Sweetheart

Sweetheart

Die introvertierte 17-Jährige AJ interessiert sich für die wirklich wichtigen Dinge. Zum Beispiel wie man Pullis für Elefanten strickt oder wie das Methan der Kühe unseren Planeten zerstört. Weniger begeistern kann sie sich für den anstehenden Familienurlaub: eine ganze Woche in einer stinklangweiligen Feieranlage an der Küste von Dorset – der blanke Horror! Doch dann begegnet sie der Rettungsschwimmerin Isla, die betörend nach Chlor riecht. Barbara Schweizerhof hat sich Marley Morrisons skurrile Coming-of-Age-Komödie angesehen und ein fein gesponnenes Drama um das schwierige Zu-sich-selbst-Finden einer lesbischen Teenagerin entdeckt.
Bros

Bros

In „Bros“ schliddert der New Yorker Dauer-Single und Queer-Podcaster Bobby fast zufällig in eine ernsthafte Beziehung – und manövriert sich mit Humor und Augenzwinkern durch die klassisch komplizierten Stationen einer Romanze bis hin zum anfangs ziemlich unwahrscheinlichen Liebesglück. Als „die erste RomCom eines großen Studios über eine schwule Beziehung“ preist der Verleih „Bros“ an, der jetzt mit großem Marketing-Getöse auch in Deutschland anläuft. Andreas Köhnemann über einen Film, der Spaß macht und die Formeln und Konventionen des Genres in entscheidenden Punkten variiert, aber vielleicht doch weniger revolutionär ist, als er verspricht.
Anima – Die Kleider meines Vaters

Anima – Die Kleider meines Vaters

Nach dem Tod ihres Vaters bekommt die Regisseurin Uli Decker von der Mutter seine „geheime Kiste“ als Erbe ausgehändigt. Der Inhalt – hochhackige Schuhe, künstliche Fingernägel, Schminke und eine Echthaarperücke – verändert ihren Blick auf den Vater, ihre Familie und die Gesellschaft, in der sie aufwuchs. In „Anima – Die Kleider meines Vaters“ erzählt sie die berührende Lebensgeschichte ihres Vaters als tragisch-komische Achterbahnfahrt durch animierte und dokumentarische Bilderwelten. Verena Schmoeller hat den Film, der dieses Jahr mit dem Max-Ophüls-Preis für den Besten Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde, für uns gesehen – und ist von der posthumen Begegnung zwischen Vater und Tochter sehr berührt.
SUPER 8: Interview mit Michael Brynntrup

SUPER 8: Interview mit Michael Brynntrup

„Sollte man gesehen haben“, schrieb Wiglaf Droste 1986 lakonisch in der taz über die „Intimität, Unmittelbarkeit und schnell entwickelte Situationskomik“ der Super-8-Filme von Michael Brynntrup. Als „ästhetisch gebrochen und pathetisch verrätselt: wunderschön ambitioniert“ charakterisierte sie Dietrich Kuhlbrodt 1990 in der Frankfurter Rundschau. Der neue Bild- und Textband von Michael Brynntrup zelebriert auf 400 Seiten die Magie des Phänomens Super 8. Als Mischung aus Werkschau und eigenständigem Opus lässt dieses, wie es der Künstler selbst nennt, „Materialbuch“ Fotos, Grafiken und Zeichnungen auf Tagebucheinträge, Rezensionen und Filmskizzen treffen. Christian Lütjens hat mit Brynntrup über das Buch, grenzenlose Kunst und die wilden 80er gesprochen.
Kim de l’Horizon: Blutbuch

Kim de l’Horizon: Blutbuch

Unter viel Jubel hat Kim de l’Horizon zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den Deutschen Buchpreis für „Blutbuch“ entgegengenommen – und anschließend statt einer klassischen Dankesrede einen London-Grammar-Song ins Mikro gehaucht und sich aus Solidarität mit protestierenden Frauen im Iran auf der Bühne die Haare abrasiert. Der bewegende Auftritt war eine konsequente performative Weiterentwicklung seines genderqueer-poetischen Roman-Experiments; eine kämpferische Sternstunde nicht nur für Kim de l’Horizon selbst, sondern auch für die eher gesetzte, honorige Institution Buchpreis. Eine furiose Werbung für „Blutbuch“, dessen Entstehung sich für de l’Horizon laut eigener Aussage im Schweizer Podcast „Blattgold“ anfühlte, „wie meine eigene Prophezeiung zu schreiben“, war es sowieso. Sissy gratuliert von Herzen und empfiehlt Anja Kümmels Einführung in den „Blutbuch“-Kosmos.
The Schoolmaster Games

The Schoolmaster Games

An der St.-Sebastian-Akademie sind alle Studenten schwul, jedes Seminar dreht sich um Homosexualität und der Campus vibriert nur so vor erotischen Ränkespielen. Machtzentrum ist der strenge Schuldirektor, der mit seinem Lieblings-Zögling Charles die Schoolmaster Games veranstaltet, ein Sexspiel mit klarer Rollenverteilung. Bis eine mysteriöse Nachricht alles durcheinander bringt... In ihrem vor originellen Ideen und skurrilen Figuren nur so sprühenden Langfilmdebüt erzählt die schwedische Regisseurin Ylva Forner auf Basis des gleichnamigen Romans von Kristofer Folkhammar von einem sagenhaften Ort zwischen schwulem Safe Space, musikalischem SM-Keller und sexueller Verbesserungsanstalt. Matthias Frings über einen schwer zu fassenden Genre-Hybrid, der seinen Stil in der lustvollen Aneignung findet – und im Oktober in der Queerfilmnacht zu sehen ist.
Vorurteil und Stolz

Vorurteil und Stolz

Der schwedische Stummfilm „Ikarus“ (1916) von Mauritz Stiller erzählt andeutungsreich von der Liebe zwischen einem schwulen Bildhauer und seinem Model – und gilt als eines der ersten Zeug-nisse des queeren Kinos überhaupt. Eva Beling hat sich in den schwedischen Filmarchiven auf die Suche nach dieser und anderen queeren Geschichten, Figuren und Momenten gemacht – und eine ganze Schatztruhe geborgen, mit der sie die Entwicklung von den Anfängen bis zu Filmen wie „Something Must Break“ (2014) und „Als wir tanzten“ (2019) nachzeichnet. Jochen Werner fühlt sich von Belings rebellischer Neulektüre einer ganzen nationalen Kinematographie zu vielen neuen Filmsichtungen inspiriert – und wünscht sich, dass irgendwer einen vergleichbaren Film auch einmal dem deutschen Kino widmen möge.
Rex Gildo – Der letzte Tanz

Rex Gildo – Der letzte Tanz

Er sah blendend aus, konnte singen und tanzen, verkaufte 40 Millionen Schallplatten, wirkte in über 30 Filmen mit, und „Fiesta Mexicana“ konnte jedes Kind mitsingen. Rex Gildo war ein deutscher Star, doch dass er und sein Entdecker und Ziehvater Fred Miekley über Jahrzehnte ein Liebespaar waren, wussten nur enge Vertraute. Halb fiktional, halb dokumentarisch erzählt Rosa von Praunheim in seinem neuen Film das Leben der Schlagerlegende als die tragische Geschichte eines Unterhaltungskünstlers, der sich in der repressiven 1950er und 60er Jahren zu einem Doppelleben gezwungen glaubte und auch später nie den Ausbruch aus seinem Versteck wagte. Andreas Wilink fühlt sich bei dem Sujet an Douglas Sirk erinnert, spürt aber auch den unverwechselbaren Rosa-Touch.
Stephen Spender: Der Tempel

Stephen Spender: Der Tempel

Vermächtnis, Zeitdokument, großartiges Spätwerk – schon bei der Erstausgabe im Jahr 1988 haftete dem Roman „Der Tempel“ etwas Epochales an. Stephen Spender (1909-95) lässt in dem Buch seine Künstlerfreunde Christopher Isherwood, W. H. Auden und Herbert List (wenn auch unter Pseudonymen) auftreten und erinnert sich an einen Sommer im Hamburg des Jahres 1929, in dem er mit den Genannten das grenzenlose, wenn auch trügerische Freiheitsgefühl der Weimarer Republik ausgekostet hatte. Spender erzählt von einer Welt großer Freizügigkeit, aber auch von ihrem Niedergang im Zuge der erstarkenden Bewegung der Nationalsozialisten. Anlässlich der Neuauflage des Romans im Albino Verlag hat Tilman Krause ihn wieder gelesen – und darin den späten Triumph eines Schriftstellers entdeckt, der das öffentliche Schwulsein lange seinen Kollegen überließ.
Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?

Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?

Der ägyptische Regisseur und Autor Mohammad Shawky Hassan erzählt in seinem sinnlichen Debütfilm „Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?“ eine vielstimmige, nicht-heteronormative Variante von „Tausendundeine Nacht“ – und entwirft darin einen überzeitlichen Safe Space, in dem persönliche und kollektive Erinnerungen mit ganz gegenwärtigen Hoffnungen und Träumen zusammenklingen. Andreas Wilink reiht für sissy die vielen amourösen Referenzperlen auf, die in dem metareflexivem Liebesreigen nebeneinander glänzen.