Unterwegs

Djam

Djam

Der französische Regisseur Tony Gatlif, der mit seinem Migrant_innen-Drama „Exils“ 2004 den Regiepreis in Cannes gewann, schickt in seinem neuen Film „Djam“ zwei junge Frauen unterschiedlicher kultureller Prägungen auf einen romantischen Roadtrip durch Griechenland und die Türkei. Handlungsführend ist in dem skizzenhaften Film der Rembetiko – eine Blues-Art und Mischung aus griechischer Volksmusik und osmanischen Musiktraditionen, die Gatlif als „Musik der Ungeliebten“ versteht, „deren Texte Worte sind, die heilen können“. Ein Film über Liebe, Leid und Drogen – und ein Aufruf, stolz zu seinen kulturellen Wurzeln und dem eigenen sexuellen Begehren zu stehen. Von Barbara Schweizerhof.
Der Moment: Stand by Me

Der Moment: Stand by Me

"Stand by Me", Rob Reiners Verfilmung von Stephen Kings Novelle "Die Leiche" (1982), gilt als Meilenstein des US-amerikanischen Coming-of-Age-Kinos. Der Film erzählt nicht nur mitreißend und voller Empathie zu seinen Figuren von den lebensprägenden "Geheimnissen eines Sommers", wie der deutsche Untertitel des Films verspricht. Er weigert sich vor allem überzeugend und nicht ganz un-queer, Kindheit und Jugend und all das Ungefestigte und Ambivalente darin als abgeschlossen zu betrachen. Eine ähnliche Perspektive nimmt auch der gefeierte Debütroman des Schriftstellers Fabian Hischmann, "Am Ende schmeißen wir mit Gold" (2014), ein, dem im vergangenen Jahr ein zweiter Roman, "Das Umgehen der Orte" (2017), folgte. Als "Stand by Me" 1986 in die Kinos kam, war unser Autor erst drei Jahre alt. Den Moment seiner queeren Filmgeschichte hat er trotzdem in ihm gefunden – und seitdem nie mehr verloren.
Der Moment: My Private Idaho

Der Moment: My Private Idaho

In knapp vier Wochen startet die Berlinale, und mit besonderer Spannung wird der neue Film von Gus Van Sant erwartet: "Don’t Worry, He Won’t Get Far on Foot", ein Biopic über den Portlander Cartoon-Künstler John Callahan, der von Oscar-Preisträger Joaquin Phoenix gespielt wird. Van Sants Geschichte mit dem Festival geht bis ins Jahr 1987 zurück, in dem er seinen bahnbrechenden Debütfilm "Mala Noche" erstmals einem großen internationalen Publikum vorstellte und seine Weltkarriere als Regisseur so richtig begann. Vier Jahre später zeigte er in Berlin seinen dritten Film, "My Private Idaho", der für viele Schwule zum Schlüsselfilm für die eigene Identitätsfindung wurde und heute als Meilenstein des New Queer Cinema gilt. Auch als wir den Schriftsteller und Journalisten Matthias Frings – der nicht nur regelmäßig für die sissy Filme bespricht, sondern auch Autor von Büchern wie der Schernikau-Biografie „Der letzte Kommunist“ (2009) und dem Roman „Manchmal ist das Leben“ (2014) ist – nach seinem filmischen Lieblingsmoment fragten, erinnerte er sich an diese eine Szene am Lagerfeuer, irgendwo in Idaho.
Der Ornithologe

Der Ornithologe

Der neue, großartige Film von João Pedro Rodrigues („O Fantasma, 2000; „To Die Like a Man“, 2009) handelt von einem Ornithologen, der sich nach einem Bootsunglück alleine durch die Wälder Nordportugals kämpfen muss, vorbei an mysteriösen Hindernissen und erotischen Begegnungen. Rodrigues' sehr persönliche, höchst queere Interpretation der Legende des Heiligen Antonius ist wie ein Traum von Tod, Auferstehung und Märtyrertum: ein Delirium, in dem sich alle spirituellen und körperlichen Grenzen lustvoll auflösen. Bei den Filmfestspielen in Locarno wurde „Der Ornithologe“ zu Recht als Meisterwerk gefeiert und mit dem Silbernen Leoparden für die Beste Regie ausgezeichnet. Für uns wagt sich Sascha Westphal in Rodrigues' schwirrende Dschungelwelt der Rätsel und Verwandlungen, in der man erst alles verlieren muss, um sich selbst zu finden.
Dream Boat

Dream Boat

Acht Tage Kreuzfahrt mit 3.000 schwulen Männern aus 89 Nationen. Und Tristan Ferland Milewski war mit Kameras dabei. Für viele eine schreckliche Idee, für Anwesende eine große Party oder permanente Überforderung, für die Augen ein Fest, für den Filmemacher der Ansporn, hinter die oberflächliche Fassade des Glad-to-be-gay-Tourismus unter maximal reibungsfreien Bedingungen zu schauen. Ein Hoch auf die schwule Seefahrt. Oder sowas Ähnliches. Im Juli in der queerfilmnacht! Von Jan Künemund.
Jan Krüger

Jan Krüger

"Seine visuellen (E)Motionen gehen von einer verborgenen Sehnsucht der Figuren aus und münden, nach einer Kreisbewegung, in dieselbe zurück. Dazwischen verstreicht die Zeit", schreibt Gunther Geltinger über das Œuvre von Jan Krüger. Bisher haben Krügers Langfilme diese Bewegung sogar im Titel mit sich getragen: „Unterwegs“ (2007), „Rückenwind“ (2009), „Auf der Suche“ (2011). In seinem jüngsten Film „Die Geschwister“ ersetzt nun ein scheinbar statischer Begriff dieses Bewegungsbild, der jedoch - auch das ist typisch für Krüger - normative, traditionelle und mythische Beziehungsvorstellungen vereint. Anlässlich der DVD-Premiere von "Die Geschwister" blickt sissy auf Krügers bisherige Etappen.
Die Geschwister

Die Geschwister

Jan Krüger dreht konsequent Filme mit queeren Geschichten. Das ist keine Selbstverständlichkeit, auch nicht für einen sich als schwul identifizierenden Filmemacher in Deutschland. Seine bisherigen drei Langfilme erzählen allesamt keine Coming-out-Storys (das erledigte er – auf originelle Weise – in seinem Kurzfilme „Freunde“ von 2001). Das Schwulsein der Figuren ist bei ihm nie ein Thema an sich, sondern wird stets mit anderen Erfahrungen verknüpft. Sein neuer Film „Die Geschwister“ handelt von Berlin als Stadt und Begehrensraum und folgt dem Erzählmuster eines Märchens. Die Geschichte von einem, der sich bisher aus allem raushielt, und der durch die Liebe lernt, soziale Verantwortung zu übernehmen... Von Gunther Geltinger.
Das Nest

Das Nest

Binge-watching auf der großen Leinwand: Im Mai zeigt die queerfilmnacht keinen klassischen Kinofilm, sondern die großartige, durch und durch queere Miniserie „Das Nest“ der jungen brasilianischen Regisseure Filipe Matzembacher und Marcio Reolon („Seashore“). Die vierteilige Serie erzählt von einer Brudersuche in Porto Alegre, die unverhofft zu neuen Freiheiten führt, und vom subversiven Entwurf einer alternativen Familie, die keine Formen der Ausgrenzung mehr kennt. Unser Autor Toby Ashraf hat sich mit den beiden Filmemachern via Skype über die Entstehungsgeschichte der Serie unterhalten, über queeres Leben in Brasilien und die vielfältigen Formen des Widerstands, die „Das Nest“ entwirft.
Seashore

Seashore

Brasilien im Winter. Die Freunde Tomaz und Martin reisen in die Küstenstadt Porto Alegre, um dort Papiere für eine Familienerbschaft zu besorgen. Man merkt sofort: Die beiden kennen sich schon lange, haben eine besondere Vertrautheit, aber sind mittlerweile irgendwie voneinander entfremdet... In ihrem wunderbaren Debütfilm "Seashore", der soeben auf DVD erschienen ist, erzählen Marcio Reolon und Filipe Matzembacher vor einer sinnlich-spröden Strandkulisse und mit wenigen Dialogen von einer Reise, die zu einer allmählichen Wiederannäherung wird. Ihr Road Movie gerät durch seine authentisch agierenden Darsteller und einen bemerkenswerten Sinn für kleine Geste, Blicke und das Nicht-Ausgesprochene in natürliche Schwingung – und durch das politische Engagement, das ihm zu Grunde liegt. Von Toby Ashraf.
Esteros

Esteros

Papu Curottos Langfilmdebüt „Esteros“ ist eigentlich ein schwules Coming-out-Drama, wirkt aber zunächst wie ein Zombiefilm. Dabei erzählen der Regisseur und seine Drehbuchautorin Andi Nachon nur am Rande von schlurfenden Untoten. Ihrem Film mangelt es streckenweise schlicht an Lebendigkeit. Doch wer sich von dem anfänglichen Kleben an filmischen Konventionen nicht verschrecken lässt, wird mit unverhofften Wendungen belohnt – und mit schwelgerisch leichten Landschaftsimpressionen, die von einer Liebe erzählen, die dabei ist, sich zu befreien. Von Carsten Moll.