Michael Sollorz (Autor)

Hervé Guibert: Verrückt nach Vincent / Reise nach Marokko

Hervé Guibert: Verrückt nach Vincent / Reise nach Marokko

Hervé Guibert (1955-1991) wurde in Deutschland durch das Protokoll seiner Aids-Erkrankung „Dem Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat“ berühmt. Seine schriftstellerische Karriere hatte jedoch schon zehn Jahre zuvor mit kleinen, intensiven Erzählungen begonnen. In zwei davon verarbeitet Guibert seine Beziehung zu Vincent, einem jungen Mann, den er 1981 auf einer Reise durch Marokko kennenlernte und dem er bis kurz vor seinem Tod in einer Art Hassliebe verbunden blieb. Zu Guiberts 30. Todestag erscheinen beide Erzählungen nun erstmals zusammengefasst in einem Band. Michael Sollorz über ein Multitalent und dessen literarische Befreiungsschläge.
Wyndham Lewis: Die Affen Gottes

Wyndham Lewis: Die Affen Gottes

„Das Beste ist, wenn man das Schlimmste über die Leute weiß“. Getreu dieser Maxime ist der Roman „Die Affen ­Gottes“, der 1930 erschien und jetzt erstmals auf Deutsch vorliegt, eine ebenso komische wie brachiale Abrechnung mit jenem Milieu, das sein Autor, der Maler, Avantgardist und Gründer der Vortizisten-Gruppe Wyndham Lewis, bestens kannte: der Londoner Kunstwelt der 1910er und -20er Jahre. Von Lewis in greller Überzeichnung vorgeführt, bringt das ­Personal dieser monströsen, 776-Seiten starken Farce ein veritables Welttheater zur Aufführung, das in einem mehrere hundert Seiten langen Karneval grotesker Masken gipfelt. Michael Sollorz ist begeistert, wie klug und zynisch, boshaft und zuweilen albern Lewis sein Seziermesser ansetzt.
Ralf König: Vervirte Zeiten

Ralf König: Vervirte Zeiten

Zwischen März und Oktober 2020 erfreute Ralf König seine Fans auf Facebook und Instagram täglich mit Kurzcomics zum Leben und Lieben seines schwulen Kultpaars Konrad und Paul in Zeiten von Corona. In den Kommentaren wurde stets danach gefragt, ob es das auch bald als Buch gäbe. Nun hat König sämtliche Folgen im Band „Vervirte Zeiten“ zusammengefasst. Michael Sollorz hat das Pandemie-Tagebuch in Comicstripform gelesen und das Wiedersehen mit den Knollennasen wie ein Nach-Hause-Kommen empfunden.
Ahmad Danny Ramadan: Die Wäscheleinen-Schaukel

Ahmad Danny Ramadan: Die Wäscheleinen-Schaukel

Zwei Männer lernen sich im kriegszerrütteten Syrien kennen und verlieben sich einander. Über Beirut und Kairo können sie zusammen nach Vancouver fliehen. Ihre zurückgelassene Heimat bleibt in fantasievollen Geschichten erhalten, als einer der beiden vier Jahrzehnte später versucht, den anderen am Sterbebett am Leben zu halten. Ein Mosaik aus Eindrücken einer Kindheit in Damaskus, von heimlicher Liebe, Homophobie und Gewalterfahrungen des Krieges, aber auch von Hoffnung und gewonnener Freiheit. „Die Wäscheleinen-Schaukel“ von Ahmad Danny Ramadan, der selbst 2012 von Syrien nach Kanada geflohen ist, wurde 2019 von The Independent unter die 30 besten Debütromane gewählt. Unser Autor Michael Sollorz über eine kühne Erzählung, die die Dringlichkeit des Erinnerns demonstriert.
Mario Cruz: Der Prinz

Mario Cruz: Der Prinz

Chile, Anfang der 1970er Jahre. Am Ende einer durchzechten Nacht ersticht der junge Jaime seinen heimlich begehrten besten Freund. Im Gefängnis wird der gefürchtete El Potro zu Jaimes Beschützer, fordert hierfür jedoch Loyalität und sexuelle Unterordnung. Mit seinem Roman "Der Prinz" führt uns Mario Cruz in eine Welt der Hierarchien und Machtproben, deren Doppelbödigkeit er in knapper, schnörkelloser Sprache offenlegt. Der 1972 im Selbstverlag gedruckte Roman avancierte in Chile zunächst zum Underground-Hit, geriet nach der Machtergreifung Pinochets aber in Vergessenheit und wird nun zum ersten Mal wieder veröffentlicht. Michael Sollorz über ein Buch, das erstaunt und direkt in die Vollen geht.
Beautiful Thing

Beautiful Thing

Mit der kleinen Liebesgeschichte von Jamie und Ste, den Nachbarjungs aus der Hochhaussiedlung, rührte Hettie MacDonalds „Beautiful Thing“ seit 1996 ungezählte Filmfanherzen. Ein Feelgoodmovie aus schwierigen Umständen, Coming-Out-Klassiker und ein kleines Stück Utopia, ohne das man, wie unser Autor Michael Sollorz weiß, nicht menschenwürdig leben kann. Wer „Beautiful Thing“ nicht kennt, hat was verpasst und kann das nachholen: Der Film steht ab 9. Juli in restaurierter Fassung als Stream zum Ausleihen und Kaufen im Salzgeber Club zur Verfügung.
Louise Erdrich: Die Wunder von Little No Horse

Louise Erdrich: Die Wunder von Little No Horse

Nach einem Unwetter nimmt die Farmerswitwe Agnes die Identität des katholischen Missionars Father Damien an und leitet bis ins hohe Alter eine kleine Gemeinde im Indianerreservat. Der bereits vor 20 Jahren verfasste Roman "Die Wunder von Little No Horse" der amerikanischen Autorin Louise Erdrich dringt tief in die Persönlichkeit seiner Heldin ein, die ihr wahres Geschlecht verleugnet, um Gott zu dienen. Der Vergleich zu Michael Roes' Roman "Herida Duro" (2019) drängt sich auf und zeigt große Unterschiede. Michael Sollorz ist Louise Erdrich in die Trostlosigkeit des Indianerreservats gefolgt.
Nell Zink: Virginia

Nell Zink: Virginia

Lesbisch, schwul oder hetero, weiß oder schwarz: Nell Zink jongliert in ihrem zweiten Buch "Virginia" mit Selbstbezeichnungen und Fremdzuschreibungen – und tritt dabei bewusst in jedes nur denkbare Fettnäpfchen. Ein sehr amerikanischer Roman, der in den Sechzigerjahren spielt, in die die Autorin (Jahrgang 1964) hineingeboren wurde. Michael Sollorz über Zinks fantasievolle und leicht verrückte Versuchsanordnung.
Stephan Phin Spielhoff: Der Himmel ist für Verräter

Stephan Phin Spielhoff: Der Himmel ist für Verräter

Heinrich Heine schrieb über die Liebe: "Es ist eine alte Geschichte, und ist doch immer neu". Und die Literaturgeschichte beweist seitdem, wie recht er hatte. Die allerneuste "alte Geschichte" stammt von Stephan Phin Spielhoff. Menschen mit Berufen, die es vor 20 Jahren noch nicht gab, erfinden sich ihre eigene Welt, ein irres Mosaik aus ganz Neuem und ziemlich Altem, und mitten drin, quasi als Kontrastmittel, die Freude und der Schmerz der Liebe. Spielhoff, Jahrgang 1983, lässt sich sprachlich auf die Welt ein, von der er erzählt, in einem bunten Mix aus Deutsch, Englisch und Internetsprech. Michael Sollorz, Jahrgang 1962, hat sich dem Text in einem Selbstversuch ausgesetzt und ist beeindruckt. Tipp für alle Berliner*innen: Am Donnerstagabend stellt Spielhoff seinen Roman persönlich in der Buchhandlung Hundt Hammer Stein (Alte Schönhauser Straße 23-24) vor.
Dennis Cooper: Mein loser Faden

Dennis Cooper: Mein loser Faden

Der US-Schriftsteller Dennis Cooper wurde in den 90er Jahren durch seinen Roman-Zyklus "George Miles" ("Ran", "Sprung", "Dreier", "Fort", "Punkt") berühmt. Heute lebt der Outlaw-Autor in Paris, wo er sich auch als transgressiver Filmemacher ("Like Cattle Towards Glow") betätigt und einen berüchtigten Blog schreibt. Im Luftschacht Verlag ist nun in deutscher Übersetzung ein Roman aus dem Jahr 2002 erschienen: "Mein loser Faden", entstanden kurz nach dem Amoklauf von Columbine, wirkt auf den europäischen Leser wie eine Art Gebrauchsanweisung für Amerika. Jenseits aller vermeintlicher Gemeinsamkeiten des "Westens" erkundet er – wie viele andere Werke des Autors – die Einsamkeit und Ratlosigkeit der Menschen in einer Welt, die vom Recht des Stärkeren regiert wird und deren Waffengesetze es erlauben, dass jeder "für 15 Minuten" der vermeintlich Stärkste sein kann. Für uns schreibt Michael Sollorz, der selbst schon Cooper ins Deutsche übersetzte hat, über ein abseitiges Jugendporträt, dem man sich als Leser*in nur schwer entziehen kann.