Made in Germany

Ich kenn keinen (2003)

Ich kenn keinen (2003)

Wie lebt es sich als schwuler Mann in der süddeutschen Provinz zwischen Albverein, Kirchenchor und Kehrwoche? Der 2003 bei der Berlinale mit dem Teddy ausgezeichnete Dokumentarfilm „Ich kenn keinen – Allein unter Heteros“ ist Jochen Hicks unterhaltsamer, sehr menschlicher Auftaktfilm zu einem einmaligen Projekt: einem dokumentarischen Kaleidoskop queerer Geschichte und Alltag in Deutschland von den 1960er Jahren bis in die Gegenwart. Axel Schock hat sich den Film noch einmal angesehen und ordnet ihn in das Schaffen des „wichtigsten Archivars und Chronisten der Community“ ein.
Prinz in Hölleland (1993)

Prinz in Hölleland (1993)

Kreuzberg, Anfang der 1990er. Jockel und Stefan sind ein schwules Paar, leben auf dem Bauwagenplatz und gehen beide auch mal mit Micha ins Bett. Jockel hat gerade das Heroin entdeckt – und verliert zwischen Highsein und Entzugserscheinungen allmählich Stefan und die Freiheit aus den Augen. Und dann ist da auch noch der Narr Firlefanz, der vom Prinz in Hölleland erzählt, von einem schönen Müllersbuschen und von einem bösen weißen Pulver. Der Debütfilm von Michael Stock („Postcard to Daddy“) ist ein Märchen ohne Happy End und zeigt die raue Wirklichkeit eines längst verschwundenen West-Berlins der Wendejahre und seiner linksautonomen Gegenwelt. Axel Schock geht mit dem Film auf Zeitreise.
Aimée & Jaguar (1999)

Aimée & Jaguar (1999)

Im faschistischen Deutschland von 1943 finden zwei Frauen zueinander: die jüdische Widerstandskämpferin Felice und die angepasste Mutterkreuzträgerin Lilly. Eine Liebesbeziehung, die kaum vorstellbar scheint und doch historisch belegt ist. Max Färberböcks Verfilmung von Erica Fischers dokumentarisch-literarischer Vorlage „Aimée & Jaguar“ eröffnete 1999 die Berlinale und wurde danach schnell zum Sensationserfolg. Und hat auch heute nichts von ihrer Kraft verloren. Der Film habe „eine Zärtlichkeit von jener Sorte, die das Kino zwischen zwei Frauen selten zeigt“, schreibt Arabella Wintermayr: „warm und lustvoll zugleich, tastend und gleichzeitig voller Dringlichkeit“.
Ein Virus kennt keine Moral (1985)

Ein Virus kennt keine Moral (1985)

Rosa von Praunheims 1985 produzierter Spielfilm „Ein Virus kennt keine Moral“ war einer der ersten überhaupt, der die damals noch neue Krankheit Aids thematisierte. Den Ängsten und der Hysterie begegnet er mit schwarzem Humor und einer makabren Revue. Ganz anders seine Dokumentarfilm-Trilogie, in der von Praunheim fünf Jahre später den politischen und künstlerischen Aktivismus im Zeichen von Aids zu beleuchten versucht – und vor allem im letzten Teil „Feuer unterm Arsch“ zum zornigen Moralprediger wird, der staatliche Repression fordert. Eine Rolle, die ihm weit weniger gut stand, wie sissy-Autor Axel Schock schreibt. 
Taxi zum Klo (1980)

Taxi zum Klo (1980)

Bei seiner Erstveröffentlichung vor 45 Jahren löste Frank Ripplohs „Taxi zum Klo“ einen Skandal aus: Für einen Film über einen offen schwulen Lehrer aus West-Berlin und dessen sexuelle Abenteuer waren viele in der braven Bundesrepublik nicht bereit. Doch kurz darauf wurde Ripploh sensationell mit dem Max Ophüls Preis ausgezeichnet. Philipp Stadelmaier über einen Film, der heute zurecht als Meilenstein des nicht-heteronormativen Kinos aus Deutschland gilt, weil er in seiner Darstellung einer souveränen schwulen Hauptfigur der Zeit weit voraus war. Und dabei seine wunderbare Zweideutigkeit nie versteckt. 
Der bewegte Mann (1994)

Der bewegte Mann (1994)

Das Elend der Heterosexualität und die deutsche Beziehungskomödie: „Der bewegte Mann“ hat 1994 eine schwule Lebenswelt sichtbar gemacht, wie man sie im Mainstream des Kinos in Deutschland nicht kannte. Und wurde mit 6,5 Millionen Zuschauer:innen zum Monstererfolg. Aber haben die mit alle mit uns oder nur über uns gelacht? Drei Jahrzehnte später hat sich Jochen Werner die Verfilmung des gleichnamigen Comics von Ralf König noch einmal angesehen – und sich über ein hochkomisches Wiedersehen gefreut. Denn auch wenn die legendäre Vorlage fürs Massenpublikum ein Stück weit entschärft wurde: „so lebendig und liebevoll wurde die schwule Szene jedenfalls im deutschen Mainstream-Kino auch danach kaum je wieder porträtiert.“
Westler (1985)

Westler (1985)

Berlin, Mitte der 1980er Jahre. Felix aus dem Westen und Thomas aus Ostberlin leben nur wenige Kilometer voneinander entfernt – und doch in unterschiedlichen Welten. Zwischen ihnen liegt die Berliner Mauer, pro Woche können sie sich nur einen Tag für wenige Stunden sehen. Irgendwann weiß Thomas nur einen Ausweg: die Flucht aus der DDR, zu Felix. Regisseur Wieland Speck und sein Team mussten 1985 im Ostteil Berlins zum Teil mit versteckter Kamera drehen. 40 Jahre später zählt sein Debütfilm „Westler“ zu den unbestreitbaren Klassikern des queeren Kinos. Andreas Wilink über einen grenzenüberschreitenden Liebesfilm der „wie aus dem Underground aufs Leben schaut“.
Anders als die Andern (1919)

Anders als die Andern (1919)

Im Jahr 2019 tat sich der Sexualforscher Magnus Hirschfeld mit dem Regisseur und Produzenten Richard Oswald zusammen, um einen Stummfilm zu konzipieren, der sich mit dem Homosexuellenparagrafen §175 beschäftigen sollte. Heraus kam mit „Anders als die Andern“ der erste schwule Kinofilm überhaupt, er wurde zu einem riesigen Erfolg. Doch schon bald fiel die tragische Liebes- und Erpressungsgeschichte um zwei Geigenspieler der Zensur zum Opfer, die meisten Filmkopien wurden vernichtet. Mittlerweile existiert wieder eine mühsam rekonstruierte Fassung. Matthias Frings über die „Mutter aller schwulen Filme“.
Blindgänger

Blindgänger

In Hamburg führt der Fund eines Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg auch zum zwischenmenschlichen Ausnahmezustand. Während Anwohner:innen und das Team des Räumkommandos mit Ängsten und Traumata hadern, entwickeln sich im Chaos zarte Momente der Nähe. „Blindgänger“ von Kerstin Polte ist eine gesellschaftliche Momentaufnahme, die sanft von der Sehnsucht nach Zugehörigkeit erzählt. Ein Film über Menschen, die straucheln und stürzen; die sich verletzen und sich dennoch gegenseitig helfen. Unsere Autorin Barbara Schweizerhof ist beeindruckt: Polte gelinge es, „ihren Plot wunderbar organisch erscheinen zu lassen.“ Im Mai ist der Film in der Queerfilmnacht zu sehen.
Klandestin

Klandestin

Für ihren schwulen britischen Künstlerfreund versteckt eine rechtskonservative Politikerin in Frankfurt einen Geflüchteten aus Marokko in ihrer Wohnung, ihre Assistentin soll kulturell vermitteln. Angelina Maccarone nähert sich dem großen Thema Migration in ihrem neuen Thriller „Klandestin“ aus vier Perspektiven und lässt die Sehnsucht nach persönlichem Glück kühl mit politischen Realitäten kollidieren. Christian Horn über ein filmisches Gedankenkonstrukt, das vor allem im Finale große Kraft findet.