfits als Antwort auf Nostalgie, Kitsch und Geschichtsvergessenheit. Lars Werner („Weißer Raum“) erzählt in seinem Debütroman von den Coming-of-Age-Wirren des Teenagers Benny, der im Dresden der Jahre 2005/06 eine Ersatzfamilie in der Punk-Szene findet und so Stück für Stück sein queeres Selbst begreift. Dass dabei nicht nur Bennys eigene Vorstellungen von der Welt, sondern auch sämtliche Romantikklischees vom „Elbflorenz“ Dresden gegen den Strich gebürstet werden, macht nur einen Teil des  anarchischen Charmes des Buches aus. Unser Rezensent Gabriel Wolkenfeld hat sich mit „Zwischen den Dörfern auf hundert“ auf die Überholspur begeben und dabei ein Buch entdeckt, das berührt, überzeugt und manchmal auch weh tut.
Spoiler Alarm

Spoiler Alarm

In seinen Memoiren „Spoiler Alert: The Hero Dies“ verarbeitet der Journalist Michael Ausiello den frühen Krebstod seines Ehemanns Kit – und landete damit 2017 in den USA einen Bestseller. Regisseur Michael Showalter („The Big Sick“) hat das Buch nun als Tragikomödie mit Jim Parsons, Ben Aldridge und Sally Field verfilmt. „Spoiler Alarm“ erzählt die Beziehung zwischen Michael und Kit vom ersten Kennenlernen bis zu Kits schwerer Erkrankung also große Love Story. Andreas Köhnemann über einen Film, der in Sachen romantischer Comedy und schwulem Nerdfaktor den Vergleich mit „Bros“ nicht scheuen muss, seinen Figuren aber weitaus einfühlsamer begegnet als sein knapper Vorläufer.
Piaffe

Piaffe

Nach dem Nervenzusammenbruch ihrer Schwester muss die introvertierte Eva deren Job als Geräuschemacherin übernehmen. Für einen Werbespot vertont sie das Verhalten eines Pferds – und vertieft sich so leidenschaftlich in die Arbeit, dass ihr ein Schweif aus dem Steißbein wächst. Mit dem Schwanz wird auch Evas sexuelles Begehren immer größer. Der erste Langfilm der aus Tel Aviv stammenden und in Berlin lebende Regisseurin und Künstlerin Ann Oren ist ein taktiler Liebesbrief an die unterschätzten Magier des Kinos und eine sinnliche Erkundung des Andersseins und Andersbegehrens. In Locarno wurde „Piaffe“ als Meisterwerk gefeiert, jetzt ist er in den deutschen Kinos zu sehen. Beatrice Behn nähert sich Orens kinematografischer und körperlicher Transformationsfantasie mit der Theorie der Symbiogenese und der Idee der Biosozialität an. Über einen ultimativ queeren Film. 
Hurry Up and Wait

Hurry Up and Wait

2021 war die ARD-Serie „Eldorado KaDeWe“ eines der queeren TV-Ereignisse des Jahres. Lia von Blarer und Valerie Stoll spielten darin das lesbische Paar Fritzi und Hedi. Jetzt sind die beiden Darstellerinnen unter die Herausgeberinnen gegangen: Ihr Bildband „Hurry Up and Wait“ setzt einerseits „Eldorado KaDeWe“ ein Denkmal und macht andererseits auf die prekäre Situation von LGBTIQ* in Ungarn aufmerksam. Unsere Autorin Can Mayaoglu hat sich das Buch genau angesehen und sich von Lia von Blarer persönlich erklären lassen, wie es zu dem Projekt kam.
Prinz in Hölleland

Prinz in Hölleland

Kreuzberg, Anfang der 1990er. Jockel und Stefan sind ein schwules Paar, leben auf dem Bauwagenplatz und gehen beide auch mal mit Micha ins Bett. Jockel hat gerade das Heroin entdeckt – und verliert zwischen Highsein und Entzugserscheinungen allmählich Stefan und die Freiheit aus den Augen. Und dann ist da auch noch der Narr Firlefanz, der vom Prinz in Hölleland erzählt, von einem schönen Müllersbuschen und von einem bösen weißen Pulver. Der Debütfilm von Michael Stock („Postcard to Daddy“) ist ein Märchen ohne Happy End und zeigt die raue Wirklichkeit eines längst verschwundenen West-Berlins der Wendejahre und seiner linksautonomen Gegenwelt. 30 Jahre nach seiner Uraufführung erscheint Stocks legendärer Szenefilm jetzt in digital restaurierten Fassung als DVD und VoD. Axel Schock geht mit dem Film auf Zeitreise.
The Whale

The Whale

Darren Aronofsky ist Spezialist für abgründige Figurenportäts – bislang aber noch nicht als Regisseur queerer Filme in Erscheinung getreten. In „The Whale“ erzählt er nun die Geschichte des stark übergewichtigen Englischdozenten Charlie, der seit dem Suizid seines Partners einsam und zurückgezogen in einer kleinen Wohnung lebt und einen letzten Versuch unternimmt, sich mit seiner entfremdeten Tochter zu versöhnen. Das Drama verschaffte Brendan Fraser ein fulminantes Comeback und sogar den Oscar als Bester Hauptdarsteller. Christian Horn über einen Film, dem das unglückliche Schwulsein seiner Hauptfigur zwar am Rande zur Kritik an evangelikalen Kirchengemeinschaften in den USA und deren konservativer Sexualmoral dient, der ansonsten aber vor allem bemerkenswert rührselig geraten ist.
Douglas Stuart: Young Mungo

Douglas Stuart: Young Mungo

Es gibt ein Leben nach dem Booker Prize – und auf den ersten Blick ist das nicht mal großartig anders. Nach dem Weltbestseller „Shuggie Bain“ thematisiert auch Douglas Stuarts zweiter Roman „Young Mungo“ in schonungsloser Akribie den Alkoholismus, die Gewalt und die toxische Männlichkeit in den Armutsvierteln von Glasgow. Im Mittelpunkt steht auch diesmal ein autobiografisch grundierter Titelheld, der mit seiner Homosexualität erst mal klarkommen muss. Der Roman sei kein Sequel, betonte Stuart in einem Interview, bilde aber mit „Shuggie Bain“ ein Diptychon. In seine raue Welt einzutauchen ist nicht immer bequem, aber nötig, findet Marko Martin – der „Young Mungo“ nicht nur als perfektes Gegenmittel zu ideologischer Huschigkeit empfindet, sondern auch als starken Beitrag zur unterrepräsentierten Literatursparte der queeren Working-Class-Fiction.
Die Jungfrauenmaschine

Die Jungfrauenmaschine

„Filme wie der von Monika Treut vernichten das Kino“, schrieb 1988 die ZEIT. Gemeint war „Die Jungfrauenmaschine“, der heute natürlich völlig zu Recht als Klassiker des lesbischen Kinos aus Deutschland gilt – und im April in der Queerfilmnacht auf die große Leinwand zurückkehrt. Der Film erzählt von Dorothee Müller, einer jungen, naiven Hamburger Journalistin, die sich an eine Untersuchung über romantische Liebe macht und für belastbare Antworten bis ins abenteuerliche San Francisco reisen muss. Anne Küper folgt dem Film und seiner Regisseurin auf ihrer lustvollen Entdeckungstour, deren Ursprung auch viel über die engen sexuellen Grenzen im Deutschland der 1980er erzählt, und erkundet Treuts bahnbrechendes queeres Bastel-Prinzip.