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Vier Mütter für Edward

Vier Mütter für Edward

Frei nach dem italienischen Erfolgsfilm „Ein Festmahl im August“ wird in „Vier Mütter für Edward“ ein netter schwuler Jugendbuchautor erst zum Pfleger seiner eigenen Mutter und hat plötzlich ein ganzes Mütterquartett im Haus. Die stellen allerlei amüsanten Unfug an, sorgen aber auch für viele berührende, wahrhaftige Momente. Ein entspannter, großherziger Film, der „wie eine in Watte gepackte Screwball Comedy“ daherkommt, schreibt sissy-Autor Christian Horn.
Beau Travail (1998)

Beau Travail (1998)

Es sollte nur ein Auftragswerk für Fernsehsender sein, heute gilt „Beau Travail“ von Claire Denis vielen als einer der besten Filme aller Zeiten. In ihrer Adaption von Hermann Melvilles „Billy Budd“ beobachtet Denis eine Gruppe von Fremdenlegionären am Horn von Afrika bei ihren Truppenübungen: beim Aufhängen der Wäsche, beim Bügeln der Uniformen, bei ihrer Inszenierung militaristischer Männlichkeit. Es sei die „Erotisierung der Armeekörper und ihrer Beziehungen“, die den Film zum queeren Klassiker machen, schreibt sissy-Autor Till Kadritzke. Doch „fetischisiert werden die Körper nicht als Kampfmaschinen, sondern als Formen, die sich einfügen in all die anderen Formen des Films: das Wasser, die Sonne, die Wüste.“
Der bewegte Mann (1994)

Der bewegte Mann (1994)

Das Elend der Heterosexualität und die deutsche Beziehungskomödie: „Der bewegte Mann“ hat 1994 eine schwule Lebenswelt sichtbar gemacht, wie man sie im Mainstream des Kinos in Deutschland nicht kannte. Und wurde mit 6,5 Millionen Zuschauer:innen zum Monstererfolg. Aber haben die mit alle mit uns oder nur über uns gelacht? Drei Jahrzehnte später hat sich Jochen Werner die Verfilmung des gleichnamigen Comics von Ralf König noch einmal angesehen – und sich über ein hochkomisches Wiedersehen gefreut. Denn auch wenn die legendäre Vorlage fürs Massenpublikum ein Stück weit entschärft wurde: „so lebendig und liebevoll wurde die schwule Szene jedenfalls im deutschen Mainstream-Kino auch danach kaum je wieder porträtiert.“
Querelle (1982)

Querelle (1982)

Am 31. Mai wäre Rainer Werner Fassbinder 80 Jahre alt geworden. Kurz nach seinem Tod im Jahr 1982 erschien sein letztes Werk „Querelle“ – unter Fassbinders vielen kontrovers diskutierten Filmen sicher einer der umstrittensten: Seine Verfilmung von Jean Genets Roman über einen mörderischen und sexbesessenen Matrosen gilt den einen als radikales queeres Manifest, den anderen als unverschämter Kunstporno. Vielleicht zeichnet ihn beides aus. „Die Gleichzeitigkeit von Reflexion und Sex ist großartig“, schreibt Sissy-Autor Peter Rehberg. Gedanken über ein legendäres Männerspektakel, das alles sein will – nur keine schwule Utopie.
Westler (1985)

Westler (1985)

Berlin, Mitte der 1980er Jahre. Felix aus dem Westen und Thomas aus Ostberlin leben nur wenige Kilometer voneinander entfernt – und doch in unterschiedlichen Welten. Zwischen ihnen liegt die Berliner Mauer, pro Woche können sie sich nur einen Tag für wenige Stunden sehen. Irgendwann weiß Thomas nur einen Ausweg: die Flucht aus der DDR, zu Felix. Regisseur Wieland Speck und sein Team mussten 1985 im Ostteil Berlins zum Teil mit versteckter Kamera drehen. 40 Jahre später zählt sein Debütfilm „Westler“ zu den unbestreitbaren Klassikern des queeren Kinos. Andreas Wilink über einen grenzenüberschreitenden Liebesfilm der „wie aus dem Underground aufs Leben schaut“.
Pink Narcissus (1971)

Pink Narcissus (1971)

Halbzeit bei den Queer Cinema Classics! 50 Bahnbrecher:innen des nicht-heteronormativen Kinos haben wir Euch in den letzten knapp zwölf Monaten schon vorgestellt, auf 50 weitere dürft Ihr Euch noch freuen. Das Bergfest feiern wir natürlich mit ganz viel Glamour und der Erinnerung an James Bidgoods campes Meisterwerk „Pink Narcissus“ (1971). Mit glitzernden Traumwelten revolutionierte der amerikanische Künstler Bidgood in den 1960er Jahren die Fotografie. Seine schillernden Inszenierungen nackter junger Männer in überbordenden Kulissen lassen sich ganz aktuell in dem neuen Bildband „Dreamlands“ wieder- oder neuentdecken. In seinem einzigen Film „Pink Narcissus“ zelebriert Bidgood vor allem die Schönheit seiner Muse Bobby Kendall, den er im Wechsel als Torero, römischen Sklave, Stricher oder verliebten Draufgänger stilisiert – und immer als begehrenswerten Narziss. Jochen Werner über ein faszinierendes Artefakt und wie man es heute zu fassen bekommt.
Die Konsequenz (1977)

Die Konsequenz (1977)

Wolfgang Petersens kontroverse Verfilmung des autobiografischen Romans von Alexander Ziegler mit Jürgen Prochnow und Ernst Hannawald in den Hauptrollen wurde 1978 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Im Jahr zuvor hatte der Bayerische Rundfunk die Ausstrahlung in der ARD noch boykottiert. „Die Konsequenz“ erzählt die Geschichte des Schauspielers Martin, der sich im Gefängnis in Thomas, den Sohn eines Aufsehers verliebt. Nach Martins Entlassung ziehen die beiden zusammen, Thomas Eltern erzwingen daraufhin dessen Einweisung in eine Erziehungsanstalt. Martin muss miterleben, wie der sensible junge Mann dort mehr und mehr zerbricht. Andreas Wilink über einen Film, der die düstere gesellschaftliche Realität für schwule Männer Ende der 70er nachbildet – und teilweise noch immer aktuell ist.
Misericordia

Misericordia

Nach zehn Jahren kehrt Jérémie in seinen südfranzösischen Heimatort zurück, um an der Beerdigung des Dorfbäckers Jean-Pierre teilzunehmen. Als Teenager war Jérémie dessen Lehrling – und vielleicht noch mehr. Von Vincent, dem Sohn des Verstorbenen, wird Jérémie mit Argwohn und unterschwelligem Begehren empfangen. Die Bäckerswitwe Martine bietet ihm einen Schlafplatz an und sucht seine körperliche Nähe. Ambivalente sexuelle Spannungen erzeugt der Rückkehrer auch bei Bauer Walter und dem neugierigen Pfarrer Grisolles. Als Vincent spurlos verschwindet, fällt der Verdacht schnell auf Jérémie. Auch in seinem neuen Film „Misericordia“ spinnt Alain Guiraudie („Der Fremde am See“), der Meister der sinnlich-abgründigen Provinzerzählung, ein subtiles Netz aus gehemmter Lust und erotischen Manipulationen – und entwirrt es wieder mit skurrilen Wendungen und absurdem Humor. Fabian Schäfer über eine mythisch-spirituell aufgeladene Thriller-Komödie, die sich nicht für Genregrenzen interessiert und voll auf das Lustprinzip fokussiert.
Ludwig II. (1973)

Ludwig II. (1973)

Mit nur 18 Jahren besteigt Ludwig II. im Jahr 1864 den bayrischen Thron. Sein Interesse gilt weniger der Diplomatie als den schönen Künsten. Er wird zum großzügigen Förderer von Künstlern und Musikern, allen voran Richard Wagners. Ludwig wird von weiten Teilen seines Volks innig geliebt, ist aber vielen Politikern ein Dorn im Auge, weil er sich kaum um Regierungsgeschäfte kümmert und stattdessen riesige Prachtbauten beauftragt, die Unsummen verschlingen. Bei seiner Cousine Elisabeth „Sissi“ von Österreich findet er eine Seelenverwandte, die seine Liebe jedoch zurückweist. Sissi erkennt das Unheil, auf das ihr Cousin zusteuert, und drängt auf eine Verlobung mit ihrer Schwester Sophie. Aufgrund seiner „Verschwendungssucht“ wird Ludwig schließlich für geisteskrank erklärt und entmachtet. Er stirbt 1886 vereinsamt und unter mysteriösen Umständen am Starnberger See. Mit „Ludwig II.“ hat Luchino Visconti 1973 seine Deutschland-Trilogie abgeschlossen – und dem bayrischen Märchenkönig ein abgründiges filmisches Denkmal gesetzt. Viscontis Partner Helmut Berger glänzt als Regent, der sich zunehmend seinem homosexuellen Begehren hingibt und allmählich verfällt. Bergers Ludwig geht an einen Ort, an den ihn keiner mehr versteht, und der doch zugänglich erscheint, weil Visconti ihm nicht nur bereitwillig, sondern leidenschaftlich folgt. Carolin Weidner über ein filmisches Meisterwerk des Aufbegehren in der durchlebten Agonie.
Cruising (1980)

Cruising (1980)

New York Ende der 70er Jahre: Eine brutale Mordserie erschüttert die schwule Leder- und SM-Szene, und der Täter kommt scheinbar aus den eigenen Reihen. Um die Verbrechen aufzuklären, wird der heterosexuelle Polizist Steve Burns als Lockvogel eingeschleust, da er optisch dem Typus der bisherigen Mordopfer entspricht. Ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel beginnt. Zurecht wurde William Friedkins berüchtigtem Crimethriller „Cruising“ Homophobie vorgeworfen – hassen sich darin die Schwulen doch so sehr, dass sie sich auf sadistische Weise gleich selbst umbringen. Doch für Peter Rehberg ist diese homofeindliche Botschaft so offensichtlich und lächerlich, dass eine Distanzierung nicht schwerfällt. Absolut sehenswert ist „Cruising“ noch heute, weil er ein faszinierendes Porträt der schwulen New Yorker Subkultur um 1980 zeichnet und mit einer Story voller Uneindeutigkeiten verwirrt. Über einen ambivalenten Klassiker des queeren Kinos.