Dark Room

Verführung: Die grausame Frau (1985)

Verführung: Die grausame Frau (1985)

In den nächsten zwei Jahren setzt die sissy einen besonderen Schwerpunkt auf die Klassiker des queeren Kinos – also auf nicht-heteronormative Filme, die auf die eine oder andere Weise bahnbrechend waren. Den Auftakt macht der Debütfilm von Monika Treut, das sadomasochistische Liebesdrama „Verführung: Die grausame Frau“, das Monika zusammen mit ihrer Freundin Elfi Mikesch sowie mit Mechthild Grossmann und Udo Kier in den Hauptrollen drehte. „Verführung“ erzählt von der geheimnisvollen Domina und cleveren Geschäftsfrau Wanda, deren Beruf es ist, grausam zu sein. In ihrer Galerie im Hamburger Hafen inszeniert sie gewinnbringend SM-Rituale, und auch in ihrem Privatleben bestimmt sie die Spielregeln der Lust. Ihr sklavischer Bühnenpartner Gregor verliebt sich hoffnungslos in sie, während ihre Schülerin Justine irgendwann begreift, dass Wandas Verführung ein teuflisch raffiniertes Spiel ist. Anja Kümmel feiert „Verführung“ als avantgardistische Perle des queeren Indie-Kinos, deren düster-unterkühlten Camp-Ästhetik eine ganz eigene Sinnlichkeit und Sogwirkung entfaltet und en passant die Warenförmigkeit von romantischer Liebe in Verbindung mit neoliberalen Freiheitsversprechen dekonstruiert.
Didn’t Do It For Love

Didn’t Do It For Love

Zu Monika Treuts 40. Arbeitsjubiläum ist im Salzgeber Club jetzt eine umfangreiche Retrospektive mit 12 Filmen der Regisseurin zu sehen, inklusive zahlreicher VoD-Premieren, etwa des Kurzfilmprogramms „Female Misbehavior“ und der Taiwan-Filme „Den Tigerfrauen wachsen Flügel“, „Made in Taiwan“ und „Das Rohe und das Gekochte“. Monikas bahnbrechender Debütfilm „Verführung: Die grausame Frau“ (Co-Regie: Elfi Mikesch), der aktuell auch in der Queerfilmnacht läuft, sowie Klassiker wie „Die Jungfrauenmaschine“ oder „Gendernauts“ fehlen ebenso wenig wie ihr bislang jüngster Film „Genderation“. Ein besonderes Juwel ist der selten gezeigte Dokumentarfilm „Didn’t Do It for Love“ über die New Yorker Domina und S/M-Pädagogin Eva Norvind. Theresa Rodewald über ein Porträt, das seiner faszinierenden Protagonistin unglaublich nah kommt, gerade weil es Widersprüche zulässt.
Die Spur deiner Lippen

Die Spur deiner Lippen

Eine namenlose Pandemie versetzt ganz Mexiko in einen Lockdown. B-Movie-Schauspieler Román sitzt alleine in seinem Apartment fest. Auf der anderen Straßenseite wohnt Aldo. Die beiden lernen sich online kennen, sie können miteinander reden und sich über Videochats sehen, aber sie können sich nicht berühren. Doch die Sehnsucht, die Lippen des anderen zu spüren, wird immer größer. In seinem neuen Spielfilm zeigt der zweifache Teddy-Preisträger Julián Hernández („Mil Nubes – Liebessehnsucht“, „Raging Sun, Raging Sky“), wie Begehren und Lust gerade im Moment von Einsamkeit und Isolation ins Unermessliche wachsen können. „Die Spur deiner Lippen“ spiegelt dabei nicht nur die sexuellen Erfahrungen von alleinlebenden Menschen während der Covid-Pandemie, sondern auch die Tabuisierung von schwuler Lust während der Aids-Epidemie. Christian Lütjens über eine vielschichtige, erotische Parabel, die die Eigendynamik von Fantasien und Sehnsüchten im Angesicht einer unberechenbaren Weltlage mit ganz eigenen Stilmitteln verhandelt.
Punch

Punch

Ein Küstenstädtchen in Neuseeland. Der 17-jährige Jim ist ein großes Boxtalent. Sein Vater trainiert ihn streng, hat selbst aber ein Alkoholproblem. Jim ist sich nicht sicher, wo er eigentlich hin will. Nach der Begegnung mit dem jungen schwulen Māori Whetu lichtet sich der Horizont: Zusammen mit ihm gibt es auf einmal Dinge, für die es sich wirklich zu kämpfen lohnt. Neben Hollywood-Star Tim Roth glänzen die Nachwuchstalente Jordan Oosterhof und Conan Hayes, der selbst Māori-Wurzeln hat, als zwei junge Männer, die sich gegen die auch in Neuseeland noch durchaus gegenwärtige Homophobie behaupten müssen. Christian Horn über einen rauen Film mit gefühlsbetontem Fundament, der aktuell in der Queerfilmnacht zu sehen ist.
Die Höhle

Die Höhle

Abiturient Daniel liest Oscar Wilde und lackiert sich die Fingernägel, was in seiner Schule schon reicht, um als Außenseiter zu gelten. Beim Klassenausflug kommt es zu seinem folgenschweren Zwischenfall: Während einer Nachtwanderung rutschen er und sein schwuler Sportlehrer Adam in eine Felsspalte und finden sich in einer dunklen Höhle wieder. Zusammen müssen sie einen Weg zurück finden. Christian Horn über Roman Němecs „Die Höhle“, der wie ein klassischer Coming-of-Age-Film beginnt und sich bald zu einem emotionalen Survival-Drama wandelt.
Drifter

Drifter

Jetzt im Kino: Moritz ist 22 und gerade von seinem Freund verlassen worden, für den er eigentlich nach Berlin gezogen war. Jetzt probiert er verschiedene Lebensmodelle aus. Er verändert sein Aussehen, taucht ein in die Berliner Partyszene, lebt seine Sehnsüchte und sexuellen Fetische aus, verliert sich aber auch zunehmend in Drogenkonsum und emotionaler Entfremdung. Erst mit Hilfe seiner queeren Freunde findet Moritz heraus, wer er wirklich sein möchte. „Drifter“ ist eine Reise entlang von Einsamkeit, Exzessen und Kinks, stellt Fragen nach schwulen Körperbildern und nicht-heteronormativen (Wahl-)Verwandtschaften. Für sein vielschichtiges Figuren- und Szeneporträt wurde Hannes Hirsch gerade mit dem Nachwuchspreis First Steps ausgezeichnet. Sebastian Markt über einen kühnen Verwandlungsfilm, der sich in leuchtenden Bildern der etablierten Wesensformel der Selbstwerdung verweigert und damit eine dezidiert queere Coming-of-Age-Geschichte erzählt.
Nighthawks & Strip Jack Naked

Nighthawks & Strip Jack Naked

Mit „Nighthawks“ haben Ron Peck und Paul Hallam 1978 schwule Filmgeschichte geschrieben: Das Porträt eines ungeouteten Lehrers, der nach Einbruch der Dunkelheit durch die Londoner Gay Clubs cruist, gilt als erster offen schwuler britischer Film überhaupt. In der dokumentarischen Fortsetzung „Strip Jack Naked“ aus dem Jahr 1991 setzte Peck seinem Klassiker in einen persönlichen Kontext: Als junger Mann musste er sich aus einem repressiven familiären Umfeld befreien und von einem tristen Vorort in die aufregende Großstadt London ziehen, um sein Schwulsein leben zu können und als Filmemacher seine politische Stimme zu finden. Beide in Deutschland bisher weitgehend unbekannte Filme gibt es jetzt auf DVD und als VoD. Andreas Wilink über ein faszinierendes Doppel, das nicht nur ein Schlaglicht auf die homophobe britische Gesellschaft der vergangenen Jahrzehnte wirft, sondern auch eine beeindruckende Emanzipationsgeschichte erzählt.
Nachtkatzen

Nachtkatzen

Da will man nur mal einen erotisch angehauchten Autorenfilm in der französischen Provinz drehen, und dann das: Die Darsteller:innen verlieren sich im Wald und werden zu Zombies. Der Regisseur verschwindet auf mysteriöse Weise und wird als einbalsamierte Leiche gefunden. Ein Inspektor soll Licht ins Dunkel bringen und interessiert sich vor allem für die sexuellen Vorlieben der Befragten. Valentin Merz’ polymorph-perverse Komödie über das Filmemachen war vergangenes Jahr eine der queeren Entdeckungen in Locarno – und ist jetzt im Kino zu sehen. Philipp Stadelmaier folgt den Spuren des toten Autors in einem vielsprachigen, höchst referentiellen und metareflexiven Filmreich zwischen Horror und Erotik, und kann einfach keinen Fluchtpunkt finden.
Piaffe

Piaffe

Nach dem Nervenzusammenbruch ihrer Schwester muss die introvertierte Eva deren Job als Geräuschemacherin übernehmen. Für einen Werbespot vertont sie das Verhalten eines Pferds – und vertieft sich so leidenschaftlich in die Arbeit, dass ihr ein Schweif aus dem Steißbein wächst. Mit dem Schwanz wird auch Evas sexuelles Begehren immer größer. Der erste Langfilm der aus Tel Aviv stammenden und in Berlin lebende Regisseurin und Künstlerin Ann Oren ist ein taktiler Liebesbrief an die unterschätzten Magier des Kinos und eine sinnliche Erkundung des Andersseins und Andersbegehrens. In Locarno wurde „Piaffe“ als Meisterwerk gefeiert, jetzt ist er in den deutschen Kinos zu sehen. Beatrice Behn nähert sich Orens kinematografischer und körperlicher Transformationsfantasie mit der Theorie der Symbiogenese und der Idee der Biosozialität an. Über einen ultimativ queeren Film. 
Prinz in Hölleland

Prinz in Hölleland

Kreuzberg, Anfang der 1990er. Jockel und Stefan sind ein schwules Paar, leben auf dem Bauwagenplatz und gehen beide auch mal mit Micha ins Bett. Jockel hat gerade das Heroin entdeckt – und verliert zwischen Highsein und Entzugserscheinungen allmählich Stefan und die Freiheit aus den Augen. Und dann ist da auch noch der Narr Firlefanz, der vom Prinz in Hölleland erzählt, von einem schönen Müllersbuschen und von einem bösen weißen Pulver. Der Debütfilm von Michael Stock („Postcard to Daddy“) ist ein Märchen ohne Happy End und zeigt die raue Wirklichkeit eines längst verschwundenen West-Berlins der Wendejahre und seiner linksautonomen Gegenwelt. 30 Jahre nach seiner Uraufführung erscheint Stocks legendärer Szenefilm jetzt in digital restaurierten Fassung als DVD und VoD. Axel Schock geht mit dem Film auf Zeitreise.