Articles Written By: Andreas Köhnemann

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Pink Narcissus (1971)

Pink Narcissus (1971)

Halbzeit bei den Queer Cinema Classics! 50 Bahnbrecher:innen des nicht-heteronormativen Kinos haben wir Euch in den letzten knapp zwölf Monaten schon vorgestellt, auf 50 weitere dürft Ihr Euch noch freuen. Das Bergfest feiern wir natürlich mit ganz viel Glamour und der Erinnerung an James Bidgoods campes Meisterwerk „Pink Narcissus“ (1971). Mit glitzernden Traumwelten revolutionierte der amerikanische Künstler Bidgood in den 1960er Jahren die Fotografie. Seine schillernden Inszenierungen nackter junger Männer in überbordenden Kulissen lassen sich ganz aktuell in dem neuen Bildband „Dreamlands“ wieder- oder neuentdecken. In seinem einzigen Film „Pink Narcissus“ zelebriert Bidgood vor allem die Schönheit seiner Muse Bobby Kendall, den er im Wechsel als Torero, römischen Sklave, Stricher oder verliebten Draufgänger stilisiert – und immer als begehrenswerten Narziss. Jochen Werner über ein faszinierendes Artefakt und wie man es heute zu fassen bekommt.
Die Konsequenz (1977)

Die Konsequenz (1977)

Wolfgang Petersens kontroverse Verfilmung des autobiografischen Romans von Alexander Ziegler mit Jürgen Prochnow und Ernst Hannawald in den Hauptrollen wurde 1978 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Im Jahr zuvor hatte der Bayerische Rundfunk die Ausstrahlung in der ARD noch boykottiert. „Die Konsequenz“ erzählt die Geschichte des Schauspielers Martin, der sich im Gefängnis in Thomas, den Sohn eines Aufsehers verliebt. Nach Martins Entlassung ziehen die beiden zusammen, Thomas Eltern erzwingen daraufhin dessen Einweisung in eine Erziehungsanstalt. Martin muss miterleben, wie der sensible junge Mann dort mehr und mehr zerbricht. Andreas Wilink über einen Film, der die düstere gesellschaftliche Realität für schwule Männer Ende der 70er nachbildet – und teilweise noch immer aktuell ist.
Noch bin ich nicht, wer ich sein möchte

Noch bin ich nicht, wer ich sein möchte

In welcher Welt lebe ich? Wer bin ich? Wie möchte ich leben? Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 stellt sich die junge Fotografin Libuše Jarcovjáková genau diese Frage und versucht mit ihren Bildern den Zwängen des repressiven tschechoslowakischen Regimes zu entkommen. Sie geht auf die Straßen von Prag, in verstaubte Kneipen, zur Nachtschicht in eine Druckerei, in die Communities der Roma und vietnamesischen Migrant:innen. Schnappschüsse von Nacktheit, Sex und Alkohol wechseln sich ab mit Bildern von Lethargie und Restriktionen. Aus einem Werk von zehntausenden Negativen und dutzenden Tagebüchern hat Klára Tasovská einen poetischen Filmessay montiert. „Noch bin ich nicht, wer ich sein möchte“ erzählt von einem besonderen Künstlerinnenleben und einer bewegenden Reise in die Freiheit, die sich über sechs Jahrzehnte spannt und von der sowjetisch „normalisierten“ ČSSR der späten 1960er und frühen 70er über das Ost-Berlin der 80er bis ins Prag nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und von heute führt. Ab heute ist der Film im Kino zu sehen. Alexandra Seitz über die tiefschürfende (Selbst-)Beobachtung einer großen Fotografin.
Sister My Sister (1994)

Sister My Sister (1994)

Frankreich 1933. Christine und ihre jüngere Schwester Lea arbeiten als Dienerinnen bei der herrischen Madame Danzard und ihrer Tochter Isabelle. Die Schwestern erledigen wortlos alle Aufgaben und ertragen jede Demütigung, weil sie sich auf diese Weise nah sein können. Nachts wird ihre Beziehung in der Zurückgezogenheit ihrer Dachkammer derweil immer körperlicher, ja rauschhafter. Doch dann bemerkt Madame Danzard erste Nachlässigkeiten im Haushalt. Nancy Mecklers Film beruht auf dem berüchtigten Kriminalfall um Christine und Léa Papin, der sich 1933 in Le Mans zugetragen hat und bereits Jean Genet zu seinem Theaterstück „Die Zofen“ inspirierte. „Sister My Sister“ ist zugleich messerscharfe soziale Klassenstudie und berührende Geschichte einer verbotenen Liebe. Anja Kümmel über ein vielschichtiges und aufregendes filmisches Wagnis.
Lola und Bilidikid (1999)

Lola und Bilidikid (1999)

Kreuzberg Mitte der 1990er. Murak ist 17 und schwul, aber das dürfen seine aus der Türkei stammenden Eltern nicht wissen. Auf einem seiner Streifzüge durch die verbotenen Parks und Schwulenbars lernt er die Dragqueen Lola kennen und freundet sich mit ihr an – ohne zunächst zu wissen, dass sie sein von der Familie verstoßener älterer Bruder ist. Als Lola eines Nachts ermordet wird, macht sich Murat mit ihrem Geliebtem Bilikid auf die Suche nach den Tätern. Kutluğ Atamans „Lola und Bilidikid“ ist eine funkelnde Perle des queeren Kinos aus Deutschland, die es unbedingt wiederzuentdecken gilt. Toby Ashraf hat sich auf die Spuren ihrer Entstehung gemacht, alte Drehorte besucht und mit Regisseur Ataman, Produzent Martin Hagemann und Darsteller Mesut Özdemir über den Film und das Leben danach gesprochen. Eine Liebeserklärung als Rekonstruktion.
Der Diener (1963)

Der Diener (1963)

Joseph Loseys „Der Diener“ aus dem Jahr 1963 gilt als meisterhaftes Kammerspiel der homoerotischen Subtexte und kühner Klassiker des queeren Kinos. Dirk Bogarde brilliert darin als  höchst kultivierter Diener Barrett, der den Haushalt des Playboys Tony leitet. Barretts zunächst ehrfürchtig-devotes Verhalten gerät dabei immer weiter in Schieflage, bis die Rollen von Herr und Diener gänzlich zu kippen drohen. Fritz Göttler über die vielen Ebenen der sehr britischen Studie über Macht, Männlichkeiten und Homosexualität.
Maurice (1987)

Maurice (1987)

Großbritannien im Jahre 1909: Maurice und Clive sind Collegeboys in Cambridge und verlieben sich ineinander. Um seine Karriere als Anwalt nicht zu gefährden, beendet Clive die Verbindung und stürzt seinen Geliebten in eine tiefe  Sinn- und Lebenskrise. Die löst sich erst, als Maurice den ungestümen Jagdaufseher Scudder kennenlernt. Regisseur und Drehbuchautor Jamey Ivory und sein Partner und Produzent Ismail Merchant galten jahrzehntelang als Dreamteam und Spezialisten für elegant-subtile Literaturverfilmungen und period pieces. "Maurice", nach dem gleichnamigen Roman von E. M. Forster, ist ihr explizitester Film und machte einen gewissen Hugh Grant zum Schwarm nicht weniger schwuler Männer. Matthias Frings blickt zurück auf ein bahnbrechendes Liebes- und Entwicklungsdrama, das zusammen mit drei weiteren queeren Filmen Mitte der 1980er Jahre das Coming-out des britischen Kinos markiert.
No Skin Off My Ass

No Skin Off My Ass

Ein Punk-Friseur mit besonderen Vorlieben gabelt in einem Park in Toronto einen hübschen jungen Skinhead auf. Er nimmt ihn mit nach Hause, zieht ihn aus, badet ihn und sperrt ihn im Schlafzimmer ein. Dem Skin gelingt die Flucht ins Apartment seiner Schwester, die ihn sofort ihrerseits als Darsteller für einen lesbischen Undergroundfilm missbraucht. Reumütig kehrt der Skin zum Friseur zurück, um sich seine eigenen sexuellen Wünschen zu erfüllen. Der erste Film von Bruce LaBruce, der selbst den Friseur spielt, hat auch nach 30 Jahren nichts von seiner lustvollen Kraft verloren. „No Skin Off My Ass“ gibt es jetzt in digital restaurierter Fassung im Salzgeber Club. Peter Rehberg über LaBruces campen Skin-Flirt und das queere Einmaleins.
In den besten Händen

In den besten Händen

Comiczeichnerin Raphaela und Verlegerin Julie sind seit zehn Jahren ein Paar, doch nun scheint ihre Beziehung am Ende zu sein. Bei einem Streit stürzt Raphaela und bricht sich den Arm. Die beiden landen in einer Pariser Notaufnahme. Während draußen Proteste toben, füllt sich das Krankenhaus mit verletzten Demonstrierenden. Das Personal ist am Limit; die Lage droht zu eskalieren. Als der LKW-Fahrer Yann zu Raphaela ins Zimmer verlegt wird, prallen Klassen-Ressentiments aufeinander. Nach ihrem lesbischen Liebesfilm „La Belle Saison – Eine Sommerliebe“ greift Catherine Corsini mit „In den besten Händen“ brandaktuelle Themen wie den Pflegenotstand und die Spaltung der Gesellschaft auf. Die Tragikomödie, die ihre Weltpremiere 2021 in Cannes feierte, gibt es jetzt auf DVD und BluRay. Anja Kümmel über einen Film, der mit Verve die Fragen unserer unübersichtlichen Gegenwart angeht.
Moneyboys

Moneyboys

Der junge Fei lebt in einer chinesischen Großstadt und verdient sein Geld als „Moneyboy“, als illegaler Sexarbeiter, um seine Familie auf dem Land zu unterstützen. Seine Verwandten akzeptieren zwar sein Geld, nicht aber seine Homosexualität. Fei beschließt, sein Leben neu zu ordnen, sich zur Liebe zu bekennen und Verantwortung zu übernehmen – für sich selbst und für seinen neuen Geliebten Long. Doch die Vergangenheit als „Moneyboy“ ist nicht so einfach abzustreifen … In seinem packenden Spielfilmdebüt erzählt C.B. Yi von der Verlorenheit eines jungen Mannes und einer ganzen Generation, die zwischen dem wirtschaftlichen und moralischen Druck der Gesellschaft in einer Sackgasse festzustecken scheint. „Moneyboys“, der in Cannes uraufgeführt und in Saarbrücken mit dem Max Ophüls Preis ausgezeichnet wurde, läuft im Juli in der queerfilmnacht und wird am 28. Juli regulär im Kino starten. Sebastian Markt über einen Film mit sanft gezeichneten Figuren im hartnäckigen Widerstand.