Horseplay

TrailerDVD/VoD

Eine Gruppe von Kumpels trifft sich in einer Villa, um für ein paar Tage das Nichtstun zu genießen. Die jungen Männer liegen in der Sonne, kühlen sich im Pool ab, trinken Bier, albern herum. Und sie machen Videos von sich – nackt und in sexuellen Situationen. Doch die offensichtlich homoerotische Anordnung bringt nach und nach immer mehr Abwehr, Homophobie und Gewalt zum Vorschein. Berger ist Spezialist für die filmische Darstellung südamerikanischer Männlichkeit. In „Horseplay“ treibt er seine erotische Formsprache auf die Spitze: Sinnlich fängt die Kamera die Beine, Arme und Torsi der athletischen Figuren ein – bis die Stimmung gefährlich zu kippen beginnt. Christian Horn über ein abgründiges Kammerspiel mit Adonissen, das es jetzt als DVD und VoD gibt.

Foto: Salzgeber

Von vorne, von hinten, von der Seite

von Christian Horn

„Horseplay” ist ein Hochsommerfilm, angesiedelt zwischen Weihnachten und Silvester. Das geht, weil der Film des argentinischen Regisseurs Marco Berger in einer Villa im Raum Buenos Aires spielt. Dort versammelt sich eine zehnköpfige Gruppe junger Männer, um den Jahresausklang miteinander zu verbringen. Der internationale Titel steckt ab, was die Jungs vor allem tun: herumalbern und sich balgen, Bier trinken und Joints rauchen, flache Witze und derbe Sprüche reißen, viel dösen. Und am Ende steht ein handfester Eklat.

Wie andere Filme von Marco Berger, der sich längst als wichtiger Vertreter des queeren Kinos etabliert hat und beim diesjährigen Berliner Queerfilmfestival mit einer Retrospektive geehrt wurde, hat auch das Kammerspiel „Horseplay“ eine rudimentäre Handlung. Erst gegen Ende kommt mehr Zug in die Narration. Was könnte Berger also daran interessieren, den Protagonisten beim ziellosen Abhängen zuzuschauen? Nun: Sie sehen alle sehr gut aus, Marke Fußballprofi.

Zu Beginn setzt eine ziemlich eindeutige Kameraeinstellung den Rahmen für die voyeuristische Stoßrichtung: Das Aufnahmegerät befindet sich auf Gesäßhöhe, als die nur mit Shorts bekleideten Männer nach und nach einen Flur entlanggehen. Eine Hinternparade, dann kippen die Männer einem schlafenden Kumpel Wasser über die Boxershorts, die natürlich weiß ist, wet shorts contest. Annähernd die Hälfte des Films besteht aus solchen Einsichten, was eine Konstante im bisherigen Filmschaffen Bergers ist. Der Regisseur lotet die Männerkörper von vorne, von hinten und von der Seite aus.

Die Stilmittel, die Berger bereits in Filmen wie „Plan B“, „Ausente” oder „Hawaii“ angewendet hat, prägen auch „Horseplay“. Neben der unverhohlen voyeuristischen Inszenierung ist der Fokus auf nonverbale Kommunikation relevant. Die Dialoge der Männer drehen sich lediglich um Vordergründiges wie die Frage, welche Verfilmung des Prügelspiels „Mortal Combat“ die schlechtere ist oder ob an der altbackenen Verschwörungstheorie von der flachen Erde nicht doch etwas dran sein könnte. Von einer intimen Aussprache gegen Ende abgesehen, offenbaren sich die Charaktere in Seitenblicken und kleinen Gesten. Der finale Konflikt bahnt sich ziemlich unterschwellig an, bis dunkle Wolken ganz konkret ins Bild rücken.

Foto: Salzgeber

Interessant ist, dass bis auf den ungeouteten Poli alle Männer im Haus heterosexuell zu sein scheinen – und in ihrer Haltung mitunter sogar homophob. Andy allerdings, der sich selbst nicht mal als bi identifiziert, nimmt einen heimlichen Blow Job von Poli gern mit.

Man kann das Kammerspiel mit den Adonissen, die sich teils zum Verwechseln ähnlich sehen, lange als erotische Wunschfantasie rund um den Kink vom verführten Hetero wahrnehmen. Dazu passt auch, dass sich die Gruppe ständig in homoerotischen Situationen inszeniert, die in ihrer überspitzten Form nicht gerade einer realistischen Darstellung verpflichtet sind. Für die „Homo-Fotos“, die unter großem Gegacker in der WhatApp-Gruppe landen und von dort sogar geleakt werden, wird so getan, als hätte man Männersex. Gegenseitige Penisfotos sind in der Gruppe völlig üblich. Überhaupt liegen die Kumpels oft halbnackt auf dem Bett, die Beine auf denen des Freunds abgelegt; und abends schlafen die Jungs schon mal im Arm des anderen ein. Dazu passt eine Anekdote, die einer der Freunde erzählt: „Ein paar Jungs feierten Polterabend in einer Garage. Sie waren alle nackt am Feiern. Plötzlich steckt einer einem so ein Luftding in den Arsch.“ Die Geschichte geht allerdings nicht gut aus, was einen Schatten auf den Fortgang des Films wirft.

Foto: Salzgeber

Der generelle Schauwert von „Horseplay“ wiegt die Sporadik der Narration auf. Dabei geht es nicht nur um die Körper. Berger hat die inszenatorischen Mittel des Kinos bei seinem achten Film gut im Griff: Es gibt schön arrangierte Bilder, darunter Gruppenaufnahmen, in denen die Männer in einer Reihe am Pool sitzen oder kameratauglich in der Küche posieren. Insgesamt verströmt die Machart einen moderaten Festivalfilm-Flair, mit langen Einstellungen, die Bedeutung suggerieren, wo es zuerst um Oberflächenreize geht. Um es bei der Stange zu halten, gewährt der Film seinem Publikum einen qualifizierten Blick auf das Treiben, das sich erst bei genauerem Hinsehen zur Charakterstudie formt. Wohl nicht zufällig taucht mit dem „View Master“ ein kultiges 70er-Utensil auf. Der Name des Betrachtungsgerät für stereoskopische Bilder kann hier durchaus programmatisch aufgefasst werden.

Foto: Salzgeber

„Über dem ganzen Film scheint eine schwüle Hitze zu liegen, in der sich die Figuren bewegen wie halbersoffene Fliegen in der Milchsuppe“, schrieb der Filmkritiker Ralph Umard über „Days Of Being Wild“ von Wong Kar-wai. Das passt auch zum geistig verwandten „Horseplay“, gleichwohl die Figuren hier insgesamt aktiver auftreten.

Zum Jahreswechsel markiert der Besuch einiger Freundinnen der Männer die Sollbruchstelle, an der die männliche Gruppendynamik unter neuen Vorzeichen stattfindet und das Geplänkel an Fahrt aufnimmt. Plötzlich bleibt das alberne Verhalten nicht unwidersprochen. „Was tust du, du bist nicht mehr 15“, kommentiert die Schwester des einen. Auch chauvinistische Ansagen wie „Pornos sind nur für Männer“ werden zur Diskussion gestellt. Mit dem Besuch der Frauen, die vorzugsweise in knappen Bikinis chillen, bricht die zuvor unterschwellig sexuelle Atmosphäre an die Oberfläche. Es kommt zu einem einvernehmlichen Dreier, aber auch zu sexueller Gewalt, die unangenehm beiläufig und letztlich off screen passiert. Bald bricht auch das schwule Arrangement zwischen Poli und Andy auf, was geradewegs zum emotionalen Höhepunkt führt.

Marco Berger wirft einen Blick auf fragile bis toxische südamerikanische Männlichkeit und wird durch seine Auslotung der Männerkörper selbst zum Teil der Bestandsaufnahme. Die tief sitzende Homophobie, die sich letztlich als Thema des Films herausstellt, kann man Berger dabei allerdings nicht vorhalten.




Horseplay
von Marco Berger
AR 2022, 101 Minuten, FSK 18,
spanische OF mit deutschen UT

Jetzt als DVD und VoD