Kritiken (Literatur)

Edmund White: Meine Leben

Edmund White: Meine Leben

Mit den Erinnerungsbänden „City Boy“ und „Der Flaneur“ sowie mehreren vom eigenen Leben inspirierten Romanen wurde Schriftsteller Edmund White nicht nur zur Ikone der amerikanischen Schwulenliteratur, sondern auch zum Meister des autobiografischen Schreibens. Nun sind im Albino Verlag mit dem 500-Seiten-Wälzer „Meine Leben“ seine Memoiren in deutscher Übersetzung erschienen. Unser Autor Marko Martin witterte dahinter zunächst ein Stück Copy-and-Paste-Literatur, ließ sich am Ende aber von den detailsatten Beschreibungen und der Fabulierlust des ebenso hochgebildeten wie unprätentiösen Erzählers White mitreißen.
Saskia Vogel: Permission

Saskia Vogel: Permission

Nach dem Tod ihres Vaters sucht die gescheiterte Schauspielerin Echo Trost in den Leben Fremder. Als sie der Domina Orly begegnet, ist sie sofort fasziniert, doch deren Houseboy Piggy ist zunächst nicht willens, eine andere Person teilhaben zu lassen. In ihrem Debütroman „Permission“ erzählt Saskia Vogel von Menschen, die im Reich der Erotik nach Heilung suchen und sich die Frage stellen, wie sie geliebt werden möchten. Dabei gelingt es ihr meisterhaft, heteronormative Dating-Rituale der als „pervers“ gebrandmarkten BDSM-Szene gegenüberzustellen, findet Anja Kümmel.
Flora S. Mahler: Julie Leyroux

Flora S. Mahler: Julie Leyroux

In ihrem Debütroman "Julie Leyroux" erzählt die Wiener Autorin Flora S. Mahler von der titelgebenden Konzeptkünstlerin, die zum Mittelpunkt des Kosmos einer Gruppe von Thirtysomethings wird. Die Galeristin Ann, Julies Kommilitonin und Geliebte Mona sowie ihr Halbbruder Robert schildern Geschichten mit der provokanten, queeren Künstlerin. Anja Kümmel über ein außergewöhnlich konstruiertes, satirisch anmutendes Kunstbetriebsporträt voller subtiler Beobachtungen.
Kevin Junk: Fromme Wölfe

Kevin Junk: Fromme Wölfe

Das Berghain ist schon lange ein internationaler Sehnsuchtsort. Je nach Perspektive ist der Berliner Club ein Tempel der Ekstase, eine Drogenhölle oder einfach nur das erweiterte Wohnzimmer queerer Wahlfamilien. In seinem Debütroman „Fromme Wölfe“ erzählt Kevin Junk von fünf Menschen, deren Wege sich innerhalb einer langen Partynacht im Berghain immer wieder kreuzen. Axel Schock geht der Frage nach, ob das Buch auch als soziales Sittenbild der Clubkultur funktioniert.
Benno Gammerl: anders fühlen

Benno Gammerl: anders fühlen

Die Wege schwulen und lesbischen Lebens in Deutschland waren steinig, und sie sind bis heute weniger geradlinig, als unsere Vorstellung von Liberalisierung hoffen lässt. Mit „anders fühlen“ hat der Historiker Benno Gammerl die erste umfassende Geschichte der Homosexualität in der Bundesrepublik verfasst. Er beschreibt die Lebens- und Gefühlswelten von gleichgeschlechtlich liebenden Menschen seit den 1950er Jahren und lässt Männer und Frauen verschiedener Generationen zu Wort kommen. Unser Autor Marko Martin findet Gammerls Studie präzise und voller Empathie.
Vojin Saša Vukadinović (Hg.): Die Schwarze Botin

Vojin Saša Vukadinović (Hg.): Die Schwarze Botin

Die in West-Berlin verlegte Zeitschrift „Die Schwarze Botin“ gilt als bedeutendes Periodikum der Neuen Frauenbewegung – und löste einige Kontroversen aus. Zu den Autorinnen gehörten u.a. Rita Bischof, Gisela Elsner, Elfriede Jelinek, Julia Kristeva, Eva Meyer, Heidi Pataki und Gisela von Wysocki. Die beiden Herausgeberinnen Gabriele Goettle und Brigitte Classen verfolgten ein klares Ziel: Aus der Frauenbewegung heraus eine Kritik an dieser zu üben – ohne Angst, sich dadurch Feind*innen zu machen. Die nun von Vojin Saša Vukadinović herausgegebene Anthologie dokumentiert erstmals zahlreiche Originalbeiträge aus der ersten Folge der Zeitschrift zwischen 1976 und 1980. Dino Heicker hat den facettenreichen Band gelesen.
Tomasz Jedrowski: Im Wasser sind wir schwerelos

Tomasz Jedrowski: Im Wasser sind wir schwerelos

Als Tomasz Jedrowskis „Im Wasser sind wir schwerelos“ im vergangenen Jahr in Großbritannien herauskam, wurde es von der Presse gefeiert. Der Guardian kürte die schwule Coming-out- und Liebesgeschichte, die im sozialistischen Polen der frühen 1980er Jahre spielt, sogar zum Buch des Jahres. Auch Axel Schock ist begeistert, er vermisst aber etwas mehr Widerständigkeit.
Ralf König: Vervirte Zeiten

Ralf König: Vervirte Zeiten

Zwischen März und Oktober 2020 erfreute Ralf König seine Fans auf Facebook und Instagram täglich mit Kurzcomics zum Leben und Lieben seines schwulen Kultpaars Konrad und Paul in Zeiten von Corona. In den Kommentaren wurde stets danach gefragt, ob es das auch bald als Buch gäbe. Nun hat König sämtliche Folgen im Band „Vervirte Zeiten“ zusammengefasst. Michael Sollorz hat das Pandemie-Tagebuch in Comicstripform gelesen und das Wiedersehen mit den Knollennasen wie ein Nach-Hause-Kommen empfunden.
Vojin Saša Vukadinović (Hg.): Zugzwänge

Vojin Saša Vukadinović (Hg.): Zugzwänge

Der von Vojin Saša Vukadinović herausgegebene Band „Zugzwänge: Flucht und Verlangen“, erschienen in der kontroversen Kreischreihe des Querverlags, nimmt die Situation queerer Geflüchteter in den Blick – aus theoretischen, politischen und aktivistischen Perspektiven. Für unseren Autor Peter Rehberg ist die Textsammlung vor allem zweierlei: das Projekt, durch Schilderungen der Situation vor Ort, Informationen über Organisationen und Initiativen, Lebensberichte und schließlich auch Literatur mehr über die Lebensbedingungen von Geflüchteten zu erfahren; und eine programmatische Abrechnung mit Queer Theory und postkolonialen Theorien. Letzteres weckt bei ihm reichlich ambivalente Gefühle. Eine kritische Analyse.