Kritiken (Film)

Priscilla – Königin der Wüste (1994)

Priscilla – Königin der Wüste (1994)

Auf dem Weg zu einem vielversprechenden Job reisen drei Dagqueens in einem aussortierten Reisebus durch halb Australien, von Sydney nach Alice Springs, und haben dabei trotz diverser Anfeindungen die Zeit ihres Lebens. Stephan Elliotts Roadmovie „Priscilla – Königin der Wüste“ avancierte 1994 zu einem der erfolgreichsten Filme der australischen Filmgeschichte und gilt längst als Kult. Axel Schock über ein bahnbrechendes Wüstenabenteuer, das sehr viel Staub aufwirbelt, aber auch nach 30 Jahren keineswegs verstaubt ist.
Maurice (1987)

Maurice (1987)

Großbritannien im Jahre 1909: Maurice und Clive sind Collegeboys in Cambridge und verlieben sich ineinander. Um seine Karriere als Anwalt nicht zu gefährden, beendet Clive die Verbindung und stürzt seinen Geliebten in eine tiefe  Sinn- und Lebenskrise. Die löst sich erst, als Maurice den ungestümen Jagdaufseher Scudder kennenlernt. Regisseur und Drehbuchautor Jamey Ivory und sein Partner und Produzent Ismail Merchant galten jahrzehntelang als Dreamteam und Spezialisten für elegant-subtile Literaturverfilmungen und period pieces. "Maurice", nach dem gleichnamigen Roman von E. M. Forster, ist ihr explizitester Film und machte einen gewissen Hugh Grant zum Schwarm nicht weniger schwuler Männer. Matthias Frings blickt zurück auf ein bahnbrechendes Liebes- und Entwicklungsdrama, das zusammen mit drei weiteren queeren Filmen Mitte der 1980er Jahre das Coming-out des britischen Kinos markiert.
Mann im Bad (2010)

Mann im Bad (2010)

Für „Mann im Bad“, ein Drama über das Ende der Liebe zwischen einem Regisseur und einem Sexworker, besetzte Christophe Honoré („Chanson der liebe“, „Sorry Angel“, „Der Gymnasiast“) den französischen Porno-Superstar François Sagat für eine der Hauptrollen. Sagat definiere für ihn den Begriff der Männlichkeit völlig neu, sagte Honoré später in einem Interview. Aus der beeindruckender Physis seines Schauspielers entwickelt der Regisseur eine explizite Studie über Lust, Begehren und tiefe Melancholie. Auch für Jan Künemund ist Sagats nackter Körper ein purer Kino-Akt. Zu einem Filmvergnügen wird „Mann im Bad“ aber nicht nur durch diese explizite Attraktion, sondern auch durch die freie und mühelos selbstreflexive Kombination wilder Dinge.
Gesang der Meerjungfrauen (1987)

Gesang der Meerjungfrauen (1987)

Bei seiner Premiere in Cannes im Jahr 1987 wurde „Gesang der Meerjungfrauen“ als Entdeckung gefeiert. Heute gilt Patricia Rozemas bittersüße Komödie als einer der zentralen kanadischen Filme der 1980er Jahre – und als Klassiker des lesbischen Kinos. Die skurrile und höchst liebenswürdige Hauptfigur Polly träumt sich in Toronto durch die Tage und verliebt sich auf ganze eigene Weise in ihre neue Chefin, die Galeriebesitzerin und Kuratorin Gabrielle. Anja Kümmel ist vor allem von der modernen Selbstverständlichkeit beeindruckt, mit der lesbische Liebe und queere Lebensentwürfe in den Plot eingeflochten werden und die Identitätsfrage gar nicht erst gestellt wird.
Lose Your Head

Lose Your Head

Der Spanier Luis reist nach Berlin, um sich mit Partys, Drogen und schnellem Sex von der Trennung von seinem Ex abzulenken. Dort wird er mit dem griechischen Studenten Dimitri verwechselt, der seit Wochen verschwunden ist. Nach einer durchfeierten Nacht verknallt er sich in den mysteriösen Ukrainer Viktor, der irgendetwas mit Dimitris Verschwinden zu tun hat. Was wie ein ausgelassenes Abenteuer beginnt, entwickelt sich zu einer atemlosen Hetzjagd, bei der Luis droht, seinen Kopf zu verlieren. Patrick Schuckmann und Stefan Westerwelle nutzten in „Lose Your Head“ die Berliner Partyszene der 2010er Jahre als Hintergrund für einen intensiven Psychothriller, in dem die Grenzen zwischen Traum, Wirklichkeit und Paranoia immer mehr verschwimmen. Jetzt gibt es den Film im Salzgeber Club zu sehen. Jochen Werner über ein atmosphärisches Vexierspiel aus Nachtbildern und Clublichtern, in dem eine Figur beim Versuch die Stadt zu umarmen seine Souveränität als Individuum aufs Spiel setzt.
Mutt

Mutt

An einem Sommertag in New York scheint für den jungen trans Latino Feña alles auf einmal zu passieren: Papa Pablo kommt aus Chile zu Besuch und sucht plötzlich Kontakt, er begegnet nach monatelanger Funkstille seinem Exfreund John wieder und dann steht auch noch seine 13-jährige Halbschwester Zoe vor der Tür. Doch seit Feñas Transition haben sich die Dynamiken verändert. Wie viel Nähe zu den Menschen des alten Lebens fühlt sich noch richtig an? Authentisch und mitreißend schildert Vuk Lungulov-Klotz in seinem Debütfilm „Mutt“, der im Juni der Queerfilmnacht zu sehen ist, 24 Stunden im Leben eines jungen trans Mannes. Lío Mehiel verkörpert Feñas vielschichtiges Dazwischensein facettenreich und ausdrucksstark – und wurde dafür in Sundance mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet. Barbara Schweizerhof über einen Film, der vor allem durch seine feine Darstellung zwischenmenschlicher Dynamiken beeindruckt.
Buddies (1985)

Buddies (1985)

New York im Sommer 1985. Der 25-jährige schwule Schriftsetzer David will etwas gegen die Aids-Epidemie tun und meldet sich freiwillig bei einem Community-Programm an, das „buddies“ an Menschen vermittelt, die von HIV betroffen sind. So lernt er den 32-jährigen Aktivisten Robert kennen, der nach seiner Erkrankung von Partner und Freunden im Stich gelassen wurde. In einem kleinen Krankenhauszimmer reden die zwei jungen Männer über ihr Leben, die richtige Haltung zum Schwulsein, über leidenschaftlichen Sex und die Angst vor dem Tod. Arthur J. Bressan Jr.s „Buddies“ war 1985 der erste Spielfilm über die Aids-Epidemie. Sein Kammerspiel ist eine zutiefst berührende Studie über Leben und Sterben zu Zeiten von Aids – und ein zeitloses Dokument schwuler Solidarität. Matthias Frings über einen filmischen Meilenstein, für dessen Herausbringung einst der Verleih Salzgeber gegründet wurde.
Sommersturm (2004)

Sommersturm (2004)

Vor 20 Jahren startete „Sommersturm“ in den Kinos. Marco Kreuzpaintners Film über den jungen Ruderer Tobi, der sich in seinen besten Freund verliebt, lockte damals Hunderttausende vor die Leinwände, setzte Maßstäbe für das schwule Repräsentationskino in Deutschland und gilt heute als Coming-out-Klassiker. Zum runden Geburtstag hat sich Fabian Schäfer „Sommersturm“ noch einmal angesehen und findet: Der Film ist im Gegensatz zu anderen deutschen Kassenschlagern mit schwulen Figuren von damals richtig gut gealtert und noch immer sehenswert!
Wild Side (2004)

Wild Side (2004)

Stéphanie lebt in Paris und verdient ihr Geld als Sexworkerin. Ein Anruf führt sie zurück in die Vergangenheit: Ihre Mutter ist schwer erkrankt und braucht ihre Hilfe. Stéphanie reist in das Dorf, das sie vor 17 Jahren verlassen hat, als ihr noch ein anderes Geschlecht zugeordnet wurde und sie einen anderen Namen trug. Zwischen ihr und der Mutter liegen nur Schweigen und Misstrauen. Da kommen Stéphanies Liebhaber nach: Djamel, ein Migrant aus Algerien, und Mikhail, der aus der russischen Armee nach Frankreich geflüchtet ist. Regisseur Sébastien Lifshitz zeigt drei Entwurzelte, die im rauen Pariser Rotlichtmilieu zueinanderfinden, aber erst in der Weite der nordfranzösischen Provinz zu einer Ersatzfamilie zusammenwachsen. Sein Film wechselt virtuos zwischen Erinnerung und Gegenwart, Abschied und Neubeginn, Momenten tiefster Verletzung und höchster Zärtlichkeit. „Wild Side“ ist ein Meilenstein des französischen Queer Cinema und hat auch 20 Jahre nach seiner Uraufführung nichts von seiner poetischen Kraft verloren.
Die Geierwally (1987)

Die Geierwally (1987)

Walter „Wally“ Bockmayer (1948-2014) war Regisseur, Theatermacher und Zeremonienmeister eines queeren Künstler:innen-Hofstaat in Köln, mit dem er eine Sternestunde des guten schlechten Geschmacks nach der nächsten zündete. Sein zügellosestes Werk ist die Parodie auf Wilhelmine von Hillerns Heimatroman „Die Geier-Wally“ (1873) und dessen traditionelle Verfilmungen aus den Jahren 1921, 1940, 1956 und 1967: Geierwally, durch den erbitterten Kampf mit einem Greifvogel zu ihrem Namen gekommen, weigert sich, den ihr vom Vater zugeteilten Erbschleicher Vinzenz zu heiraten und lebt zurückgezogen in einer Berghütte. Ihre Liebe zum Bärenjosef erscheint aussichtslos, zumal dieser von Wally Liebe nichts weiß. Um sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien, greift Wally zu drastischen Mitteln. Andreas Wilink erinnert sich an Walter Bockmayer als einen übermütig juchzenden und durchgedrehten Revoluzzer gegen Normen und Restriktionen – und stattet der Geierwally auf ihrer Alm einen ehrerbietungsvollen Besuch ab.