Kater

Trailer

Szenen einer Beziehung zeichnet Händl Klaus in seinem zweiten Spielfilm nach, der sich zunächst wie eine Satire auf bürgerliche schwule (weiße, westliche, …) Lebensmodelle anfühlt, so behaglich ist das gemeinsame Glück der musisch veranlagten Männer mit ihrer Hauskatze Moses ausbuchstabiert. Doch weder macht sich der neugierige Blick des Regisseurs über seine Figuren lustig, noch erscheint diese schwule Idylle ungefährdet. Die internationale Jury des Teddy-Awards, die „Kater“ als besten queeren Spielfilm des diesjährigen Berlinale-Programms auszeichnete, betonte sein „packendes“ und „verwirrendes“ Potential, das unser Autor auf seine großdimensionierte Symbolebene zurückführt, aber auch auf die Genauigkeit und Lässigkeit, die „Kater“ in Anlehnung an das „New Wave Queer Cinema“ findet. Ein faszinierender, schillernder Beziehungsfilm.

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Sanfter Katzenjammer

von Sebastian Markt

Von dem Nachleben einer Katastrophe erzählte „März“ (2008), der erste Spielfilm des österreichischen Autors, Dramatikers und Filmemachers und gelegentlichen Schauspielers Händl Klaus. Am Beginn des Werks, das in Locarno den Silbernen Leoparden für das beste Debüt gewann, steht der kollektive Selbstmord dreier junger Männer, ein Selbstmord ohne Erklärung, ohne Abschied und ohne Botschaft. Die eigentliche Erzählung setzt einige Monate tief im Danach ein und beobachtet das Weiterleben der Hinterbliebenen als Mittelbarkeit zu einem Verlust. Von einem gewaltsamen Einbruch, der Zer/Störung einer Ordnung, und der Unlesbarkeit einer veränderten Landschaft, die doch durchschritten werden will, handelt auch Händl Klaus‘ zweiter Film.

Es gibt in „Kater“ ein ausgedehntes Vorher, einen Zustand vor dem Fall, der sich über lange Zeit gar nicht als ein Vorher, sondern eben als Zustand zeigt. Stefan (Lukas Turtur) und Martin (Philipp Hochmaier), Hornist und Orchester-Disponent bei den Wiener Symphonikern, leben mit ihrem Kater Moses in einem schönen Haus am Wiener Stadtrand, sprechen die Privatsprache eines vertrauten Paares, umgeben von Freund*innen, in einer gelingenden Zweisamkeit, mit gelegentlichen Anläufen zur wohltemperierten Libertinage. Ein Idyll, das sich immer als ein gemeinsam geschaffenes zeigt. In das bestellte Glück bricht auch in „Kater“ eine Art Katastrophe ein, schockartig, eruptiv und gewalttätig zum einen, zugleich erst im Laufe der Zeit in ihrer Gestalt und Konsequenz ermess- und erfahrbar. So gibt es in „Kater“ dann auch ein großes Nachher, nach der Katastrophe, die einen Vertrauensinfarkt bewirkt, ein unmittelbares Verhalten erzwingt, vor allem aber eine Neuausrichtung des Umgangs miteinander, dem viele bisher vertraute Gewissheiten verloren gegangen sind. Aus der Bahn geworfen sind sie alle beide, und auf der Suche nach einem Weg, den Schwindel zu integrieren. Zwei Menschen, die an etwas festzuhalten suchen, das ganz plötzlich zu entschwinden droht. Zwei Männer, die in ihrer langen Beziehung einen Punkt erreichen, an dem es plötzlich keine Wegweiser mehr gibt. Zwei Körper, die nach Anziehung und Hingabe in Distanz verharren. Als der eine dem anderen tief in der zweiten Hälfte einmal ins Auge sieht und fragt: „Wer bist Du?“, ist es eine Frage, die keine rhetorische Geste ist, sondern der unverstellte Ausdruck einer tiefen und antwortlosen Verunsicherung. Eine Erfahrung von Angst, die von beiden Besitz ergreift.

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Den Teddy-Award der Berlinale 2016 bekam Händl Klaus aus den Händen von Ira Sachs überreicht, eines Filmautors, dessen Werk der Regisseur zu entscheidenden Kinoerfahrungen zählt, und dessen „Keep the Lights On“ (2012) eine wichtige Referenz auch für „Kater“ darstellt. Sachs wird gerne zum engeren Kreis einer „New Wave“ im Queer Cinema gezählt. Das Kino, das unter dem Begriff, der seit ungefähr fünf Jahren zirkuliert, beschrieben wird, markiert weniger eine Abkehr vom „New Queer Cinema“ der frühen 1990er Jahre, das in einer avantgardistischen Poetik gesellschaftlicher Ränder nach einer filmischen Form marginalisierten Begehrens suchte, als eine Reaktion auf die drohende Kanonisierung von an großen politischen und diskursiven Formationen orientierter Erzählformen. Stattdessen suchte dieses Kino eine cinematografische Hinwendung zu Alltag und Intimität.

„Kater“, der seine eigenen Wege geht, hat Momente größerer und geringerer Nähe zu einem solchen Kino. Verwandt erscheint er etwa in seinem Zugang zur Sexualität und ihrer – mitunter expliziten – Darstellung, die nicht in eine abgesonderte und formatierte Grammatik der Sexszene exiliert wird, sondern die, als eine im emphatischen und einem genuin filmischen Sinne zu erzählende Form von Körperlichkeit, Begehren und Gefühlslagen, in einem nahtloseren Kontinuum der Individualität seiner Figuren steht. Wo andererseits Filme von Andrew Haigh oder Travis Matthews ihre schwule Weltwahrheit gerade in der Vermeidung metaphorischer Ausdrucksformen realisieren, da ist „Kater“ von einer manchmal opulenten Symbolik durchzogen, von biblischen und mythologischen Motiven, einem Garten Eden und der Vertreibung daraus.

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„Kater“ handelt, darin folgt er „März“ nach, von einem Einspruch des Lebens gegen das Glück, eines Einspruchs, der seine eigene Bedeutung nicht ohne weiteres preisgibt. Dabei spürt er seinen Figuren nach, wie sie mit eben dieser Bedeutung ringen, wo sie Wege suchen, neuen Sinn zu schaffen, einen Alltag zu errichten nach einer Erfahrung, die jeden Sinn von Alltäglichkeit selbst angreift. Händl Klaus erweist sich dabei als feinfühliger Seismograph einer prekären Intimität, er zeichnet den Einzug einer existentiellen Ungewissheit nach, ist dabei mehr an Gegenwärtigkeit denn an Erklärungen interessiert, mit einem unaufgeregten, aber intensiven Blick, der einen weiten Bogen schlägt von sinnlicher Körperlichkeit zu groß skalierten Fragen von Sinn. Es ist ein Kino von ganz eigenwilliger Schönheit, so sanft und so verstörend zugleich.




Kater
von Händl Klaus
AT 2016, 114 Minuten, FSK 16,
deutsche OF

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