Drei Kilometer bis zum Ende der Welt

Drei Kilometer bis zum Ende der Welt

Im Coming-of-Age-Thriller „Drei Kilometer bis zum Ende der Welt“ muss ein Teenager in einem rumänischen Dorf den Widerstand von Familie, Kirche und Staatsgewalt überwinden, um frei leben zu können. Regisseur Emanuel Pârvu prangert neben immer noch alltäglicher Homophobie auch staatliche Korruption und religiösen Fanatismus an – und stellt deren zersetzende Kraft der atemberaubend schönen Natur des rumänischen Donaudeltas entgegen. Ab Anfang  September laufen Previews in der Queerfilmnacht, vor dem Kinostart am 25. September. Esther Buss über ein messerscharf inszeniertes Drama und aufwühlendes Filmerlebnis.
Prinz in Hölleland (1993)

Prinz in Hölleland (1993)

Kreuzberg, Anfang der 1990er. Jockel und Stefan sind ein schwules Paar, leben auf dem Bauwagenplatz und gehen beide auch mal mit Micha ins Bett. Jockel hat gerade das Heroin entdeckt – und verliert zwischen Highsein und Entzugserscheinungen allmählich Stefan und die Freiheit aus den Augen. Und dann ist da auch noch der Narr Firlefanz, der vom Prinz in Hölleland erzählt, von einem schönen Müllersbuschen und von einem bösen weißen Pulver. Der Debütfilm von Michael Stock („Postcard to Daddy“) ist ein Märchen ohne Happy End und zeigt die raue Wirklichkeit eines längst verschwundenen West-Berlins der Wendejahre und seiner linksautonomen Gegenwelt. Axel Schock geht mit dem Film auf Zeitreise.
Paris is Burning (1991)

Paris is Burning (1991)

Nach seiner Premiere beim Sundance Film Festival 1991 wird „Paris is Burning“ von Jennie Livingston zum ersten weithin bekannten Dokumentarfilm über die queere Schwarze und Latinx-Ballroom-Szene in Harlem – ein Erfolg, mit dem wahrscheinlich weder die Regisseurin noch die Mitwirkenden gerechnet hätten. Niemand ahnte, wie sehr dieses Zeugnis über Jahrzehnte hinweg das populäre Verständnis der Ballroom-Kultur prägen würde. Für sissy-Autorin Anja Kümmel ist der Film immer noch aktuell: „Durch seine nicht-lineare, nuancenreiche Machart zeigt der Film ganz nebenbei eine Vielfalt an Perspektiven und Identitäten, die heute unter dem Sammelbegriff ‚queer‘ Platz finden.“
Brokeback Mountain (2005)

Brokeback Mountain (2005)

Der Film mit den schwulen Cowboys: „Brokeback Mountain“ war eins der großen kulturellen Phänomene der Nullerjahre – von der Krtitik gefeiert, vom Publikum zum Blockbuster gemacht, von christlich-konservativen Kreisen attackiert. Was vorher eher Stoff für experimentelles New Queer Cinema gewesen wäre, hat Ang Lee mit den Hollywood-Stars Heath Ledger und Jake Gyllenhaal als klassisches, großes Erzählkino inszeniert. Für Esther Buss ein Klassiker, der „noch immer das Herz zerreißen lässt.“ Und den der aktuelle politische Backlash wieder näher an die heutige Zeit rückt.
Ein Liebeslied (1950)

Ein Liebeslied (1950)

Männer, die in ihren Gefängniszellen tanzen, träumen und masturbieren; ein Wärter, der sie beobachtet. In einem Wald in der Nähe von Paris drehte der berühmte schwule Schriftsteller Jean Genet im Jahr 1950 seinen einzigen Film „Ein Liebeslied“ – keine 30 Minuten lang, aber skandalös genug, dass er nach einem ersten öffentlichen Screening im Jahr 1954 jahrzehntelang nicht gezeigt wurde. Philipp Stadelmaier über einen Film, „dem man sich am besten vorsichtig nähert, von außen, weil er sich selbst im Schutz der Anonymität bewegt und sich eine unzugängliche Intimität bewahrt.“
Viet und Nam

Viet und Nam

Vietnam 2001. Die jungen Bergleute Viet und Nam lieben sich. Die Kohle umschließt sie, staubig, nass. Gemeinsam machen sich die beiden auf die Suche nach Nams Vater, der im Krieg verschollen ist, und durchqueren das Land von Norden nach Süden. Trương Minh Quý erzählt in „Viet und Nam“ die Geschichte einer Liebe, die von den Geistern der Vergangenheit begleitet wird – mit Bildern von einer unermesslich poetischen Kraft. Sissy-Autor Andreas Köhnemann ist hingerissen von lauter filmischen Augenblicken, die in den „zukünftigen Kanon der schönsten Momente des queeren Kinos“ gehören.
The Hours (2002)

The Hours (2002)

Drei Frauen in drei verschiedenen Epochen, verbunden über den Roman „Mrs. Dalloway“, hadern mit ihren Lebensentwürfen und kämpfen um ihren Lebenswillen: Stephen Daldrys Literaturverfilmung „The Hours“ aus dem Jahr 2002 gilt als Gipfel des edlen Arthouse-Mainstream-Kinos – mit drei Hauptdarstellerinnen, die zu den besten Schauspielerinnen aller Zeiten zählen; nach einer Bestsellervorlage mit dem Ruf der Unverfilmbarkeit; überhäuft mit unzähligen Preisen und Auszeichnungen. Tatsächlich ist der Film ein echtes „Kinowunder“, schreibt Andreas Köhnemann. Und vor allem: „ein Faszinosum mit bemerkenswerter queerer Sensibilität“.
Tropical Malady (2004)

Tropical Malady (2004)

Ein Soldat verliebt sich in Thailand in einen Jungen aus der Provinz und schafft es tatsächlich, seine Gunst zu gewinnen. Doch dann verschwindet der Junge in der Dunkelheit – und ein ganz neuer Film scheint zu beginnen, der den Soldaten in die Tiefen des Dschungels und in mystische Tierwelten führt. Mit seinem lyrischen, lustvoll geheimnisvollen Film „Tropical Malady“ etablierte sich der thailändische Regisseur Apichatpong Weerasethakul im Jahr 2004 als Großmeister des internationalen Arthouse-Kinos. Das rätselhafte Kinoerlebnis gewann den Großen Preis der Jury bei den Filmfestspielen von Cannes, die Zeit feierte den Film als „Sensation des Kinos“, er schaffte es in die Sight-and-Sound-Liste der größten Filme aller Zeiten. Jochen Werner über ein „hypnotisches Meisterwerk“.
Aimée & Jaguar (1999)

Aimée & Jaguar (1999)

Im faschistischen Deutschland von 1943 finden zwei Frauen zueinander: die jüdische Widerstandskämpferin Felice und die angepasste Mutterkreuzträgerin Lilly. Eine Liebesbeziehung, die kaum vorstellbar scheint und doch historisch belegt ist. Max Färberböcks Verfilmung von Erica Fischers dokumentarisch-literarischer Vorlage „Aimée & Jaguar“ eröffnete 1999 die Berlinale und wurde danach schnell zum Sensationserfolg. Und hat auch heute nichts von ihrer Kraft verloren. Der Film habe „eine Zärtlichkeit von jener Sorte, die das Kino zwischen zwei Frauen selten zeigt“, schreibt Arabella Wintermayr: „warm und lustvoll zugleich, tastend und gleichzeitig voller Dringlichkeit“.
Ein Virus kennt keine Moral (1985)

Ein Virus kennt keine Moral (1985)

Rosa von Praunheims 1985 produzierter Spielfilm „Ein Virus kennt keine Moral“ war einer der ersten überhaupt, der die damals noch neue Krankheit Aids thematisierte. Den Ängsten und der Hysterie begegnet er mit schwarzem Humor und einer makabren Revue. Ganz anders seine Dokumentarfilm-Trilogie, in der von Praunheim fünf Jahre später den politischen und künstlerischen Aktivismus im Zeichen von Aids zu beleuchten versucht – und vor allem im letzten Teil „Feuer unterm Arsch“ zum zornigen Moralprediger wird, der staatliche Repression fordert. Eine Rolle, die ihm weit weniger gut stand, wie sissy-Autor Axel Schock schreibt.