Plan B

TrailerDVD/VoD

Jetzt neu als DVD und VoD: Bruno wurde vor einiger Zeit von seiner Freundin verlassen, die jetzt mit einem neuen Mann zusammen ist. Alle Versuche, seine Ex zurückzuerobern, scheiterten bisher, doch Bruno lässt nicht locker. Als er herausfindet, dass ihr neuer Freund Pablo bisexuell ist, will er ihn verführen, um ihn dafür später an den Pranger zu stellen. Doch alles kommt anders: Aus der Annäherung aus Kalkül entwickeln sich langsam aber sicher echte Gefühle und eine starke erotische Energie. In seinem ersten Spielfilm erzählt der argentinische Regisseur Marco Berger in sinnlich aufgeladenen Bildern und ohne Kitsch eine moderne Lovestory. Andreas Köhnemann über einen Klassiker des queeren Kinos aus Südamerika, in dem Bergers künstlerisches Markenzeichen, einen homoerotischen Subtext filmisch nach und nach offen zum Vorschein zu bringen, bereits voll ausgeprägt ist.

Foto: Salzgeber

„Ich liebe dich, Mann!“

von Andreas Köhnemann

Ein Mann, eine Frau – und noch ein Mann. Das kann zu polyamourösem Glück führen. In den meisten Geschichten, die von dieser Konstellation erzählen, bedeutet das jedoch: Konkurrenzkampf! Zwischen den beiden Männern, selbstverständlich. Mal in dramatischer Form, etwa in „Jules und Jim“ (1962) oder „Titanic“ (1997), mal als amüsantes Chaos, wie in „Serenade zu dritt“ (1933) oder „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ (2001).

Auch die Eröffnungssequenz von Marco Bergers „Plan B“ legt den Grundstein für eine Rivalität. Bruno, der gerade noch gedankenversunken mit einem süßen Katzenbaby geschmust hat, beobachtet eifersüchtig, wie seine Ex-Freundin Laura ihren neuen Freund Pablo küsst. Zwar haben Bruno und Laura weiterhin gelegentlich Sex – aber ihre Beziehung ist für Laura offiziell beendet. Die Rückgewinnungsmission, die Bruno startet, unterscheidet sich indes massiv von allem, was wir aus gängigen romantischen Dramen oder Komödien kennen.

Denn als Bruno erfährt, dass Pablo „mal was mit einem Typen“ hatte, schmiedet er den titelgebenden „Plan B“: Er will Pablo verführen, damit dieser mit Laura Schluss macht und er selbst wieder bei ihr zum Zuge kommen kann. Das Ganze klingt wie die modernisierte Version eines Lustspiels von William Shakespeare oder Edmond Rostand, mit betont alberner Maskerade und schrillen Gags. Doch der Protagonist Bruno ist kein gewitztes Genie, kein teuflischer Strippenzieher, der alle Beteiligten gekonnt an der Nase herum hinters Licht führt – sondern ein ziemlich gelassener Typ, der einfach mal schaut, was passiert. Und, oh boy, es passiert so einiges!

Eine von Pablo geliebte Krimiserie dient Bruno als lockerer Einstieg in eine Unterhaltung, als die beiden nebeneinander in der Umkleide des örtlichen Fitnessstudios ihre Sachen zusammenpacken. Bald sitzen sie gemeinsam vor dem Fernseher in Pablos Bude, bald übernachtet Bruno zum ersten Mal bei ihm – allerdings noch in einem anderen Zimmer. Als sich Bruno nur mit enger Unterhose bekleidet in den Türrahmen stellt, um die erotische Verlockung einzuleiten, knipst Pablo rasch das Licht aus.

Foto: Salzgeber

„Woran denkst du?“, fragt Laura semi-interessiert, als sie und Bruno mal wieder miteinander im Bett gelandet sind. „An deinen Freund“, lautet Brunos Antwort, in der bereits mehr Wahrheit steckt, als Bruno, geschweige denn Laura, bewusst zu sein scheint. Der kurze Wortwechsel ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie Dialoge in einer heteronormativen Lesart völlig eindeutig wirken, aus queerer Perspektive hingegen so viel mehr auszusagen vermögen. Während der queere Subtext in Mainstream-Filmen (zumal in jenen bis zum Jahr 2009, als „Plan B“ erstmals veröffentlicht wurde) von uns als queere Zuschauer:innen mühsam hervorgeholt werden muss, wird er hier vor unseren Augen und Ohren mehr und mehr zum Text.

Was der 1977 geborene Argentinier Marco Berger im Laufe seiner weiteren Karriere, etwa in Filmen wie „Taekwondo“ (2016) und „Der Blonde“ (2019), zu seinem Markenzeichen gemacht hat, ist in „Plan B“, seinem Langfilm-Regiedebüt, schon deutlich ausgeprägt: Er beobachtet das Verhalten und die Interaktion seiner männlichen Figuren, stellt die Homoerotik in Macho-Sprüchen und -Ritualen heraus – und lässt die unterschwellige amouröse und libidinöse Spannung zwischen den Männern irgendwann ganz offen zum Vorschein treten, sodass sie sich von niemandem mehr leugnen oder weglachen lässt.

Foto: Salzgeber

„Du siehst gut aus“, wirft Bruno beiläufig in den sommerabendlichen Raum, als die beiden auf dem Hausdach über Pablos Wohnung Fotos voneinander schießen. Ein Kompliment, das sich durchaus auch zwei stramme Heteros mal machen dürfen, oder? Auf einer Party geben sie sich zum Spaß als Paar aus. Ein erster flüchtiger Kuss. Naja, war bloß ein Scherz, richtig? Bei einer nächtlichen Alberei, bei der noch eine Bekannte von Bruno anwesend ist, kommt es nach reichlich Alkohol dann zu einer intensiveren Knutscherei. Aber hey, sie waren halt betrunken … Und so steigert sich die Intimität immer weiter.

Zusätzlich sehen wir, wie die beiden Männer in Einzelszenen die gemeinsam verbrachte Zeit verarbeiten. Als sich Pablo etwa die Fotos anschaut, die auf dem Dach entstanden sind, ist ein Lächeln auf seinen Lippen. Bruno wird derweil immer nachdenklicher, da sein Vorhaben anders verläuft, als er sich das ursprünglich vorgestellt hat. An einer Stelle gibt es gar eine mit Musik unterlegte Montagesequenz, in der die wohligsten Augenblicke zwischen den beiden noch mal zusammengefasst werden.

Foto: Salzgeber

In seinen Dialogen hält „Plan B“ in puncto Romantik und „Aww!“-Effekt mühelos mit jedem Meg-Ryan-Film aus den 1990er Jahren mit. „Was für ein Spielzeug wärst du gerne?“, fragt Bruno Pablo. Die Antworten mögen zunächst recht unbeholfen daherkommen – sie werden später jedoch noch zu rührenden Handlungspunkten. Zuweilen mutet der Film so an, als würde er eher ziellos eine Stimmung einfangen. In solchen Momenten, in denen clever auf zuvor Etabliertes aufgebaut wird, zeigt sich aber sehr deutlich, dass Bergers Skript gut durchdacht und souverän strukturiert ist. Auch die Tatsache, dass Pablo schon in der ersten Szene als Mann mit einer Kamera eingeführt wird, sorgt gegen Ende für einen Twist, der die vermeintlich klare Rollenverteilung in dieser Geschichte noch einmal ganz schön infrage stellt.

Nach circa 60 (von rund 105) Minuten Laufzeit ist die (Schmuse-)Katze aus dem Sack: „Ich liebe dich, Mann!“, gesteht Bruno Pablo, ganz ohne schützende Kumpel-Attitüde. Die zuvor gesponnene Intrige verschweigt er vorerst. Was folgt, hat nichts von einem Tür-auf-Tür-zu-Ulk alter Schule, bei dem die aufgedrehte Konfusion in ein sicheres Happy End mündet, und ist auch kein hochtrabendes Melodram, in dem die Schmerzen des triangulären Begehrens alle ins Unglück stürzen. Beides hätte auch nicht zu Bruno und Pablo gepasst. Stattdessen findet alles völlig organisch zueinander. Pläne können verworfen werden – und alles ist möglich.




Plan B
von Marco Berger
AR 2009, 103 Minuten, FSK 12,
spanische OF mit deutschen UT

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