Kirsty Loehr: Eine kurze Geschichte queerer Frauen

Kirsty Loehr: Eine kurze Geschichte queerer Frauen

In ihrem Buch „A Short History of Queer Women“ stellte die englische Autorin Kirsty Loehr, selbsternannte „Smoking tragende, schreibende Lesbe“, 2022 ihre persönlichen Schlüsselfiguren queerer Weiblichkeit vor und bürstete damit die patriarchale Geschichtsschreibung lustvoll gegen den heteronormativen Strich. Nun ist Loehrs literarischer Schaulauf der verkannten Ikonen in deutscher Übersetzung beim Aufbau Verlag erschienen. Can Mayaoglu hat sowohl die englische Ausgabe als auch die Übersetzung gelesen und sich quasi doppelt in den schmissigen Schreibstil und die Protagonistinnen des Buches verliebt.
Buddies (1985)

Buddies (1985)

New York im Sommer 1985. Der 25-jährige schwule Schriftsetzer David will etwas gegen die Aids-Epidemie tun und meldet sich freiwillig bei einem Community-Programm an, das „buddies“ an Menschen vermittelt, die von HIV betroffen sind. So lernt er den 32-jährigen Aktivisten Robert kennen, der nach seiner Erkrankung von Partner und Freunden im Stich gelassen wurde. In einem kleinen Krankenhauszimmer reden die zwei jungen Männer über ihr Leben, die richtige Haltung zum Schwulsein, über leidenschaftlichen Sex und die Angst vor dem Tod. Arthur J. Bressan Jr.s „Buddies“ war 1985 der erste Spielfilm über die Aids-Epidemie. Sein Kammerspiel ist eine zutiefst berührende Studie über Leben und Sterben zu Zeiten von Aids – und ein zeitloses Dokument schwuler Solidarität. Matthias Frings über einen filmischen Meilenstein, für dessen Herausbringung einst der Verleih Salzgeber gegründet wurde.
Jacob Israël de Haan: Pathologien

Jacob Israël de Haan: Pathologien

Der Niederländer Jacob Israël de Haan (1881–1924) war einer der großen Freidenker seiner Zeit. 1904 sorgte er in seiner Heimat mit der homoerotischen Novelle „Pijpelintjes“ für einen Skandal, 1908 legte er mit der schwulen SM-Erzählung „Pathologieën“ noch eins drauf, 1919 wanderte er als überzeugter Zionist nach Palästina aus, wo er wiederum zum scharfen Kritiker des Zionismus wurde, was zu seiner Ermordung durch die Untergrundorganisation Hagana führte. Am 30. Juni 2024 jährt sich dieser laut dem Autorenduo Nakdimon/Nayzlish „erste politische Mord in Palästina“ zum hundertsten Mal. Derweil wird de Haans literarisches Werk auch außerhalb der Niederlande neu entdeckt. So ist mit „Pathologien – Der Untergang des Johan van Vere de With“ erstmals ein Roman de Haans in deutscher Übersetzung erschienen. Axel Schock hat das düstere Gleichnis über das Ringen eines frühen schwulen Selbstbewusstseins mit „Schande und emotionaler Abhängigkeit“ gelesen.
Sommersturm (2004)

Sommersturm (2004)

Vor 20 Jahren startete „Sommersturm“ in den Kinos. Marco Kreuzpaintners Film über den jungen Ruderer Tobi, der sich in seinen besten Freund verliebt, lockte damals Hunderttausende vor die Leinwände, setzte Maßstäbe für das schwule Repräsentationskino in Deutschland und gilt heute als Coming-out-Klassiker. Zum runden Geburtstag hat sich Fabian Schäfer „Sommersturm“ noch einmal angesehen und findet: Der Film ist im Gegensatz zu anderen deutschen Kassenschlagern mit schwulen Figuren von damals richtig gut gealtert und noch immer sehenswert!
Pedro Almodóvar: Der letzte Traum

Pedro Almodóvar: Der letzte Traum

Pedro Almodóvar ist nicht nur Spaniens erfolgreichster Filmemacher, sondern auch Autor mehrerer Bücher. Nach „Parallele Mütter“ und den beiden Kurzfilmen „The Human Voice“ und „Strange Way of Life“ tritt er mal wieder literarisch in Erscheinung: „Der letzte Traum“ ist ein Band aus Erzählungen und vereint „Initiationstexte“ aus sieben Jahrzehnten. Almodóvar verhandelt darin ähnliche Themen wie in seinen Filmen, es geht um Liebe und Selbstermächtigung, um Leidenschaft und Wahnsinn, um schöne und wilde Menschen. Angelo Algieri hat sich in den Almodóvarschen Abgrund zwischen Euphorie und Melancholie hineinfallen lassen.
Wild Side (2004)

Wild Side (2004)

Stéphanie lebt in Paris und verdient ihr Geld als Sexworkerin. Ein Anruf führt sie zurück in die Vergangenheit: Ihre Mutter ist schwer erkrankt und braucht ihre Hilfe. Stéphanie reist in das Dorf, das sie vor 17 Jahren verlassen hat, als ihr noch ein anderes Geschlecht zugeordnet wurde und sie einen anderen Namen trug. Zwischen ihr und der Mutter liegen nur Schweigen und Misstrauen. Da kommen Stéphanies Liebhaber nach: Djamel, ein Migrant aus Algerien, und Mikhail, der aus der russischen Armee nach Frankreich geflüchtet ist. Regisseur Sébastien Lifshitz zeigt drei Entwurzelte, die im rauen Pariser Rotlichtmilieu zueinanderfinden, aber erst in der Weite der nordfranzösischen Provinz zu einer Ersatzfamilie zusammenwachsen. Sein Film wechselt virtuos zwischen Erinnerung und Gegenwart, Abschied und Neubeginn, Momenten tiefster Verletzung und höchster Zärtlichkeit. „Wild Side“ ist ein Meilenstein des französischen Queer Cinema und hat auch 20 Jahre nach seiner Uraufführung nichts von seiner poetischen Kraft verloren.
Die Geierwally (1987)

Die Geierwally (1987)

Walter „Wally“ Bockmayer (1948-2014) war Regisseur, Theatermacher und Zeremonienmeister eines queeren Künstler:innen-Hofstaat in Köln, mit dem er eine Sternestunde des guten schlechten Geschmacks nach der nächsten zündete. Sein zügellosestes Werk ist die Parodie auf Wilhelmine von Hillerns Heimatroman „Die Geier-Wally“ (1873) und dessen traditionelle Verfilmungen aus den Jahren 1921, 1940, 1956 und 1967: Geierwally, durch den erbitterten Kampf mit einem Greifvogel zu ihrem Namen gekommen, weigert sich, den ihr vom Vater zugeteilten Erbschleicher Vinzenz zu heiraten und lebt zurückgezogen in einer Berghütte. Ihre Liebe zum Bärenjosef erscheint aussichtslos, zumal dieser von Wally Liebe nichts weiß. Um sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien, greift Wally zu drastischen Mitteln. Andreas Wilink erinnert sich an Walter Bockmayer als einen übermütig juchzenden und durchgedrehten Revoluzzer gegen Normen und Restriktionen – und stattet der Geierwally auf ihrer Alm einen ehrerbietungsvollen Besuch ab.
Die Freundin meiner Freundin

Die Freundin meiner Freundin

Zaida ist Mitte 30, lebt aber so, als wäre sie noch Anfang 20. Die Nachwuchsregisseurin und Content Creatorin träumt sich durch den Tag, ist verliebt in die Liebe und ständig auf der Suche, ohne genau zu wissen wonach. Als sie frisch getrennt zurück nach Barcelona kommt, steigt sie etwas ratlos, aber voller Leidenschaft in das Liebeskarussell ihrer Freundinnen-Clique ein. Für ihren eloquenten Debütfilm „Die Freundin meiner Freundin“, der im Mai in der Queerfilmnacht zu sehen ist, schöpft Regisseurin und Hauptdarstellerin Zaida Carmona aus ihrem eigenen Bohemien-Leben. Ihr lesbisches Figurenensemble setzt sie in knallbunten Interieurs, mit verspielten Dialogen und französischen Chansons zu einer smarten Rom-Com zusammen, die unmissverständlich vom Beziehungskino Éric Rohmers inspiriert ist. Anne Küper über eine hinreißende lesbische Überschreibung der Filmgeschichte.
Teaches of Peaches

Teaches of Peaches

„Suckin’ on my titties like you wanted me!“ Seit über zwei Jahrzehnten singt und performt die kanadische Musikerin, Produzentin und Regisseurin Peaches gegen Genderstereotypen an, stellt soziale Normen infrage und dekonstruiert patriarchale Machtstrukturen. Philipp Fussenegger und Judy Landkammer haben der nicht-heteronormativen Künstlerin par excellence nun einen Dokumentarfilm gewidmet. Mit Hilfe von noch nie veröffentlichtem Archivmaterial und neuen Interviews mit ihr und früheren Weggefährt:innen wie Chilly Gonzales und Leslie Feist zeichnen sie Peaches’ künstlerische Entwicklung von der Nachwuchsmusikerin in Toronto bis zu vor allem in queer-feministischen Kreisen gefeierten Electroclash-Ikone in Berlin nach. Der Film gibt zudem intime Einblicke in Peaches’ „The Teaches of Peaches Anniversary Tour“ – von der Ideenfindung für die Bühnenshow über die Proben bis hin zu den intensiven Live-Shows. Noemi Yoko Molitor geht bei Peaches gerne zur Schule.
Like It Is (1998)

Like It Is (1998)

Craig ist 21 und verdient sein Geld mit illegalen Boxkämpfen im rauen Arbeiterviertel von Blackpool. Dass er auf Typen steht, soll hier keiner wissen. Doch nach einem One-Night-Stand mit dem coolen Musikmanager Matt erwacht in ihm die Sehnsucht, das Leben in der schwulen Metropole London kennenzulernen. Er folgt Matt in die wilde Clubszene Sohos, doch nach einer exzessiven Zeit mit Sex, Drogen und Techno bröckelt die Fassade ihrer Beziehung. Mit viel nackter Haut, pulsierendem Pop und einer aufwühlenden Liebesgeschichte avancierte Paul Oremlands „Like It Is“ 1998 zum Kulthit und gilt heute als Klassiker des britischen Queer Cinemas. Christian Lütjens über eine schnelle und harte Nineties-Ballade mit zeitlosem britischem Lad-Charme, die schwules Leben mit einer Selbstverständlichkeit behandelt, die noch immer beispielhaft ist.