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L.A. Plays Itself – The Fred Halsted Collection

L.A. Plays Itself – The Fred Halsted Collection

Der US-amerikanische Pornodarsteller und Regisseur Fred Halsted (1941-89) galt bereits zu Lebzeiten als Legende: Sein selbst erschaffenes Image als in Leder gekleideter Sadist machte ihn berühmt-berüchtigt – und zu einem der ersten offen schwulen Sexsymbole. Seine transgressiven Filme, die freizügig Hardcore-Sex, SM und andere Fetisch-Praktiken zeigten, waren für das Erotikkino bahnbrechend und schickten Schockwellen durch das junge Gay Liberation Movement. Aber auch das Kunst-Establishment mischte Halsted auf. Trotz ihrer kulturellen Bedeutung waren Halsteds Filme lange Zeit nur stark geschnitten verfügbar. Jetzt sind erstmals in Deutschland die vom New Yorker Museum of Modern Art restaurierten Fassungen der Cruising-Fantasie „L.A. Plays Itself“ (1972), des Autowerkstatt-Lustspiels „The Sex Garage“ (1972) und des Party-Pornos „Sextool“ (1975) erschienen. Michael Kienzl über Halsteds grenzüberschreitende Filmen und die Diktatur der Lust.
Concerned Citizen

Concerned Citizen

Ben hält sich für einen liberalen schwulen Mann. Er hat einen gut bezahlten Job und wohnt mit seinem Partner Raz in einem schicken Apartment in einem migrantisch geprägten Stadtteil Tel Avivs. Zum Glück fehlt dem Paar nur noch ein Kind. Doch dann löst eine eigentlich gut gemeinte Tat eine Kette von Ereignissen aus, die Bens Bild von sich selbst aus den Fugen treibt. Mit bitterbösem Humor entwirft Idan Haguel in „Concerned Citizen“ eine Parabel über das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, über unhinterfragte Privilegien und tief sitzende Vorurteile. Andreas Wilink entschlüsselt die abgründige Gesellschaftssatire, die im Januar in der Queerfilmnacht zu sehen ist und am 2. Februar regulär im Kino startet.
The Most Beautiful Boy in the World

The Most Beautiful Boy in the World

Im Jahr 1970 reist Luchino Visconti durch Europa auf der Suche nach einem Tadzio für seine Adapation von Thomas Manns Novelle „Tod in Venedig“. In Stockholm findet er Björn Andrésen, einen schüchternen 15-Jährigen – und macht ihn quasi über Nacht zum Star. Kristina Lindström und Kristian Petri rekonstruieren in ihrem abgründigen Dokumentarfilm nicht nur Andrésens schwierige Familiengeschichte und Viscontis problematisches Casting, sondern auch die Odysee als Objekt der Blicke, die für Andrésen folgte. Andreas Wilink über „den schönsten Jungen der Welt“ (Originalton Visconti) und sein gar nicht so schönes Leben.
Dream Boy

Dream Boy

Jetzt als DVD und VoD: Nathan ist 15 und mit seinen Eltern gerade nach St. Francisville, Louisiana, gezogen. In der High School fühlt er sich genauso als Außenseiter wie beim obligatorischen Gottesdienst. Einziger Lichtblick ist der attraktive Nachbarsjunge Roy, der mit 17 schon den Schulbus fährt. „Dream Boy“ (2008) von James Bolton erzählt von der Liebe zweier Teenager im tiefreligiösen Süden der USA – und gilt längst als Klassiker des queeren Kinos der 2000er Jahre. Andreas Köhnemann über ein einfühlsames Coming-of-Age-Drama, das einen märchenhaften Safe Space für sein jugendliches Liebespaar schafft.
Irrlicht

Irrlicht

Ein perfekt choreografierter Liebestanz, sexy Feuerwehrmänner in Jockstraps und ein Baum-Penis-Memory gegen den Flächenbrand: In seinem neuen Film erzählt João Pedro Rodrigues („Der Ornithologe“) von der ersten Liebe eines jungen Prinzen im Portugal der nahen Zukunft, von Klimawandel und Postkolonialismus – und mischt dafür Elemente aus Musical, Folklore, Fantasy und Ökomärchen. Seit seiner Weltpremiere in Cannes wird Rodrigues’ filmische Fantasie weltweit auf Festivals gefeiert – und irrlichtert jetzt auch durch die deutschen Kinos. Für Philipp Stadelmaier ist der Film ein geschichts- und künsteübergreifendes performatives Meisterstück, das Realität nicht nur smart spiegelt, sondern im queeren Sinne transzendiert.
Wildhood

Wildhood

Neben dem schwedischen Liebesfilm „So Damn Easy Going“ läuft diesen Monat auch das kanadische Road Movie „Wildhood“ in der Queerfilmnacht. Bretten Hannam verknüpft darin die Suche eines Jungen nach seiner Mutter mit der Geschichte eines sexuellen Erwachens. „Wildhood“ wurde in der betörenden Landschaft von Nova Scotia gedreht, dem ehemaligen Stammesgebiet der Mi’kmaq, und teilweise auch in der Sprache des indigenen Volks. Nicht nur deswegen erzählt der Film für Noemi Yoko Molitor auch eine indigene Geschichte über das Verlieren und (Wieder-)Finden von Familie und kulturellem Wissen – eine Geschichte also, die im nordamerikanischen Kino noch viel zu selten erzählt wird.
Bones and All

Bones and All

Der neue Film von Luca Guadagnino gilt spätestens seit seiner umjubelten Weltpremiere in Venedig als gesetztes Highlight des Kinosherbsts – nicht nur, weil wieder Timothée Chalamet, der derzeit wohl größte Filmstar seiner Generation, eine der Hauptrollen spielt. Doch wie passt das romantische Road Movie über die Liebe zwischen zwei jungen Kannibal:innen im Reagan-Amerika zu Guadagninos letzten Filmen, dem schwulen Erweckungsdrama „Call Me By Your Name“ (2017) und dem referentiellen Horrorfilm-Remake „Suspiria“ (2018)? Für Philipp Stadelmaier geht es in allen drei Fällen um das Ende der Unschuld.
Beautiful Beings

Beautiful Beings

Addi ist 14 und streunt mit seinen Kumpels Siggi und Konni durch die Straßen. Der schüchterne Balli ist der Neue in der Gang, in der es eine klare Rangordnung gibt. Zusammen proben sie ihren Mut, naschen Pilze, betrinken sich und gehen spätnachts im Freibad schwimmen. Doch Aggressionen und Gewalt sind stets nur einen Lidschlag entfernt. Und dann träumt Addi auch noch, dass etwas Furchtbares passieren wird. Bildgewaltig und voller Empathie erzählt der isländische Regisseur Guðmundur Arnar Guðmundsson („Herzstein“) in seinem neuen Film von vier Jungs, die ihren Weg suchen und sich dabei wie Ringkämpfer ineinander verhaken, und von einer jugendlichen Welt, in der kaputte Familien und Verwahrlosung ebenso alltäglich sind wie magische Vorahnungen und Poesie. Natália Wiedmann tritt mit seinen beautiful beings an die Schwelle zum Erwachsenwerden.
Rex Gildo – Der letzte Tanz

Rex Gildo – Der letzte Tanz

Er sah blendend aus, konnte singen und tanzen, verkaufte 40 Millionen Schallplatten, wirkte in über 30 Filmen mit, und „Fiesta Mexicana“ konnte jedes Kind mitsingen. Rex Gildo war ein deutscher Star, doch dass er und sein Entdecker und Ziehvater Fred Miekley über Jahrzehnte ein Liebespaar waren, wussten nur enge Vertraute. Halb fiktional, halb dokumentarisch erzählt Rosa von Praunheim in seinem neuen Film das Leben der Schlagerlegende als die tragische Geschichte eines Unterhaltungskünstlers, der sich in der repressiven 1950er und 60er Jahren zu einem Doppelleben gezwungen glaubte und auch später nie den Ausbruch aus seinem Versteck wagte. Andreas Wilink fühlt sich bei dem Sujet an Douglas Sirk erinnert, spürt aber auch den unverwechselbaren Rosa-Touch.
Peter von Kant

Peter von Kant

Mit „Tropfen auf heiße Steine“ (2000) hat François Ozon schon einmal ein Theaterstück von Rainer Werner Fassbinder kongenial verfilmt. Sein neues Kammerspiel ist eine Art Remake von Fassbinders Meisterwerk „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ (1972). Statt drei Frauen umschwirren sich in der intimen Enge einer eleganten Künstlerwohnung hier aber drei Männer, und die titelgebende, vom Koks-Konsum gezeichnete Hauptfigur sieht Fassbinder selbst zum Verwechseln ähnlich. Philipp Stadelmaier empfiehlt, „Peter von Kant“ gleich zweimal zu sehen, und findet, dass sich Ozons Film zu Fassbinders wie eine eigenwillige Phantasie zu einem früheren Ereignis verhält, das durch Umformung und Umschreibung bewahrt werden soll.