Articles Written By: Andreas Köhnemann

This author has written 217 articles
I.V. Nuss: R-O-N=O

I.V. Nuss: R-O-N=O

Was bedeutet es, wenn Queerness zur Allegorie wird? Was, wenn wir die ekstatische Überschreitung der Realität, die mit der „Ontologie“ des Transsexuellen verbunden ist, nicht als bloße Metapher, sondern als Aufgabe betrachten? Diesen Fragen widmet sich I.V. Nuss in ihrem zweiten Roman „R-O-N=O“ – unter anderem. Nuss’ literarisches Debüt „Die Realität kommt“ charakterisierte Anja Kümmel in ihrer sissy-Rezension als „wilden Ritt durch die Welten“ und als „Höllenspaß“. Im Nachfolger hat Kevin Junk eine nicht minder wilde Mischung aus Roadtrip, SciFi-Story, Furry-Manifest, Transitionsbericht und popliterarischem Experiment gefunden.
Edward II (1991)

Edward II (1991)

In „Edward II“ (1991) erzählt Derek Jarman frei nach dem Stück des Shakespeare-Zeitgenossen Christopher Marlowe von einer schwulen Liebe, die eine homophobe Gesellschaft ins Chaos stürzt. Kein Historienschinken, keine langweilige Geschichtsstunde, sondern ein obsessiv-experimentelles Plädoyer für eine Welt, in der die Leidenschaftlichen nicht den Machtspielen und Intrigen zum Opfer fallen und als Verbrecher diskriminiert werden. Andreas Wilink über ein radikal modernes Kunstwerk, das die Anachronismen zelebriert.
Dreamers

Dreamers

„Dreamers“ rückt das Schicksal zweier Frauen in den Fokus, die gemeinsam den entmenschlichenden Prozessen des britischen Einwanderungssystems trotzen. Dabei konzentriert sich Regisseurin Joy Gharoro-Akpojotor „auf die individuellen Schicksale ihrer Figuren, ihre Ängste, Wünsche und Hoffnungen, und nimmt damit der kollektivierenden Sprache der Politik und Medien den Wind aus den Segeln, in der „die ,Migrant:innen‘, ,die Asylbewerber:innen‘ oftmals zu einer amorphen Masse verschwimmen.“ Anja Kümmel über einen Film, der im festen Glauben an die Freiheit und die Liebe enstand.
Eva Baltasar: Mammut

Eva Baltasar: Mammut

Als eine „sprachgewaltige und sehr originelle Autorin“ pries Pedro Almodóvar die katalanische Autorin Eva Baltasar. Nun ist erstmals einer ihrer Romane auf Deutsch erschienen. In „Mammut“ geht es um eine junge Frau, die, frustriert von ihrem schlecht bezahlten Uni-Job und ihren erfolglosen Versuchen, schwanger zu werden, beschließt, ein ursprüngliches und einfaches Leben fernab urbaner Zivilisation zu führen. Anja Kümmel hat die deutsche Version von „Mammut“ ebenso gelesen wie die spanischen Fassungen der beiden zuvor erschienenen Romane von Eva Baltasar – und dabei eine Autorin entdeckt, die brillant, komisch und zielstrebig zum Kern des Wesentlichen vordringt.
Enrico Ippolito: Modesta

Enrico Ippolito: Modesta

Was hält unsere Beziehungen zusammen? Wann beginnt sexuelle Freiheit? Und wie entkommen wir unserer Herkunft? Um all diese Fragen kreist „Modesta“, der neue Roman des deutsch-italienischen Schriftstellers Enrico Ippolito. Das Buch schildert zwölf Stunden im Leben eines Verlassenen. Während die beste Freundin eine Party für ihn vorbereitet, um ihn von der plötzlichen Trennung seines Exfreunds abzulenken, schlendert er gedankenverloren durch die Stadt. Dabei holen ihn die Phantome der Vergangenheit ein, allen voran die Moralhüterin Modesta. Aber auch Virginia Woolf, Boris Vian und der queere Zeitgeist spuken durch diesen Roman. Angelo Algieri hat sich von dem Buch irritieren und inspirieren lassen.
Lilies Not For Me

Lilies Not For Me

Was ist wichtiger: ein respektables Leben zu führen oder authentisch zu lieben? Basierend auf historischen Ereignissen zeigt „Lilies Not For Me“ das erschütternde Porträt eines schwulen Überlebens in einer der dunkelsten Perioden für queere Menschen. Doch bei aller Härte verbietet die Inszenierung es sich nicht, zugleich durch viele charmante, sinnliche, hochgradig erotische Augenblicke zu bestechen, schreibt Andreas Köhnemann, und zu entscheiden, wann es Zeit ist, lieber bunte Blumen wachsen zu lassen und beherzt in eine saftige Orange zu beißen, statt vor der von außen kommenden Gewalt zu kapitulieren.
Pink Narcissus (1971)

Pink Narcissus (1971)

Halbzeit bei den Queer Cinema Classics! 50 Bahnbrecher:innen des nicht-heteronormativen Kinos haben wir Euch in den letzten knapp zwölf Monaten schon vorgestellt, auf 50 weitere dürft Ihr Euch noch freuen. Das Bergfest feiern wir natürlich mit ganz viel Glamour und der Erinnerung an James Bidgoods campes Meisterwerk „Pink Narcissus“ (1971). Mit glitzernden Traumwelten revolutionierte der amerikanische Künstler Bidgood in den 1960er Jahren die Fotografie. Seine schillernden Inszenierungen nackter junger Männer in überbordenden Kulissen lassen sich ganz aktuell in dem neuen Bildband „Dreamlands“ wieder- oder neuentdecken. In seinem einzigen Film „Pink Narcissus“ zelebriert Bidgood vor allem die Schönheit seiner Muse Bobby Kendall, den er im Wechsel als Torero, römischen Sklave, Stricher oder verliebten Draufgänger stilisiert – und immer als begehrenswerten Narziss. Jochen Werner über ein faszinierendes Artefakt und wie man es heute zu fassen bekommt.
Die Konsequenz (1977)

Die Konsequenz (1977)

Wolfgang Petersens kontroverse Verfilmung des autobiografischen Romans von Alexander Ziegler mit Jürgen Prochnow und Ernst Hannawald in den Hauptrollen wurde 1978 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Im Jahr zuvor hatte der Bayerische Rundfunk die Ausstrahlung in der ARD noch boykottiert. „Die Konsequenz“ erzählt die Geschichte des Schauspielers Martin, der sich im Gefängnis in Thomas, den Sohn eines Aufsehers verliebt. Nach Martins Entlassung ziehen die beiden zusammen, Thomas Eltern erzwingen daraufhin dessen Einweisung in eine Erziehungsanstalt. Martin muss miterleben, wie der sensible junge Mann dort mehr und mehr zerbricht. Andreas Wilink über einen Film, der die düstere gesellschaftliche Realität für schwule Männer Ende der 70er nachbildet – und teilweise noch immer aktuell ist.
Noch bin ich nicht, wer ich sein möchte

Noch bin ich nicht, wer ich sein möchte

In welcher Welt lebe ich? Wer bin ich? Wie möchte ich leben? Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 stellt sich die junge Fotografin Libuše Jarcovjáková genau diese Frage und versucht mit ihren Bildern den Zwängen des repressiven tschechoslowakischen Regimes zu entkommen. Sie geht auf die Straßen von Prag, in verstaubte Kneipen, zur Nachtschicht in eine Druckerei, in die Communities der Roma und vietnamesischen Migrant:innen. Schnappschüsse von Nacktheit, Sex und Alkohol wechseln sich ab mit Bildern von Lethargie und Restriktionen. Aus einem Werk von zehntausenden Negativen und dutzenden Tagebüchern hat Klára Tasovská einen poetischen Filmessay montiert. „Noch bin ich nicht, wer ich sein möchte“ erzählt von einem besonderen Künstlerinnenleben und einer bewegenden Reise in die Freiheit, die sich über sechs Jahrzehnte spannt und von der sowjetisch „normalisierten“ ČSSR der späten 1960er und frühen 70er über das Ost-Berlin der 80er bis ins Prag nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und von heute führt. Ab heute ist der Film im Kino zu sehen. Alexandra Seitz über die tiefschürfende (Selbst-)Beobachtung einer großen Fotografin.
Sister My Sister (1994)

Sister My Sister (1994)

Frankreich 1933. Christine und ihre jüngere Schwester Lea arbeiten als Dienerinnen bei der herrischen Madame Danzard und ihrer Tochter Isabelle. Die Schwestern erledigen wortlos alle Aufgaben und ertragen jede Demütigung, weil sie sich auf diese Weise nah sein können. Nachts wird ihre Beziehung in der Zurückgezogenheit ihrer Dachkammer derweil immer körperlicher, ja rauschhafter. Doch dann bemerkt Madame Danzard erste Nachlässigkeiten im Haushalt. Nancy Mecklers Film beruht auf dem berüchtigten Kriminalfall um Christine und Léa Papin, der sich 1933 in Le Mans zugetragen hat und bereits Jean Genet zu seinem Theaterstück „Die Zofen“ inspirierte. „Sister My Sister“ ist zugleich messerscharfe soziale Klassenstudie und berührende Geschichte einer verbotenen Liebe. Anja Kümmel über ein vielschichtiges und aufregendes filmisches Wagnis.