Liebmann

Trailer

Ein Deutscher, der nicht herausrückt mit der Sprache, mietet sich im Norden Frankreichs ein, wo er von Männern und Frauen umschwärmt wird, die sich von seinem schlechten Französisch nicht in die Flucht schlagen lassen. Sie möchten, genau wie wir, seinem Geheimnis auf die Schliche kommen. Jules Herrmanns Debütspielfilm „Liebmann“, in der Berlinale-Perspektive 2016 uraufgeführt, verwirrt kunstvoll, bleibt aber im großen Drama ausgesprochen léger.

Foto: missingFilms

Amour & Homme

von Jan Künemund

Dieser Film hat sich was vorgenommen, das merkt man gleich. Verwirrende Zwischentitel, aus Bildern ausgestanzte Buchstaben, monochrome Einfärbungen sitzen quer im Bildfluss, ein Erzählprogramm wird vorausgeschickt: eine Geschichte soll das werden wie aus Pfauenfedern, die, separat gefunden, niemals auf das gleiche Tier schließen ließen. Aber auf was für ein Tier lassen sie schließen? Was für ein Tier ist dieser Film?

Er spricht französisch, soviel steht fest. Nicht nur, dass die arme deutsche Hauptfigur Liebmann damit leben muss, dass auf seine mangelnden Sprachkenntnisse keine Rücksicht genommen wird, dass er Einladungen zum Abendessen nicht ablehnen darf und dass das Auto der Nachbarin nur dann anspringt, wenn ein Chanson gesungen wird – der Film startet auch diverse Charmeoffensiven: hochsommerliche Picardie, blühender Lavendel, malerische Trödelberge, Rezepte für Zauberkuchen, eine hübsche Geneviève und ein noch hübscherer Sébastien. Die Deutschen kommen seit jeher gerne nach Frankreich, sagt ein Lehrer in einer „Leçon d‘histoire“, das fing schon mit Attila und den Hunnen an. In diese Tradition also darf sich Liebmann, der Deutsche mit Oberlippenbart, schütterem Haar, Selbst- und und Wortfindungsstörungen, stellen. Sein erster Satz in flüssigem Deutsch: „Ich bin total im Arsch.“

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Was macht er also da, der Liebmann, der gegen den Charme Frankreichs offensichtlich immun zu sein scheint? Das sehr kunstvoll über 60 Minuten nicht zu verraten, ist die Idee des Films, der mit spielerischem Ernst immer weitere schillernde Pfauenfedern verlegt: dramatische Zusammenbrüche, ein Gewehr unter dem Bett und Schüsse im Wald, hin und wieder ein Chanson, plötzlich Kostüm und original Strindberg: „Ist es kein Traum, so ist es doch ein Schlaf!“ Schön wär’s, Liebmann leidet unter Schlafstörungen. Und für Beziehungen wiederum ist er nicht wach genug. Was sein Name denn bedeute, fragt der hübsche Sébastien. Na, Amour und Homme. Na dann gute Nacht.

Plötzlich redet jemand englisch: „Hi, I’m Ines.“ Die Schwester kommt zu Besuch und mit ihr kommen merkwürdig trockene deutsche Sätze: „Mama hat jetzt Pflegestufe eins.“ Ihr Entführungsversuch in die Provence scheitert. Aber sie klärt uns ein bisschen über den Titelhelden auf bzw. über das, was die Flucht nach Frankreich auf den Spuren der Hunnen ausgelöst hat. Ein Drama, ein Trauma mit ungeklärter Zuständigkeit, ungefähr da liegt der Pfau im Pfeffer.

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Sehr intuitiv sei die Regisseurin Jules Herrmann vorgegangen, habe ein paar Szenen aufgeschrieben und schnell in zwei Wochen gedreht. Die Zeit reichte für ein paar schillernde Pfauenfedern und einen charmanten Grundton. Den Rest erledigt ein entspanntes Ensemble und die angenehm sicher aufgestellte Kamera von Sebastian Egert. Wirklich verlaufen kann sich die Geschichte in der übersichtlichen, von der Sonne beschienenen Landschaft ohnehin nicht.

Wie denn der Franzose so küsse, will die Schwester noch wissen. Das weiß Liebmann nicht, aber Sébastien küsse gut. Voilà, so einfach wollen wir es uns mit den Klischees dann doch nicht machen.




Liebmann
von Jules Herrmann
DE 2016, 82 Minuten,
deutsche-französische OF mit deutschen UT

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