Vier Mütter für Edward
Trailer • Kino
Frei nach dem italienischen Erfolgsfilm „Ein Festmahl im August“ wird in „Vier Mütter für Edward“ ein netter schwuler Jugendbuchautor erst zum Pfleger seiner eigenen Mutter und hat plötzlich ein ganzes Mütterquartett im Haus. Die stellen allerlei amüsanten Unfug an, sorgen aber auch für viele berührende, wahrhaftige Momente. Ein entspannter, großherziger Film, der „wie eine in Watte gepackte Screwball Comedy“ daherkommt, schreibt sissy-Autor Christian Horn.

Pandora Film / Dexter Films DAC.
Unverstellte Menschlichkeit
von Christian Horn
Eigentlich steht für den irischen Jugendbuchautor Edward (James McArdle) eine mehrtägige, längst durchgeplante Lesereise durch die USA an. Doch weil der Mittdreißiger seine Mutter Alma (Fionnula Flanagan) pflegt, die seit einem Schlaganfall über einen Sprachcomputer kommuniziert und bei allem auf Hilfe angewiesen ist, kippelt der Termin. Und dann geben auch noch drei seiner Kumpels ihre jeweiligen Mütter kurzerhand bei Edward in Pflege, weil sie zu einem spontanen Pride-Wochenende nach Spanien fliegen wollen. Zusätzlich zu Alma hat Edward nun auch die Verantwortung für Maude (Stella McCusker), Jean (Dearbhla Molloy) und Rosie (Paddy Glynn), die alle im kleinen Haus der Mutter unterkommen und jeweils einen bunten Strauß an Eigenheiten mitbringen. Und plötzlich wird die für Edward so erfolgversprechende Buch-Tour in Übersee zu „dieser optionalen Sache“.
Wem diese Story bekannt vorkommt, kennt womöglich das italienische Original „Ein Festmahl im August“, mit dem der Regisseur Gianni Di Gregorio im Jahr 2008 einen viel gesehenen Publikumsliebling vorgelegt hat. Der Ire Darren Thornton („A Date for Mad May“) liefert nun seine eigene Version des tragikomischen Stoffs – die zwar eindeutig ein Remake ist, aber auch Ideen hat, die über den Schauplatzwechsel von Rom nach Dublin hinausgehen. Die markanteste Änderung: Edward und seine Freunde sind schwul – und die pflegebedürftigen Mütter haben durchaus unterschiedlichen Ansichten dazu. Die queere Grundierung ist das Gegenstück zum Fokus auf das Essen, das in der italienischen Variante eine Schlüsselrolle spielt.
Auffällig ist, wie liebevoll alle Figuren in „Vier Mütter für Edward“ gezeichnet sind und wie grundsätzlich lebensbejahend der Film ausgerichtet ist – ohne aber tiefer gehende Probleme und Schwierigkeiten einfach glattzubügeln. Freud und Leid liegen in „Vier Mütter für Edward“ so nah beisammen wie sie es mitunter im echten Leben tun – gerade auch bei der Pflege von Angehörigen, die Menschen zwar an mentale und körperliche Grenzen bringt, aber auch wahrhaftige Momente der Liebe schenken kann. Genau diese Dynamik zwischen Selbstaufgabe, alltäglichem Glück und unverstellter Menschlichkeit treibt den Film im Innersten um.
Eine große Qualität von „Vier Mütter für Edward“ ist auch die betont bodenständige und unaufgeregte Erzählweise. Der potentielle Trubel, der im vollen Haus mit vier meinungsstarken Pflegebedürftigen entstehen könnte, findet hier vielleicht auch altersbedingt in angenehm gemächlicher Weise statt. So entsteht eine sanfte Tragikomödie, die mit ihrer entspannten Atmosphäre, der gedeckten Farbpalette und dem gezielten Einsatz meist ruhiger Musik wie eine in Watte gepackte Screwball Comedy wirkt. Nur in wenigen Szenen, wenn etwa ein Splitscreen die Pflegesituation neben eine queere Party der Verreisten setzt, bricht Darren Thornton mit dem sonst fast minimalistischen Inszenierungsstil. Einerseits trägt die relaxt-reduzierte Machart zum lebensnahen Gefühl bei, das die Geschichte vermittelt. Andererseits legt sie den Fokus umso mehr auf das tolle Ensemble.

Pandora Film / Dexter Films DAC.
James McArdle überzeugt in seiner Rolle als grundsympathischer Edward, der sich im Film einmal als „pleite, verwirrt und wohnungslos“ bezeichnet und dem bei aller freiwilligen und aufgedrückten Fürsorgepflicht das eigene Leben davonzugleiten droht. Edward steht merklich neben sich und setzt bei dem Versuch, etwas daran zu ändern und sich eigene Freiräume zu schaffen, zu zaghaft an. Die Telefonate mit seinem Verlag führt er im Auto, weil er nur dort Ruhe hat; und wenn er daran denkt, Alma für die Reisedauer der geplanten Buchtour bei einer Kurzzeitpflege unterzubringen, kriecht ihm eine Panikattacke den Nacken hoch. So ist den ganzen Film über für alle gesorgt – nur für Edward nicht.

Pandora Film / Dexter Films DAC.
Nach und nach wird der in sich gekehrte Autor von den vier Damen aus der Reserve gelockt. Mal nehmen sie ihn mit Fragen nach den Gründen für seine Therapie in die Mangel, mal nötigen sie ihn, an einer Séance teilzunehmen, mal büxt eine aus, um noch einmal in einer Karaokebar aufzutreten. Die entwaffnende Schlagfertigkeit der Frauen, die als Gruppe eine ganze Palette an guten wie schlechten mütterlichen Eigenschaften abdecken, fordert Edward immer mehr dazu heraus, seine eigene Lebenssituation zu überdenken. Nach und nach haben alle der vier Damen Lebensweisheiten parat, die ihren Pfleger nachdenklich machen.
Was bleibt, ist ein skurriles, witziges Lebensdrama, in dem viele kleine Wahrheiten aufblitzen und das ein großes Herz für alle Charaktere hat. Und das viel mehr ist, als eine bloße Kopie des Originals.
Vier Mütter für Edward
von Darren Thornton
IR 2025, 89 Minuten, FSK 6,
englische OF mit deutschen UT oder deutsche SF
Pandora Films
Ab 10. Juli im Kino