BOY

BOY

Tobias ist 16 und muss die Ferien bei seinen Großeltern verbringen. Auf seinen Streifzügen durch das Dorf begegnet der junge Skater dem Sexworker Jonas und lernt den Maler Aron kennen. Zwischen Tobias und Aron entwickelt sich eine vorsichtige Beziehung. Doch dann verfällt der Teenager wieder in alte Gewohnheiten: Er gibt sich die Schuld an Dingen, die vermeintlich falsch laufen. Mitreißend porträtiert der dänische Regisseur Søren Green in seinem ersten Langfilm einen Jugendlichen, der sich selbst verletzt, um seine Gefühle der Verlassenheit und Einsamkeit zu kontrollieren. Andreas Köhnemann über einen Coming-of-Age-Film, der seine abgründige Geschichte in einer sommerlich-hellen Kulisse erzählt und mit großer Empathie auf seine Figuren blickt.
Water Lilies (2007)

Water Lilies (2007)

In einem Vorort von Paris begleitet die 15-Jährige Marie ihre beste Freundin Anne zum Synchronschwimmen und verliebt sich prompt in den Star der Gruppe, die betörende Floriane. Anne wiederum ist in den Wasserballer François verknallt, der seinerseits für Floriane schwärmt. Zwischen der prickelnden Kühle eines Schwimmbads und der lauen Schwüle langer Sommernächte entwirft Céline Sciamma („Porträt einer jungen Frau in Flammen“, „Petite Maman“) in ihrem Debütfilm ein dichtes Coming-of-Age-Drama um Freundschaft, erwachende Sexualität und die erste große Liebe, in dem die junge Adèle Haenel in der Hauptrolle glänzt. Für Anne Küper zeichnet „Water Lillies“ besonders aus, dass er Geschlechter- und Körperbilder auf der Augenhöhe seiner jugendlichen Heldinnen verhandelt, mit denen zusammen wir für die Dauer des Films kämpfen, scheitern, und schmachten dürfen – und dem nachspüren, was wir manchmal gerne sagen würden, aber uns aus Angst vor Zurückweisung nicht trauen.
Close to You

Close to You

In „Close to You“, der im November in der Queerfilmnacht zu sehen ist, kehrt Elliot Page nach mehr als drei Jahren wieder auf die große Leinwand zurück. Page, der in seiner erfolgreichen Autobiografie „Pageboy“ (2023) ergreifend vom langen Weg zu seinem wahrem Selbst erzählt hat, glänzt in der sehr persönlichen Geschichte eines jungen trans Mannes, der nach Hause zurückkehrt, sich gegen Vorurteile behaupten und alte Gefühle neu einordnen muss. Luca Mael Milsch über einen Film, der für die Entfremdung von der Herkunftsfamilie eindrückliche Bilder findet und einen Protagonisten zeigt, der erst in der schmerzvollen Abgrenzung zum eigenen Leben kommt.
Die feige Schönheit

Die feige Schönheit

Kesse (they/them) und May (she/her) sind frisch verliebt und verbringen jede freie Minute mit ihrer queeren Skatercrew auf den Boards. Doch dann passiert etwas Schreckliches, das alles verändert. Ausgeschlossen von der Gemeinschaft, sucht Kesse nach einem Umgang mit their Schuld und einen Weg zurück in den Alltag. DFFB-Absolvent Moritz Krämer drehte seinen zweiten Spielfilm an Originalschauplätzen und mit zahlreichen Laien aus der Berliner queer femme Skatercrew VUM; und er verwendete sogar einige selbstgedrehte Videos von VUM. „Die feige Schönheit“ wird so zu einem authentischen Community-Porträt, ist zugleich aber auch eine freie Reflektion von Verlust, Trauer und Vergebung. Für Melanie Waelde, selbst Regisseurin („Nackte Tiere“, 2020), ist es gerade diese Offenheit, die die Figuren bei aller Schwere aus ihren festen Hüllen befreien.
Der Senator

Der Senator

Der junge Renan wird von dem populären Senator Arthur Alencar ausgehalten. Dass der Politiker seinen Toyboy geheim hält und öffentlich heteronormative Familienwerte verteidigt, akzeptiert dieser schweren Herzens. Doch als Renan den attraktiven Enthüllungsjournalisten Victor kennenlernt, kommen ihm Zweifel. Kann er sich aus den Fängen des Senators befreien? Regisseur Mauro Carvalho erzählt in „Der Senator“ von einer Beziehung, in der sich eine anfängliche Leidenschaft in eine emotionale und finanzielle Abhängigkeit entwickelt hat, und hält der Bigotterie konservativer Politiker einen entlarvenden Spiegel vor. Andreas Köhnemann über einen aufreizenden Genrefilm zwischen Crime-, Romantik- und Softcore-Unterhaltung, der das Erzählmuster der nicht sonderlich queeren US-Erotikthriller der 1990er Jahre in einen schwulen südamerikanischen Kosmos überträgt.
Frau aus Freiheit

Frau aus Freiheit

Polen in den frühen 1980ern. Während das Land dem Kommunismus allmählich den Rücken kehrt und sich zu einem demokratischen Staat wandelt, sucht Aniela Wesoły in einer Kleinstadt ihre Freiheit als Frau. Schon während ihrer Kindheit und Jugend beginnt sie, sich anders zu fühlen. Ihre Umgebung reagiert mit Unverständnis und Verdrängung. Doch weder die Widerstände in ihrer Familie noch staatliche Repressionen können sie davon abhalten, endlich die Person zu werden, die sie schon immer war. Vor dem Hintergrund der historischen Entwicklungen in Polen der letzten 50 Jahre erzählen Małgorzata Szumowska und Michał Englert in „Frau aus Freiheit“ von der Selbstermächtigung einer Frau. Das epische Figurenporträt wurde im Wettbewerb von Venedig gefeiert und glaubt, ganz im Geiste des großen Regisseurs Andrzej Wajda daran, dass Kino die Kraft der Veränderung in sich trägt. Anja Kümmel über einen sensibel und nuanciert gespielten Film über Einsamkeit, Isolation und eine Frau, die ihre Freiheit sucht und findet.
Fremde Haut (2005)

Fremde Haut (2005)

In ihrem Heimatland droht der jungen iranischen Übersetzerin Fariba die Todesstrafe, weil ihr Verhältnis zu einer verheirateten Frau bekannt geworden ist. Sie flieht und schafft es bis nach Deutschland. Doch dort wird ihr Asylantrag abgelehnt. Um im fremden Land zu überleben, nimmt sie die Identität eines des jungen Iraners Siamak an, spricht wie ein Mann, gibt sich wie ein Mann. Als sie sich in ihre attraktive Arbeitskollegin Anne verliebt, riskiert Fariba ihre Tarnung. In „Fremde Haut“, den es jetzt in digital restaurierter Fassung als DVD und VoD gibt, erzählt Angelina Maccarone mit großem Feingefühl von Entwurzelung und der Sehnsucht nach Identität in einem anderen Land, einer anderen Kultur, einer neuen Liebe. Jasmin Tabatabais Darstellung einer mutigen Frau mit dem unbeugsamen Willen, ihren Platz im Leben zu finden, geht auch knapp 20 Jahre nach der Premiere tief unter die Haut. Arabella Wintermayr über einen Film, der sichtbar macht, was sonst im Verborgenen bleibt, und der das queere Kino um eine selten beleuchtete Facette bereichert.
Teorema (1968)

Teorema (1968)

Am 2. November jährt sich zum 49. Mal der Tag, an dem Pier Paolo Pasolini am Strand von Ostia auf brutalste Weise ermordet wurde. Die Hintergründe konnten nie restlos aufgeklärt werden. Zuvor schuf Pasolini, einer der wichtigsten italienischen Intellektuellen und Poeten des 20. Jahrhunderts, in nur 15 Jahren ein dichtes und vielgestaliges Filmwerk, das von neorealistischen Außenseiterporträts („Accatone“, 1961; „Mamma Roma“, 1962) bis zu dem vielleicht grausamsten Film aller Zeiten („Die 120 Tage von Sodom“, 1975) reicht. sissy erinnert an einen ihrer Lieblingsregisseure mit einem Text zu dessen mysteriösestem und queerstem Film. In „Teorema“ besucht ein strahlend schöner Fremder eine Mailänder Industriellenfamilie, verführt jedes der Familienmitglieder und verschwindet danach so plötzlich wieder, wie er aufgetaucht war. Für Philipp Stadelmaier schlummert in „Teorema“ nicht weniger als die Möglichkeit einer Utopie: das Patriarchat wird abgeschafft, die Kleinfamilie ebenso, der Besitz aufgegeben, die Sexualität frei ausgelebt. Die Geschichte einer Heilsbringung. Oder doch etwas ganz anderes?
Light Light Light

Light Light Light

Inari Niemi erzählt in „Light Light Light“ von zwei Mädchen, die sich in der finnischen Provinz des Jahres 1986 und im Schatten der Atomkatastrophe von Tschernobyl ineinander verlieben. Voller bittersüßer Melancholie und mit lichtdurchfluteten Bildern zeigt der berührende Coming-of-Age-Film das Heranwachsen in einer Zeit der abstrakten Bedrohung und sozialen Kluften. Theresa Rodewald ist vor allem von der erfrischenden Selbstverständlichkeit begeistert, mit der sich die beiden Hauptfiguren finden und füreinander da sind.
The Room Next Door

The Room Next Door

In dem ersten Langfilm, den Pedro Almodóvar nicht in seiner Heimat und nicht auf Spanisch gedreht hat, spielen Tilda Swinton und Julianne Moore zwei Jugendfreundinnen, die sich nach vielen Jahren ohne Kontakt kurz vor dem Tod der einen wiederbegegnen und zu engsten Begleiterinnen voneinander werden. Jetzt ist „The Room Next Door“, für den der Altmeister mit dem Goldenen Löwen von Venedig ausgezeichnet wurde und bereits für die Oscars gehandelt wird, im Kino zu sehen. Für Andreas Wilink ist das Melodram Almodóvars bisher leisester und innigster Film – und das virtuose Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen ein Geschenk an die Zuschauer:innen.