Break My Fall (Redux)

Break My Fall (Redux)

Zum 10. Geburtstag von „Break My Fall“ hat Regisseurin Kanchi Wichmann ihren queeren Kultklassiker elegant umgeschnitten. Gedreht an Originalschauplätzen und unterlegt mit einem wilden Indie-Soundtrack ist ihr Film über vier Freund:innen im Londoner Eastend eine einzigartige Zeitkapsel und eine wunderbare Hommage an die queer-punkige Gegenkultur Hackneys, die es so schon nicht mehr gibt. Für sein komplexes Porträt einer zu Ende gehenden Liebe wurde „Break My Fall“ 2021 vom British Film Institute als einer von zehn großartigen lesbischen Filme gelistet. Theresa Rodewald erklärt, warum der Film in seiner Wahrhaftigkeit manchmal schwer auszuhalten ist, sich eine Wieder- oder Neubegegnung damit trotzdem unbedingt lohnt.
Barbie

Barbie

„Barbie“ dominiert weltweit die Kinokassen und lässt dabei sogar Tom Cruise hinter sich. Das rosarote Puppendrama von Greta Gerwig („Ladybird“, „Little Women“) verspricht auf dem Papier eine smarte Analyse von Barbie als popkulturelles Phänomen und als emanzipatorische Figur, wie sie ihre Herstellerfirma Mattel von Beginn an zu positionieren versucht hat. Doch leider macht die Abhängigkeit des Films von Mattel jeden Versuch einer kritischen Hinterfragung zunichte, findet unsere Autorin Beatrice Behn. Tatsächlich zeigt der Film eine Welt, in der quasi alles, was anders ist, ausgeschlossen wird, nur um die Marke nicht zu schädigen – ein absurdes Paralleluniversum voller zweigeschlechtlicher Verzweiflung, das keine Antworten hat auf sein selbstgemachtes Dilemma. Beatrice fragt: Sind die Heteros eigentlich noch zu retten?
Freier Fall

Freier Fall

Genau zehn Jahre ist es her, dass „Freier Fall“ in die deutschen Kinos kam. Zum runden Geburtstag kehrt der schwule Kultfilm und Publikumshit über die Liebe zweier junger Polizisten mit Hanno Koffler und Max Riemelt in den Hauptrollen für einen Monat auf die große Leinwand zurück und ist – im Juli in der Queerfilmnacht. Unser Autor Paul Schulz feierte „Freier Fall“ 2013 als den wichtigsten schwulen deutschen Film seit „Sommersturm“, weil ihm etwas gelingt, an dem die meisten anderen Filme scheitern: Er zeigt keine Klischees, sondern echte Figuren, die so sind wie wir.
Can Mayaoglu: Nadia

Can Mayaoglu: Nadia

Ausverkaufte Buchpremiere, TV-Präsenz, Platz Eins der lesbischen Bestseller-Liste des Berliner Buchladens Eisenherz – Can Mayaoglus Roman „Nadia“ trifft bei vielen Leser:innen einen Nerv. Vielleicht weil die Titelheldin wie ein Spiegel unserer widersprüchlichen Gegenwart wirkt: In ihr vereinen sich Höhenflüge und Abstürze, Kraft und Schwäche, E- und U-Kultur. Was als moderner Künstlerinnenroman beginnt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als popkulturell aufgeladene Auseinandersetzung mit den Themen Verlust, Selbstakzeptanz und (queerer) Liebe. Dennis Stephan hat zwar keine Freundschaft mit der Titelfigur geschlossen, wohl aber Lust auf ihre Kunst bekommen.
20.000 Arten von Bienen

20.000 Arten von Bienen

Cocó ist acht Jahre alt und versteht nicht, wieso sie jeder mit ihrem Geburtsnamen Aitor anspricht. Der Spitzname Cocó fühlt sich nicht ganz so eindeutig verkehrt, aber auch nicht richtig an. Im Sommerurlaub im Baskenland vertraut das Kind seinen Kummer Verwandten und Freund:innen an. Doch wie geht eine Mutter, die selbst noch mit ambivalenten elterlichen Altlasten ringt, mit der Identitätssuche ihres Kindes um? In ihrem Spielfilmdebüt erzählt die baskische Regisseurin Estibaliz Urresola Solaguren die Geschichte eines kleinen Mädchens auf der Suche nach dem richtigen Namen. Die Achtjährige Sofía Otero, die für den Film das erste Mal vor der Kamera stand, wurde auf der diesjährigen Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Barbara Schweizerhof über einen berührenden Film, der das Thema Geschlechtsidentität mit großer Sensibilität generationsübergreifend ausleuchtet.
Portrait: Dominique Fernandez

Portrait: Dominique Fernandez

Der Schriftsteller Dominique Fernandez ist der schwule Grandseigneur der französischen Literatur. Mit „L’Étoile rose“ (1978) schrieb er Frankreichs ersten Roman über eine mannmännliche Liebe; 2007 war er der erste offen homosexuelle Autor, der in die Reihen der Académie française aufgenommen wurde. Heute ist er über 90 Jahre alt, doch sein Schaffensdrang ist ungebrochen: 2022 veröffentlichte er den zweiten Teil eines Roman-Diptychons über die Ehe für alle, im Januar ein 560-seitiges Sachbuch über die russische Literatur der Sowjet-Ära. Marko Martin hat Dominique Fernandez in dessen Wohnung in Paris besucht. Das Portrait eines besonnenen, inspirierenden, aber auch irritierenden Charakters.
Bis ans Ende der Nacht

Bis ans Ende der Nacht

Um das Vertrauen eines Großdealers zu gewinnen, soll sich der verdeckte Ermittler Robert als Partner von trans Frau Leni ins Milieu einschleusen lassen. Eine komplizierte Angelegenheit, denn er und Leni waren früher wirklich mal ein Paar. Für Robert verschiebt sich im Laufe des Einsatzes die Linie zwischen Spiel und echten Gefühlen immer mehr; für Leni hängt von der Mission ab, ob sie wieder zurück ins Gefängnis muss. Christoph Hochhäuslers neuer Großstadt-Thriller „Bis ans Ende der Nacht“ feierte Weltpremiere im Wettbewerb der Berlinale, Leni-Darstellerin Thea Ehre wurde mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet. Doch für Philipp Stadelmaier klafft in der sehr offensichtlichen und visuell exzellenten Fassbinder-Hommage zwischen Genreerzählung und Beziehungsgeschichte eine Lücke.
David Santos Donaldson: Grönland

David Santos Donaldson: Grönland

Als „glänzender Debütroman“ und „stylischer Fiebertraum“ wurde David Santos Donaldsons „Greenland“ nach seinem Erscheinen im vergangenen Sommer von der US-Presse gefeiert. Tatsächlich verbindet die metafiktionale Geschichte über einen jungen Schriftsteller, der durch die Arbeit an einem Roman über E. M. Forster zu seinem eigenen, von postkolonialem Rassismus und internalisierter Homophobie gezeichneten Selbst vordringt, etwas Fantastisches. Jetzt ist der Roman in deutscher Übersetzung bei Albino erschienen. Sebastian Galyga hat ihn gelesen und ein Buch entdeckt, das trotz zahlreicher Zeit- und Erzählebenen fest in unserer Gegenwart verwurzelt ist – nicht zuletzt wegen seiner queeren Direktheit.
Der Gymnasiast

Der Gymnasiast

Jetzt als DVD und VoD: In seinem neuen und bisher wohl persönlichsten Film erzählt Christophe Honoré („Chanson der Liebe“, „Sorry Angel“), vom schmerzhaften Erwachsenwerden eines Teenagers. Lucas ist 17 und kann es kaum abwarten, endlich das Internat und die Provinz hinter sich zu lassen, um nach Paris zu ziehen, wo sein großer Bruder Quentin lebt. Auch sein erster Freund Oscar wird ihn nicht davon abhalten. Doch ein tragischer Unfall reißt Lucas‘ hoffnungsvollen Blick auf die Welt in Stücke. Weil selbst seine Mutter ihn nicht trösten kann, macht er sich auf nach Paris, wo er eine Woche bei Quentin und dessen Mitbewohner Lilio wohnen wird. Neben den Kinostars Vincent Lacoste und Juliette Binoche glänzt Newcomer Paul Kircher als Lucas, der erst nach und nach eine Sprache für seine Wut findet und die große Stadt, die Liebe und das Leben instinktiv erkundet. Philipp Stadelmaier über einen hochgradig selbstreflexiven Film und Honorés romantisches Kino des unbedingten Wollens.
No Skin Off My Ass

No Skin Off My Ass

Ein Punk-Friseur mit besonderen Vorlieben gabelt in einem Park in Toronto einen hübschen jungen Skinhead auf. Er nimmt ihn mit nach Hause, zieht ihn aus, badet ihn und sperrt ihn im Schlafzimmer ein. Dem Skin gelingt die Flucht ins Apartment seiner Schwester, die ihn sofort ihrerseits als Darsteller für einen lesbischen Undergroundfilm missbraucht. Reumütig kehrt der Skin zum Friseur zurück, um sich seine eigenen sexuellen Wünschen zu erfüllen. Der erste Film von Bruce LaBruce, der selbst den Friseur spielt, hat auch nach 30 Jahren nichts von seiner lustvollen Kraft verloren. „No Skin Off My Ass“ gibt es jetzt in digital restaurierter Fassung im Salzgeber Club. Peter Rehberg über LaBruces campen Skin-Flirt und das queere Einmaleins.